Harte Kämpfer in schrillen Outfits

Kamenz/Bischofswerda. Es ist laut. Es ist hart. Und es wird echt viel gestöhnt an diesem Abend. Körper fliegen durch die Luft und krachen voller Energie auf einem harten Holzboden auf. Schon vom Hinschauen tun einem alle Knochen und Gelenke weh. Und jeder Orthopäde hätte seine helle Freude - oder auch nicht.
Doch die "Freak Wrestler Kamenz" (FWK) stört das kaum. Sie wollen schwitzen. Sie wollen leiden. Und das alles ganz dramatisch überspitzt. Dahinter steckt eine ausgetüftelte Dramaturgie, die sich Außenstehenden erst nach und nach enthüllt.
Dabei ist das heute alles nur Training. Aber das verläuft schon einmal sehr diszipliniert. Aufwärmen, Schlagtechnik üben am Boxsack, Dehnungsübungen, Falltechniken auf übereinander gestapelten Matten testen - dieser Abend wird lang.
Fotos bekannter Wrestler, Pokale und viel Kitsch
„Wrestling“ bedeutet aus dem Englischen übersetzt nichts anderes als „Ringen“ und zählt zu den Schaukampfsportarten. Besonders in Japan, den USA und Mexiko gehört es zu den beliebten Sportarten. Die Lausitz hingegen war bislang nicht als großes El Dorado bekannt. Wie also kommen diese Jungs in die große Halle auf dem Gelände der Max Aicher GmbH in Bischofswerda?
"Uns gibt es schon seit 2013", sagt Clemens Skatula. Der Kamenzer hält die Fäden des Vereins zusammen. Und nimmt Sächsische.de mit auf einen Rundgang durch die "heiligen Hallen". Überall hängen Fotos und Plakate bekannter Wrestler. Dazu kommen die Pokale, nachgemachte Wrestler-Gürtel aus Pappe und viel Kitsch. Es ist bunt und ein bisschen spukig. Auf einer Bar stehen ausgestopfte Wiesel.
Gebaut wird auch irgendwie immer. Zurzeit entsteht eine Playstation-Ecke zum "Runterkommen" nach dem Training. Auf einer kleinen Holzbühne wird sonst Musik gemacht. "Wir sind von allem ein bisschen", sagt Clemens Skatula.
In Kamenz kein passendes Objekt gefunden
Er war es auch, der das Ganze mit aus der Taufe hob. Zusammen mit seinem älteren Bruder Vincent und ein paar anderen Verrückten, die einfach Spaß am Wrestling haben. "Begonnen hat alles in einem Garten, später sind wir in eine Garage umgezogen. Wir wären gern in Kamenz geblieben, haben aber nichts Passendes gefunden. Die Stadt hat uns leider nicht unterstützt", sagt Clemens Skatula. Ein paar ausverkaufte Show-Kämpfe liefen in der Turnhalle des Berufsschulzentrums. Aber Platz fürs Training und den Verein gab es nirgendwo.
Schließlich sind die Wrestler in Bischofswerda fündig geworden. "Die Max Aicher GmbH hat uns ein faires Mietangebot gemacht. Einen Teil bekommen wir sogar gesponsert", sagt Clemens Skatula. Und Platz gibt es ohne Ende.
Einmal im Monat bieten sie zusätzlich im Kinder- und Jugendbegegnungszentrum Bischofswerda ein Projekt an. "Nachwuchsarbeit ist toll. Die Kids sind wissbegierig. Hier geht's auch nicht darum, wie man jemanden am besten verkloppt, sondern genau um das Gegenteil: sich fit halten, Respekt haben voreinander, Zeit verbringen miteinander", erklärt Skatula. Erst kürzlich haben sie zusammen ein Youtube-Musikvideo aufgenommen.
Der "rote Faden" des Kampfes steht vorher fest
"Wir verstehen uns auch nicht als Sportverein. Wir sind ein Kunst- und Theaterverein", meinen die Jungs. "Der rote Faden des Kampfes steht vorher fest. Wer ist der Gute, wer der Böse? Jeder von uns hat seine Aufgabe und Rolle, die er umsetzt. Im Showkampf pusht uns das Publikum zusätzlich", erklärt Clemens Skatula.
Der Ablauf der Show werde detailliert festgelegt. Dazu zählen die Kämpfe, die Sieger der Kämpfe, der Verlauf der Interviews, Promo-Segmente sowie abseits des Rings stattfindende "Prügeleien". Es gibt schrille Kostüme. Und Utensilien, die immer dabei sind. Zum Beispiel ein Schwein aus Pappmaché, das auf den Namen "Chef" hört. Oder ein ausgestopfter Kranich, den die Oma vererbt hat. Auch Trainingspuppe "Mister Uwo" ist immer mit am Start. Manchmal auch ein Sarg, in dem der Verlierer endet.
Heute sind sie nur zu fünft beim Training. Sie verwandeln sich im Ring in exotische Gestalten, und man weiß nicht so richtig, ob man vor ihnen Angst haben oder über sie lachen soll. "Natürlich ist das alles der totale Trash. Wir sind Trash", sagt Clemens Skatula.
Er selbst nennt sich im Kampf "Garbage Brawler". Sein Bruder Vincent wird zu "Craber". Im Kampf sind die beiden Kontrahenten, schenken sich nichts. Robin Schwarz geht regelmäßig als "Vladimir Prybjat" in den Ring. "Alucard" ist Marcel Sporka, der vom Publikum auch gern "grüner Mann" gerufen wird. Und Patrick Schimmang ist der "Bender". Einer, der seit mehreren Kämpfen den Gürtel besitzt. Ab und zu gebe es schon kleine Verletzungen. Aber in all den Jahren könne man die an einer Hand abzählen. Ein Wrestler fehlt heute: Kevin Liebach, der "Champion".
In guten Zeiten seien sie bedeutend mehr gewesen. Corona habe hier auch einiges zum Erliegen gebracht. "Wir konnten keine Shows durchziehen. Langsam geht es aber wieder los. Letzte Woche waren wir in Spremberg, am 28. Mai kann man uns in Sedlitz zuschauen. Da spielen wir ohne Gage und zugunsten krebskranker Kinder. Wir sind aber auch käuflich, über den Preis kann man reden", meint Skatula. Der Kampf-Ring aus Matten und Seilen reist dafür immer mit.
Und die knallharten Trash-Typen vom "FWK" freuen sich über jeden neuen Mitstreiter. Denn im Herzen sind sie alle ganz lieb - und natürlich dicke Freunde.