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Nach 150 Jahren: Großröhrsdorf löst Stiftung auf

Immer wieder vermachten Bürger der Stadt Geld für soziale Zwecke, das in Stiftungen floss. Diese Tradition endet nun - weil es kaum noch Zinsen gibt.

Von Heike Garten
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Henry Honomichl hat sich mit den Stiftungen der Stadt Großröhrsdorf beschäftigt und dazu auch in alten Akten geforscht.
Henry Honomichl hat sich mit den Stiftungen der Stadt Großröhrsdorf beschäftigt und dazu auch in alten Akten geforscht. © René Plaul

Großröhrsdorf. Eine seit 150 Jahren in Großröhrsdorf etablierte Form von Hilfe gibt es nicht mehr: Der Stadtrat hat jetzt beschlossen, die Gemeinnützige Stiftung städtischer Einwohner Großröhrsdorf aufzulösen. Über viele Jahrzehnte war es Zweck mehrerer Stiftungen, armen Menschen in der Stadt zu helfen. Das ist zwar jetzt auch noch möglich, geschieht aber oft über eine Spende an die Stadt oder an eine spezielle Einrichtung.

Wie war es zur Gründung der Stiftungen in Großröhrsdorf gekommen? Henry Honomichl, Stadtrat und Chef einer Druckerei, kennt sich mit der Geschichte aus. Sein Plan ist es, über Stiftungen in Großröhrsdorf eine kleine Broschüre herauszugeben. Noch arbeitet er am Manuskript.

Los ging es demnach mit den Stiftungen im Jahr 1850, als der langjährige Kantor Wolf stirbt. „Er hinterlässt der Stadt 1.800 Mark und legt genau fest, wofür das Geld zu verwenden ist: für vier bis sechs Witwen zur Anschaffung von Feuerholz“, berichtet Henry Honomichl. Es entsteht die Kantor-Wolf-Stiftung.

Die Gründungsurkunde der Großmann-Stiftung. Mit dem Geld wurde in Großröhrsdorf ein Krankenhaus gebaut.
Die Gründungsurkunde der Großmann-Stiftung. Mit dem Geld wurde in Großröhrsdorf ein Krankenhaus gebaut. © René Plaul

Es sollte nicht die einzige bleiben. Auch später hinterlassen Großröhrsdorfer der Stadt Geld. Dieses fließt dann in Stiftungen. 1889 hinterlässt der Firmeneigentümer C. G. Großmann 5.000 Mark zum Bau eines Krankenhauses. Die Erben erhöhen die Summe auf zweimal 50.000 Mark, einmal für den Bau des Krankenhauses, einmal für den Unterhalt. Auf diese Weise bekommt Großröhrsdorf sein Krankenhaus.

Bis zum ersten Weltkrieg gibt es etwa 15 Stiftungen in der Stadt, die auch für arme Kinder, für deren Schulbildung und Ausbildung aufkommen. „Es waren vor allem Unternehmer, die Geld gaben - auch, um für die eigene Firma ausgebildete Leute zu bekommen“, erklärt Henry Honomichl.

Im Jahr 1922 sind es schon 31 Einzelstiftungen mit einem Gesamtvermögen von 211.414 Reichsmark. 1936 gibt es eine unübersichtliche Menge an Einzelstiftungen, die neu geordnet werden müssen. So kommt es zur Zusammenlegung zu einer Stiftung mit drei Schwerpunkten: Hilfe für Arme, Erhaltung des Stadtkrankenhauses und Unterstützung von Schülern.

Nach dem Krieg wird die Stadt aufgefordert, sich zu der Stiftung zu bekennen. „Am 21. März 1949 beschließt der damalige Stadtrat die Gründung der Gemeinnützigen Stiftung städtischer Einwohner Großröhrsdorf“, weiß Henry Honomichl. In der DDR-Zeit wird das Geld für Kinderfeste verwendet. Neues Geld fließt nicht in die Stiftung.

Geld von der Witwe des berühmten Arztes

Nach der Wende von 1989 wird die Stadt erneut aufgefordert, sich zu ihren Stiftungen zu bekennen. Dazu kommt es per Stadtratsbeschluss. 1992 erhält die Stiftung die letzte finanzielle Zuwendung über 12.500 D-Mark von Margot Sauerbruch, der Frau des berühmten Arztes Ferdinand Sauerbruch. Und es gibt noch einmal dieselbe Summe für das Gymnasium, verbunden mit dem Wunsch, dass die Schule dauerhaft den Namen Ferdinand-Sauerbruch-Gymnasium trägt. Ein Computerkabinett wird eingerichtet. Von den Zinsen werden einige Projekte unterstützt wie ein Stadtfest und die Errichtung mehrerer Gedenksteine. Ab 1992 erhalten jährlich zwei Absolventen des Gymnasiums eine Geldprämie für ihre schulischen oder sozialen Leistungen, außerdem wird Geld für die Pflege des Grabes von Dr. Linke verwendet.

Doch in den letzten Jahren sanken die Erträge immer weiter, da diese bei Stiftungen nur durch Zinsen erzielt werden. Wegen der negativen Zinsentwicklung wurden 2019 bei einem Stiftungsgrundvermögen von 25.000 Euro schließlich nur noch 0,12 Euro an Zinsen erzielt. Das war letztlich der Grund für den Vorstand, die Auflösung vorzuschlagen.

Das noch vorhandene Geld kommt der Gestaltung eines „Lieblingsplatzes“ an der Kulturfabrik (15.5000 Euro) und den Jugendfeuerwehren Großröhrsdorf, Kleinröhrsdorf und Bretnig-Hauswalde (10.000 Euro) zugute. Damit endet nach 150 Jahren die Geschichte der Städtischen Stiftungen in Großröhrsdorf.

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