Generationswechsel im Schrebergarten

Kamenz. Herrlich wie das spritzt! Lenny richtet den Gartenschlauch in Richtung Sunny. Seine kleine Schwester fordert Vergeltung. Es glitzert in der Abendsonne. Stabile 20 Grad vervollständigen die Schrebergarten-Romantik in der Kleingartenanlage "Schwarzer Weg" in Kamenz. Zufällig trifft die Dusche Papas Beete mit dem neu gepflanzten Salat. Kinderlachen, entspannter Feierband, gewässertes Gemüse. Es läuft bei Hermanns.
Seit März haben sie einen Garten. Eigentlich sind es zwei. Doch dazu später. Bereits mitten im Schnee stapften sie das erste Mal durchs Gartentor mit der leicht verrosteten Weintraube. "Man sagte uns, dass man gerade nicht viel sehen kann, aber wir waren neugierig", sagt Juliane Hermann. "Und haben sofort gewusst: Das ist es!"
Die 39-Jährige lebt mit Mann Andreas und Kindern gleich um die Ecke. Luftlinie einhundert Meter. Auch dort gibt es einen Garten, den man sich mit den Eltern teilt. Trotzdem war da schon länger die Sehnsucht nach mehr.
Trend: Nachhaltig und gesund leben
"Unser größter Ansporn war, dass die Kinder ein Kaninchen haben wollten. Und dafür zu Hause kein Platz war. Wir wollten dem Tier genügend Auslauf bieten", erzählt Juliane. Nun sind es sechs. Und für alle ist Platz. Täglich frisches Gemüse auf den Tisch, aromatische Kräuter ins Essen, Beeren frisch vom Strauch gepflückt in den Kindermund - das war außerdem ein schöner Traum.
Den haben sich die Hermanns erfüllt. Gleich doppelt. "Nachdem wir den Garten übernommen hatten, wurde der neben uns noch frei. Da mussten wir nicht lange überlegen", so Andreas Hermann. So hat jetzt jeder sein Refugium. Während Juliane es eher chillig, blumig und kreativ mag, baut ihr Mann nebenan die frischen Lebensmittel an. "Wir besuchen uns natürlich", lacht er. Der Zaun zwischen den Gärten kam weg.
Das Areal gehörte vorher einem alten Herren, der sich freute, dass sein gärtnerisches Lebenswerk in gute Hände kam. "Er gab uns Tipps", so Andreas Hermann. Und das Rezept, wie man Obstwein herstellt. "Das probieren wir dieses Jahr aus", freut sich der 54-Jährige.
Gerade ist Bewegung in den Kleingärten. Eine ganze Generation von Schrebergärtnern wird abgelöst. Oder Alt und Jung mischen sich einträglich Parzelle an Parzelle. Vor allem junge Familien ziehen ein, wollen ihren Kindern ein Stück Natur bieten. Andere wollen als Selbstversorger Tomaten, Gurken und Kartoffeln anpflanzen. Auch für die Hermanns war das ein Grund. "Die Kinder sollen neben Computer und Schule noch etwas anderes fürs Leben lernen, mit anpacken", so Juliane Hermann. So bekämen sie hautnah mit, wie sich die Natur im Jahresverlauf ändert.
Corona brachte den Kleingarten-Boom
Wolfgang Preller, Chef des Kamenzer Territorialverbandes der Kleingärtner kann diesen Trend bestätigen. "Vor ein paar Jahren hatten wir befürchtet, dass ein Großteil der Gärten bald leer stehen könnte. Dies ist nicht eingetreten. Auch ein bisschen wegen Corona", sagt der 65-Jährige. Kurz vor der Pandemie habe man bereits einen leichten Aufwind gespürt. Doch nun könne man gar nicht mehr klagen. "Alles hat eben sein Gutes. Die Leute konnten nicht reisen, viele Dinge sind immer noch unplanbar. Da will man es sich daheim schön machen", sagt er. Allein im Landesverband Sachsen sind 36 lokale Verbände mit etwa 200.000 Kleingärtnern organisiert. Davon 13 in Ostsachsen.
Wer einen Kleingarten besitzt muss sich aber an Regeln halten. "Ein reiner Ziergarten mit Grillplatz, Häuschen, Rasen und Sträuchern entspricht nicht der kleingärtnerischen Nutzung, genauso wenig wie eine Spielwiese auf der ganzen Fläche", so Preller. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Kleingärtner auf mindestens einem Drittel der Fläche Obst und Gemüse für den eigenen Bedarf anbauen. "Aber unsere Vereine reagieren mit Augenmaß", so Preller. Man könne über vieles reden.
Allein Kamenz und die Ortsteile sind reich gesegnet mit Anlagen. 21 Stück gibt es. Und in diesen sind aktuell nur noch 37 Parzellen leerstehend.
Der Territorialverband der Gartenfreunde des Landkreises Bautzen verbindet 78 Kleingartenanlagen bis weit ins Oberland und Bischofwerda. Auch hier geht der Stimmungstrend nach oben. "Der Garten-Leerstand beträgt nur neun Prozent, in der Stadt Bautzen sind es drei", sagt Chef Reinhard Kliemann. Und das sind die Zahlen der Parzellenzählung im letzten November. Im Frühjahr dürfte sich noch einiges getan haben. "Wir haben Nachfragen von jungen Leuten. Corona hat durchaus dazu beigetragen, aber nicht nur. Es gibt viele altersbedingte Gartenabgaben. Das spricht sich herum", so Kliemann. "Wir sind froh, dass wir den geringen Leerstand auf dem Niveau halten konnten. Und hoffen, dass die Neuen nach der Pandemie ihre Gärten nicht gleich wieder abgeben."
Günstige Pachtpreise rund um Bautzen
Nur zehn Cent pro Quadratmeter kostet die Pacht in der Region. Das ist preiswert. 18 Cent sind es im bundesweiten Schnitt, in Großstädten mit 22 Cent kaum mehr. "Kleingärtner in Deutschland haben zwei wesentliche Privilegien: Sie genießen Kündigungsschutz und es gibt eine Pachthöhebegrenzung", sagte Dirk Sielmann, Bundesvorsitzender der Deutschen Gartenfreunde kürzlich im Gespräch mit Tagesschau24. Nur Strom, Abwasser, Versicherungen und Vereinsbeiträge kommen dazu. Trotzdem sei das ein erschwinglicher Betrag. Vor allem für junge Leute und Familie.
Die Hermanns zahlen pro Garten rund 60 Euro - inklusive Pacht und Vereinsbeitrag im Jahr. Und können ihr Glück immer noch nicht richtig fassen. "Wir wollten Platz für die Kaninchen. Im Nachhinein ist es ein Rückzugsort mit tollen Möglichkeiten für die ganze Familie geworden. Eigentlich sind wir täglich hier", sagen sie. Gekommen, um zu bleiben...