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Karl Nolle kämpft um sein Lebenswerk

Der SPD-Abgeordnete hat still einen Teil seiner Dresdner Druckerei verkauft und sich als Chef zurückgezogen. Die neuen Herren wollen sie retten.

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Von Annette Binninger

Es ist leer geworden in der dritten Etage des Druckhauses Dresden. Die Möbel sind fast alle weg. An den Wänden hängen noch ein paar gerahmte Auszeichnungen. Und einige Bücher aus Karl Nolles früherem Junius-Verlag füllen ein kleines, wie vergessenes Regal. Hier war bis vor Kurzem noch das Bürgerbüro des SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle zu finden. Jetzt sollen die rund 250 Quadratmeter „fremdvermietet“ werden, sagen die neuen Herren. Und irgendwie sieht manches hier nach Ausverkauf aus. Nolles Druckerei kämpft ums Überleben.

Das Ehepaar Nolle ist gewissermaßen schon nicht mehr Chef im eigenen Haus. 25 Prozent ihrer Druckerei haben die Nolles zum 1.April verkauft. Sie wohnen noch in der Dachgeschoss-Wohnung des riesigen, alten Industriegebäudes in der Bärensteiner Straße in Striesen. Doch sie sind seit vier Wochen keine Geschäftsführer mehr, zwei neue wurden eingesetzt: Andreas Kühn und Kurt Seitz. Und mit ihnen wehe ein schärferer Wind, heißt es in der Branche. „Wir wollen das Unternehmen nicht bestatten, sondern weiterführen“, beteuert Andreas Kühn, der 25 Prozent der Anteile gekauft hat. Bis spätestens Ende des Jahres soll das Druckhaus wieder schwarze Zahlen schreiben. Druckmaschinen würden nicht verkauft, andere Maschinen vielleicht. Auch Nolles geliebtes Druck-Museum ist zu haben.

Angst und Unsicherheit sollen sich bei den Mitarbeitern breitmachen. Vier von 67 Mitarbeitern ist bereits gekündigt worden. Wie es genau weitergeht, ist unklar. „Wir schauen uns derzeit erstmal den ganzen Betrieb an“, sagt Kurt Seitz. „Wir haben festgestellt, dass kostentechnisch einiges optimiert werden kann.“ Man wolle „zumindest vorübergehend das Verwaltungspersonal runterfahren“, sagt Seitz. Worte, die Karl Nolle schmerzen müssen. Er, der Sozialdemokrat, dem der soziale Gedanke stets so wichtig war, muss nun zusehen, wie sich die Dinge verändern. Wohl kaum in seinem Sinne. Ein gebrochener Mann sei Nolle, heißt es in SPD-Kreisen. Nolle sei zur tragischen Figur geworden, schwer geschlagen von Krankheit. Und er bangt um sein Lebenswerk.

Schuld ist die Politik?

Vor fast genau 20 Jahren hatten Karl Nolle und seine Frau Christl das damals konkursreife Druckhaus in Striesen gekauft. Mühsam bauten sie es auf zu einem modernen Unternehmen. Nolle druckte alles. Auch Broschüren des Freistaats und anderer Landesbehörden. Er war dicke im Geschäft. Und hatte auch noch die Zeit, um als SPD-Landtagsabgeordneter immer wieder für politische Eklats zu sorgen. Nolle teilte gerne aus. Immer mitten in die Flanke des politischen Gegners. Ohne Filter. Frei heraus. Ob es um die Biedenkopf’schen Wohnverhältnisse ging, die Landesbank-Misere von Regierungschef Georg Milbradt oder die frühere berufliche Tätigkeit von Ministerpräsident Stanislaw Tillich.

Viele wussten von den dramatischen Monaten in den vergangenen beiden Jahren, in denen Nolles Unternehmen bis an die Existenzgrenze geraten sein soll. Anfang 2009 brach der Umsatz drastisch ein, erzählt Seitz. Ironie der Geschichte: Seitz war einst Finanzvorstand der Mitteldeutschen Leasing AG (MDL), einer Tochter der Landesbank Sachsen, deren Risiko-Geschäfte Nolle vor sechs Jahren mit ans Licht gebracht hatte. Nun beriet Seitz Nolle. Die Banken sicherten über fast zwei Jahre die Betriebsmittel. Man machte sich auf Partner-Suche. Auffällig: Als „Berater“ ist derzeit auch Carsten Weinberg von der Mediengruppe Südost aktiv, die unter anderem in Cossebaude und Chemnitz eine Druckerei betreibt.

Die Schuld an seinem Dilemma gibt Nolle unterdessen nicht nur der Wirtschaftskrise, die viele Druckereien in die Insolvenz trieb. Er sieht sie auch in seiner politischen Aufklärungsarbeit. „Zuerst sind die öffentlichen Aufträge gestrichen worden, dann wurden meine Kreditwürdigkeit und mein guter Ruf durch das gegen mich eröffnete Verfahren negativ beeinträchtigt.“ Er ist stolz darauf, das er mit seiner Frau eine Lösung gefunden habe, um das Unternehmen zu retten. Noch fünf bis sechs Jahre laufen die Finanzierungen. So lange bleibe er sicher noch im Unternehmen, sagt Karl Nolle. Ganz der alte Kämpfer.