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Kampf gegen Krankenhaus-Keime

Im Klinikum Meißen gibt es strenge Hygienepläne. Schwester Gundula Fritsch überprüft, ob die Vorschriften eingehalten werden.

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© Claudia Hübschmann

Von Nina Schirmer

Meißen. Es muss leuchten. Und zwar überall. Wenn Gundula Fritsch mit der Schwarzlichtbox ankommt, zeigt sich ganz genau, wer seine Hände richtig desinfizierten kann. Unter dem UV-Licht bleibt nichts verborgen. „Wo dunkle Stellen sind, ist kein Desinfektionsmittel hingekommen“, sagt Gundula Fritsch. Jeder muss bei ihr einmal die Hände vorzeigen. Ärzte genauso wie Pflegepersonal. Mit ihrem UV-Licht kann Gundula Fritsch sehen, ob die Mediziner die Hände nach der richtigen Methode eingerieben haben. Also nicht nur die Innenflächen, sondern auch Handrücken und vor allem den Bereich zwischen den Fingern. Das Wort Kontrolle hört Schwester Gundula nicht so gerne. Aber letztendlich ist genau das ihr Job: die Hygiene im Meißner Krankenhaus überprüfen.

Gepackt für den Ernstfall: Im Katastrophenschutzlager der Klinik liegen unter anderem spezielle Kittel, Handschuhe und Mundschutze.
Gepackt für den Ernstfall: Im Katastrophenschutzlager der Klinik liegen unter anderem spezielle Kittel, Handschuhe und Mundschutze. © Claudia Hübschmann
Desinfektionsmittel hängt im Krankenhaus nicht nur in den Fluren, sondern auch an jedem Bett.
Desinfektionsmittel hängt im Krankenhaus nicht nur in den Fluren, sondern auch an jedem Bett. © Claudia Hübschmann

An jedem Standort der Elblandkliniken gibt es dafür eine Fachkraft. Speziell ausgebildete Leute, die für die Überwachung der Krankenhaushygiene verantwortlich sind. In Meißen prüft Gundula Fritsch mit Abklatschproben zum Beispiel Ärzte , die aus einem Krankenzimmer von der Visite kommen. Denn dann sollten die Mediziner gerade ihre Hände desinfiziert haben. Nach jedem Kontakt mit einem Patienten ist das vorgesehen.

Was lapidar klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Werden Hygienestandards nicht richtig eingehalten, können sich Keime schneller übertragen. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene geht davon aus, dass sich in der ganzen Bundesrepublik fast eine Million Menschen jedes Jahr mit Krankenhauskeimen infizieren. Bis zu 40 000 Patienten sterben daran, so die Schätzung.

Keime sind aber nicht grundsätzlich gefährlich. „Jeder Mensch trägt ein gewisses Keimspektrum an sich“, erklärt Dr. Holger Sebastian. Er ist Chefarzt in der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin und Ärztlicher Direktor am Klinikum Meißen. Die Keime werden vom Körper sogar gebraucht. Bakterien im Darm etwa sind überlebensnotwendig. „Kritisch wird es erst, wenn die normale Flora gestört ist“, sagt Sebastian. Das kann zum Beispiel passieren, wenn im Krankenhaus Antibiotika verabreicht werden. Besonders gefährlich sind Erreger, die auf Antibiotika nicht mehr reagieren. Diese multiresistenten Keime sind immer wieder Thema in den Medien. Gesunden Menschen können sie in der Regel nichts anhaben. Für Kranke hingegen, deren Immunsystem geschwächt ist, können Infektionen tödlich enden. Meistens kommen die Erreger von draußen mit den Patienten ins Krankenhaus. In der Meißner Klinik hat Hygienefachkraft Gundula Fritsch deshalb ein genaues Auge auf neue Patienten. Bei Risikopatienten wird ein Screening gemacht. „Das sind zum Beispiel Abstriche aus der Nase oder dem Rachen“, erklärt Gundula Fritsch. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Laborergebnisse auszuwerten, damit sehr schnell Informationen vorliegen. Hellhörig werden die Ärzte, wenn ein Patient im Ausland behandelt wurde. „Wenn sich zum Beispiel jemand in Griechenland ein Bein gebrochen hat und dort im Krankenhaus operiert wurde, machen wir hier auf jeden Fall einen Abstrich“, sagt Chefarzt Holger Sebastian. Zur Risikogruppe zählen aber auch Leute, die in der Massentierhaltung arbeiten. Patienten mit chronischen Wunden, Dauerkathetern oder Ernährungssonden werden ebenfalls gescreent.

Wer für eine geplante Operation, etwa an Knie oder Hüfte, kommt, erhält vorher eine spezielle Waschlotion für zu Hause. Damit sollen schon im Vorfeld mögliche Krankheitserreger auf der Haut abgetötet werden, bevor die Patienten für den Eingriff vorbereitet werden.

Die Ausbreitung von multiresistenten Keimen ist im Krankenhaus besonders gefährlich. Aber auch wenn Patienten mit anderen leicht übertragebaren Erregern wie dem Noro- oder Influenzavirus eingeliefert werden, ist man in der Meißner Klinik alarmiert. Unter Umständen muss der Betroffene in ein Einzelzimmer gelegt werden, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Der Kranke soll aber nicht stigmatisiert werden. „Wir schreiben nicht an die Zimmertür, dass jemand infektiös ist“, sagt Gundula Fritsch. „Der Patient kann ja nichts dafür.“ Besondere Vorsichtsmaßnahmen müssen in so einem Fall aber trotzdem sein. Dazu gehört, dass sich Besucher bei der Schwester auf der Station melden müssen, bevor sie das Zimmer betreten. Sie werden dann darauf hingewiesen, wie sie sich zu verhalten haben. Händewaschen und desinfizieren ist nur eine der Regeln. In manchen Fällen müssen sie auch einen Mundschutz überstreifen.

Gleiches gilt für die Ärzte – auch zu ihrem eigenen Schutz. Je nachdem, woran ein Patient erkrankt ist, kann ein Mundschutz ganz unterschiedlich aussehen. So gibt es eine Variante, an dem eine Art Visier aus Plastik befestigt ist, das bis über die Augen reicht. „Der wird zum Beispiel bei der Untersuchung von Tuberkulosepatienten verwendet“, erklärt Arzt Holger Sebastian.

In letzter Zeit treten auch wieder Infektionen auf, von denen man lange nicht gehört habe, sagt der Mediziner. Keuchhusten etwa. Das liege unter anderem daran, weil es anders als zu DDR-Zeiten inzwischen keine Pflichtimpfung mehr gibt. Im Krankenhaus ist man mit unterschiedlicher Ausrüstung auf verschiedene Infektionsfälle vorbereitet.

Im Ernstfall muss alles sofort griffbereit sein. Wieder eine Aufgabe von Gundula Fritsch. Sie hat den Überblick über das vorhandene Hygienematerial. „Lager Katastrophenschutz“ steht auf einer Tür im Erdgeschoss der Klinik. Die Hygienefachkraft schließt auf und zeigt, was sich in diesem Raum befindet. Es sind zwei Wagen mit Kitteln, Handschuhen, Mundschutzen und Desinfektionsmitteln. Sie müssen immer einsatzbereit gepackt sein. Damit auch das Personal weiß, was im Ausnahmefall zu tun ist, finden in der Klinik regelmäßig Katastrophenschutzübungen statt. Denn das Schlimmste, was passieren könnte: unvorbereitet sein bei einer Pandemie.

Wenn zehn Leute oder mehr mit einer Infektion, etwa Erbrechen und Durchfall, eingeliefert werden, spricht man von einem Massenanfall. In der Rettungsstelle gibt es für dieses Szenario extra zwei Eingänge. Damit infizierte Patienten nicht mit anderen in Berührung kommen. In Meißen ist solch ein Massenanfall aber bisher nicht vorgekommen. Gundula Fritsch klopft dreimal auf Holz, damit das auch so bleibt. Denn auch wenn sie darauf vorbereitet ist, soll eine Ausnahmesituation besser nicht eintreten.

Schwester Gundula arbeitet schon viele Jahre im Meißner Krankenhaus. 1978 hat sie hier ihre Ausbildung zur Krankenschwester begonnen. Anfang der 90er entschied sie sich dann für eine Zusatzausbildung zur Hygienefachkraft. Schulungen in Stuttgart und Praktika in Dresden gehörten dazu. Heute ist die Hygiene-Kontrolle ein Fulltime-Job. Sie gibt Fortbildungen für Mitarbeiter, erstellt Hygienepläne und begleitet das Gesundheitsamt bei Routineüberprüfungen. Die Behörde nimmt zum Beispiel regelmäßig Proben vom Trinkwasser, medizinischen Geräten und aus der Klimaanlage des Krankenhauses. Bei ihrer täglichen Arbeit muss sie sich an die Vorgaben der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention halten.

Eine Einzelkämpferin in Sachen Hygiene ist Gundula Fritsch aber nicht. „Das ist eine gemeinsame Aufgabe des gesamten Krankenhauses“, sagt sie. Von den Ärzten über Pfleger bis zu den Reinigungskräften müssen alle für dieses Thema sensibilisiert sein. Und auch die Patienten und Besucher sind im Kampf gegen Keime gefragt. Im Krankenhaus hängen deshalb überall Aufkleber, die daran erinnern: Hände waschen und desinfizieren.