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Neuer Hingucker in der Krabatmühle

Die Figurine von Töpfer Andreas Hegewald setzt den echten Kantorkis ein Denkmal, wie sie einst in Schwarzkollm lebten – und einer literarischen Figur.

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© Gernot Menzel

Von Constanze Knappe

Schwazrkollm. Die Scheibe hält das aus, sagt Tobias Zschieschick. So sicher wie der Geschäftsführer der Krabatmühle Schwarzkollm ist sich Andreas Hegewald nicht. Behutsam stellt er eine 54 Zentimeter große, sechs Kilogramm schwere Figurine aus Steinzeug in die Vitrine. 96 Stunden haben er und seine Frau Ulrike an der „Kantorka“ (Vorsängerin) gearbeitet. Die Idee entstand in Kundengesprächen. Für die vielen (Keramik-)Raben rund um die Mühle fanden sich Sponsoren. Irgendwie aber habe noch eine Figur gefehlt, so der Töpfer.

Und schon ist er mittendrin in der Krabat-Sage. Er erzählt von der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, in der Pest und Armut das Leben der Menschen bestimmten. In der Schwarzen Mühle fanden Müllerburschen Essen und einen Schlafplatz. Gute Stimmung indes nicht, denn jeder sei auf sich selbst bedacht gewesen. Auf das heutige Leben übertragen leitet der Schwarzkollmer daraus ab: „Negative Energie ist wie ein Parasit.“ Soll heißen, wer nur mit negativen Gedanken voll Pessimismus lebt, altert schneller. Nicht umsonst habe Otfried Preußler in seiner Krabat-Sage 1971 die Osternacht für die Begegnung von Krabat und der Kantorka erwählt. In jener Nacht, in der die Menschen voller Vorfreude auf die Auferstehung sind, wird Krabat auf die singenden Mädchen des Passionszuges aufmerksam. Er verliebt sich in die Stimme der Kantorka. Indem er die Liebe zu dieser Frau entdeckt, liebt er sich auch selber wieder. „Und wenn man sich selber liebt, kann einem niemand etwas anhaben“, sagt Andreas Hegewald. Insofern sei die Kantorka für ihn „die wahre Heldin“.

Kopf und Gesicht waren große Herausforderungen

Der Töpfer hat sich intensiv mit der Sage beschäftigt, mehrfach den Film gesehen und das Buch gelesen. Es liegt in seiner Werkstatt, damit er bei Bedarf gleich hineinschauen könne. „Es geht nicht um Mystik oder schwarze Magie, sondern darum, dass die Übermacht der Liebe alles Böse besiegt“. Eine Botschaft, die nach seinen Worten bis heute nichts an ihrer Ausstrahlung verloren hat.

Er habe noch nie eine Figur in der Größe gemacht, erzählt er. Kopf und Gesicht waren die größten Herausforderungen. Davon ausgehend sei er „der göttlichen Geometrie“ in Form der menschlichen Proportionen gefolgt. Angesichts der Tracht mit den vielen Unterröcken und der Wollstrickjacke sei davon jedoch nicht mehr allzu viel zu erkennen. Seine Frau Ulrike habe die Figur dekoriert – mit dem Muster auf der Schürze, denn seine Kantorka stammt aus besserem Hause. Sie trägt die Passionstracht, die bis auf das weiße Bändchen am Kopf, einige grüne Bänder und weiße Strümpfe komplett schwarz ist. Nur in Schwarz würde Steingut aber gar nicht so gut wirken. Auch deshalb ist die Jacke matt, während Haube und Schürze glänzen. Die Figur ist ein Unikat. Als Leihgabe stellen Andreas und Ulrike Hegewald die Kantorka der Krabatmühle zur Verfügung.

Aus gutem Grund erfolgte die Übergabe zu Beginn der Karwoche: Am Karsamstag ist eine echte Kantorka samt Ostersängerinnen in Schwarzkollm zu erleben. 18 Frauen ziehen in Tracht singend vom Dorfplatz in die Kirche. 1939 gab es das letztmalig. 2010 wurde der Brauch wiederbelebt.

„In der Ausstellung gab es bisher eine Puppe als Kantorka. Sie hat ausgedrückt, was wir rüberbringen wollten“, erklärt Tobias Zschieschick. Aber die Qualität der Steinzeugfigur sei um ein Vielfaches höher. Man werde sie achten und pflegen – und als Anstoß zum Weiterdenken nehmen.