Von Jana Mundus
Der Berufsalltag von Martin Möbius ist ein einziges Hin und Her. So manche Pillnitz-Touristen hat er damit schon enttäuscht. Nur drei Minuten Zeit bleiben ihnen zum Genießen der Aussicht über die Elbe. Dann ist es schon wieder vorbei, legt Möbius mit dem Schiff am anderen Ufer an. Der 54-Jährige ist einer der wenigen Kapitäne auf den Fährschiffen Dresdens. Ein Job, für den er manchmal eine gute Portion Gelassenheit braucht.
Die Johanna ist sein Liebling. Auf der Motorfähre am Johannstädter Fährgarten hat er am liebsten Dienst. „Da ist immer was los, kommen Spaziergänger und viele junge Leute mit Kindern“, sagt Martin Möbius. Viele Fahrgäste kennt er gut. Vor allem die Berufspendler. Für die zeigt er auch mal Herz. Gefahren wird nach Bedarf, einen festen Fahrplan gibt es nicht. „Wenn ich weiß, jemand muss am anderen Ufer seinen Bus bekommen, beeile ich mich mit dem Ablegen. Warte nicht noch minutenlang, bis genug Leute an Bord sind.“ In Niederpoyritz sind es viele Radtouristen, die die bequeme Elbquerung nutzen. Die löchern ihn gern auch mal mit Fragen rund um die Motorfähre. „Wenn nicht so viel Andrang ist, erkläre ich gern etwas oder mache mal ein paar Witzchen mit ihnen.“
Der Dresdner ist gern Fährmann. Dabei war das nicht einmal sein Traumjob. Als Kind wollte er lieber Bagger fahren und Baumaschinist werden. Später war Busfahrer attraktiver. Doch angefangen hat alles letztlich mit der Straßenbahn. 1978 begann er seine Lehre zum Facharbeiter für städtischen Nahverkehr. „Im zweiten Lehrjahr durfte ich endlich Straßenbahn fahren“, erinnert er sich. Ab 1980 kutschiert er die Dresdner täglich über das städtische Schienennetz.
Neun Jahre später macht er zusätzlich seinen Busführerschein. Den halben Monat fährt Martin Möbius noch heute Bus. Der Rest des Dienstplans gehört der Fähre. Der Busfahrer – Martin Möbius weiß, dass der bei seinen Mitmenschen nicht unbedingt der beliebteste Zeitgenosse ist. „Mancher Rüffel der Fahrgäste ist berechtigt. Ich habe ja auch nicht immer meinen besten Tag“, sagt er und lächelt fast ein bisschen entschuldigend. Doch in überfüllten Fahrzeugen immer die gute Laune zu behalten, sei eben manchmal etwas schwierig. Auf viele, die in letzter Sekunde in Richtung Haltestelle hetzen, wartet er gern, öffnet noch einmal die Türen. „Aber irgendwann muss ich los, wenn ich den Fahrplan einhalten will. Das verstehen die wenigsten.“
Auf der Fähre bestimmt er, wann abgelegt wird. Wenn er Fahrgäste am gegenüberliegenden Ufer sieht, bereitet er alles vor. Er schließt die Türen, macht das dicke Seil vom Anleger los, startet den Motor. Geübte Handgriffe an dem großen Steuerrad, es geht vor und zurück. Ausparken, rüber über die Elbe, einparken. Dann springt der Fährmann auf den Anleger, schnappt sich in Windeseile das Seil und macht die Fähre fest. Geschafft.
Sein Arbeitstag beginnt meist zwischen fünf und sechs Uhr. Als Erstes überprüft er den Wasserstand. Hat die Elbe zu wenig Wasser, muss er den Anlegesteg an beiden Ufern weiter hineinziehen. Führt sie viel, beginnt das gleiche Spiel in die andere Richtung. An der Pillnitzer Autofähre sind sie oft zu zweit im Dienst. Vor allem an Wochenenden ist viel los, das Einweisen der Fahrzeuge meist stressig. „Einige Autofahrer kriegen das richtige Einparken auf der Fähre einfach nicht hin“, sagt Möbius. Dann ist Geduld gefragt.
Das Fährmannsein steckt ihm jetzt im Blut. Auch privat kann er sich oft nicht davon lösen. Wenn er im Urlaub ist, interessiert ihn die Arbeit von Kollegen. Ob Rheinfähre oder die Schiffe am Nord-Ostsee-Kanal. „Wenn ich die Gelegenheit habe, unterhalte ich mich mit anderen Fährleuten. Das ist doch interessant zu wissen, wie das so bei denen läuft.“
Seit dem Laubegaster Inselfest 2009 begrüßt Martin Möbius ab und an einen besonderen Fahrgast. Eleonora hatte jetzt Schulanfang. Mit ihr verbindet ihn eine besondere Geschichte. „Ihre Mama war damals zum Inselfest auf der Fähre – hochschwanger“, erzählt er. Da hatte er noch mit ihr gescherzt. Nicht dass die Wehen einsetzen und das Kind auf der Fähre geboren wird. Ein paar Wochen später bekam er ein Foto der kleinen Eleonora. „Sie wurde noch am selben Tag geboren, als die Mama mit mir Fähre fuhr.“ Das Mädchen war da schon unterwegs. Ein ganz eiliger Fahrgast.