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Kampf um Tempo 30

Seit Jahren fordern Anwohner eine 30er-Zone. Jetzt haben sie eine Unterschriftenaktion gestartet. Das Landratsamt sieht keine Notwendigkeit.

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© André Wirsig

Von Nina Schirmer

Volkersdorf. Wenn Birgit Simon mit dem Auto aus der Einfahrt rollt, lässt sie jedes Mal die Scheiben herunter. Dann horcht sie auf jedes Tuckern und Dröhnen. Denn sehen, ob ein Auto angerauscht kommt, kann sie nicht. Die Ausfahrt von ihrem Grundstück liegt direkt hinter einer Kurve. Oft haben die Fahrer noch weit über 50 Kilometer pro Stunde drauf, wenn sie an ihrem Haus vorbei kommen.

Während in einem Teil von Volkersdorf Tempo 30 gilt, müssen sich im zweiten Teil des Ortes Richtung Bärnsdorf nur noch Lkw-Fahrer an das Tempolimit halten. Allein, sie tun es meistens nicht. Die Anwohner fordern seit mehreren Jahren eine generelle 30er-Zone. Doch bisher hat sich an der Verkehrssituation nichts geändert.

Deshalb hat der Mann von Birgit Simon vor einigen Wochen eine Unterschriftenaktion gestartet. Knapp 250 Leute haben schon unterschrieben. Insgesamt hat Volkersdorf 496 Einwohner. Viele sind die Raser, die durch den Ort jagen, leid. „Einmal bin ich zum Nachbarn zum Eier holen gegangen. Da hätte mich der Sog eines Lkw fast unter die Räder gezogen“, erzählt Jürgen Simon. „Es ist lebensgefährlich.“ Ein Nachbar, der im Rollstuhl sitzt, kann sein Grundstück überhaupt nicht mehr verlassen. Auch Schulkinder müssen sehr vorsichtig sein und nicht selten rennen, wenn sie zur Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite müssen. Viele Lkw-Fahrer nutzen die schmale Straße durch den Ort, um auf kurzem Weg zu den Logistikzentren nach Radeburg zu fahren.

„Es grenzt an ein Wunder, dass hier noch nichts passiert ist“, sagt die Nachbarin der Simons, Martina Hänel. Doch offenbar ist genau dieser glückliche Umstand ein Hindernis für die geforderte Tempo-30-Zone. Vom Landratsamt haben die Anwohner erfahren, dass die Tempobegrenzung auch deshalb nicht nötig sei, weil es bisher keine Unfallopfer gegeben hat. Auch gegenüber der SZ bestätigt das Amt, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung aus Sicherheitsgründen nicht zulässig sei, weil es bisher keine Häufung von Unfällen in der Ortsdurchfahrt gegeben habe. Unfälle mit Radfahrern oder Fußgängern seien gar nicht registriert. Das Landratsamt verweist außerdem darauf, dass bereits ein Warnschild „Achtung Kinder“ am Ortseingang aufgestellt wurde.

Den Volkersdorfern reicht das aber nicht. Deshalb haben Sie sich mit einem Brief an Landrat Arndt Steinbach (CDU) gewandt. „Wir haben den Landrat eingeladen, die Unterschriften hier vor Ort entgegenzunehmen, damit er sich ein Bild von der Lage machen kann“, sagt Jürgen Simon. Das war vor zehn Tagen. Noch haben sie keine Antwort bekommen. Landratsamtssprecher René Weinhold teilt mit, dass der Landrat aus terminlichen Gründen der Einladung nicht nachkommen könne. Der Termin werde aber stattdessen durch den Verwaltungsdezernenten oder die zuständige Amtsleiterin wahrgenommen.

Zuspruch haben die Volkersdorfer nach eigenen Aussagen bisher nur von Radeburgs Bürgermeisterin Michaela Ritter (parteilos) bekommen. Sie kennt die Situation vor Ort. „Ich kann den Ärger der Anwohner nachvollziehen“, sagt Ritter. Auch sie habe das Thema beim Kreis immer wieder angesprochen. Die Stadt selbst sei jedoch für die Verkehrsregelung nicht zuständig und habe keinen Einfluss darauf.

Immerhin eine positive Nachricht gibt es aber. Der Bau der Ortsdurchfahrt S96 soll voraussichtlich im kommenden Jahr beginnen. Die Planungen dafür ziehen sich seit über zehn Jahren hin. Unterdessen wurde der Zustand der Staatsstraße immer schlechter. „Wir haben noch keine verbindliche Kostenplanung bekommen, aber wir hoffen sehr, dass sie uns bald vorgelegt wird“, sagt Bürgermeisterin Ritter. Wenn dem so ist, könnte es 2017 mit den ersten Baumaßnahmen losgehen. Dann sollen die Volkersdorfer auch Gehwege entlang der Straße bekommen. Die fehlen bisher fast gänzlich. Die Anwohner um Jürgen Simon trauen der Ankündigung noch nicht. Und auch, wenn die Straße bald saniert werden sollte, fordern sie weiterhin die Tempo-30-Zone. Denn am Verkehrsaufkommen wird sich im Ort nichts ändern.