Haus am Abgrund in Reinhardtsdorf-Schöna

Das Ferienheim Kuckuckswinkel steht auf einmal am Abgrund. Direkt unter der Hauswand geht es seit dem Unwetter vom Wochenende gut fünfzehn Meter in die Tiefe. Die Wassermassen haben hier im Hirschgrund in Reinhartsdorf-Schöna die gesamte Böschung weggerissen. Bäume, Geröll und die Überreste von Rohrleitungen hängen quer durch die Kraterlandschaft.
Am Montagmittag seilen sich Kletterer der Bergwacht von der Abbruchkante ab. Im Auftrag des Technischen Hilfswerks (THW) befestigen sie ein Prisma - einen kleinen speziellen Spiegel - in dem aufgerissenen Erdreich, ein weiteres dieser Teile wurde zuvor an der Hausmauer angebracht.
Auf der gegenüberliegenden Seite der aufgerissenen Schlucht haben Spezialisten des THW ein Vermessungs-Tachymeter aufgestellt. Dessen Laser zielt auf die Prismen und registriert jede Bewegung - und sei sie kleiner als einen Millimeter. Mit diesem System überwacht das THW nun die Standfestigkeit der Böschung und des Hauses. "Wir hoffen, dass keine Bewegung drin ist", sagt Truppführer Rüdiger Pfeiffer, der mit seinen Leuten dafür aus Leipzig angerückt ist.
Erst Corona, jetzt Überschwemmung
Halb nervös, halb interessiert beobachtet Heike Vogt die Arbeit der Katastrophenhelfer. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie das Feriendomizil im Hirschgrund in Schöna, das nun im schlimmsten Fall droht, den Hang hinabzustürzen. Als der Starkregen am späten Sonnabendnachmittag den Mühlgrundbach anschwellen ließ, saß sie gerade auf einer Grillparty in Potsdam. Panisch rief ihr Nachbar auf dem Handy an. "Das Haus schwimmt weg!" Der Nachbar war es auch, der die Feriengäste in ein Nebengebäude brachte, das weiter weg steht vom Hang.
Als "unschön" bezeichnet Inhaberin Heike Vogt die Situation, vor der sie und ihr Mann nun stehen. Seit November standen die drei Ferienwohnungen wegen der Corona-Pandemie zwangsweise leer. Jetzt sollte es endlich wieder losgehen mit Urlaubsgästen in der Sächsischen Schweiz. Nun steht die Zukunft des Ferienheims Kuckuckswinkel auf der Kippe.
Bei rund 350.000 Euro liegt der Schaden einer ersten Gutachterschätzung zufolge. Zwar ist Familie Vogt mit einer Elementarschadensversicherung versichert, doch ob die greift, ist noch unklar. Denn das Haus an sich ist unbeschädigt, bislang sind keine Risse zu erkennen, "nur" den Hang des Grundstücks haben die Wassermassen weggespült. Ein Stück weiter talwärts Richtung Elbe fehlt die komplette Straße.
THW im Einsatz in der Sächsischen Schweiz
Am oberen Ende des Hirschgrunds, wo in der Talsenke in Schöna der Mühlgrundbach und der Schönaer Bach zusammenfließen, haben die Fluten ein Wohnhaus gefährlich unterspült. Auch hier sind die Katastrophenschützer des THW mit ihren blauen Uniformen an der Arbeit. Noch am Sonntag gab es erste Erkundungen vor Ort, seit Montagfrüh läuft der Einsatz an insgesamt neun Stellen im Gebiet, sagt Susan Schmidt vom THW Pirna.

Im Nachbarort Krippen an der Schinkemühle am Ortsausgang, wo sich am Sonntag Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) ein Bild der Lage machte, greift ein blauer Bagger ins Geröll. Hier geht es darum, das Flussbett des Krippenbachs wieder freizulegen, damit das Wasser in seine vorgesehene Bahn zurückkehren kann. Noch rauscht es quer über den Hof der Mühle. Der gemauerte Bachlauf ist normalerweise zwei Meter tief, erklärt Thomas Hopperdietzel vom THW Dresden. Auf mindestens einsfünfzig stapeln sich angeschwemmter Schutt und Steine, die müssen raus.
Weggespülter Hund gerettet
Ein Grundstück weiter ist Gunter Claus, der frühere Chef des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in der Sächsischen Schweiz am Schaufeln. Dreißig bis fünfzig Kubikmeter Sand und Schotter liegen auf dem Grundstück seiner Lebensgefährtin, schätzt er. Verschlammte Möbel, Kisten und Gartengeräte stapeln sich am Straßenrand. Das Paar war am Wochenende noch im Urlaub, als das Wasser durch die Werkstatt schoss und den Keller des Wohnhauses bis unter die Decke flutete.

Den in Krippen gebliebenen Hund, um den Claus' Sohn sich während des Urlaubs kümmerte, rissen die Fluten aus dem Garten mit. Ein Stück flussabwärts konnten Nachbarn das Tier noch aus dem Wasser fischen. Der Hund überlebte. Weniger Glück hatten die Kaninchen. Drei von ihnen schwammen mitsamt ihrer Ställe davon. Jetzt heißt es wie überall entlang des Krippenbachs: aufräumen. Eine Baufirma, die gerade im Ort arbeitet, hilft mit einem Minibagger aus. Sogar zwei Touristen aus Reinhardtsdorf-Schöna haben spontan mit angepackt, berichtet Gunter Claus.
Menschen sind bei dem Unwetter in der Sächsischen Schweiz nicht zu Schaden gekommen. Einen Autofahrer musste die Feuerwehr in Krippen vom Dach seines Fahrzeugs retten. Das Auto war schon aufgeschwommen, Türen und Fenster ließen sich nicht mehr öffnen, erklärt Bad Schandaus Wehrleiter Kai Bigge. Der Mann wählte den Notruf, die Feuerwehr riet ihm, ein Seitenfenster einzuschlagen und aufs Autodach zu klettern. Dort konnte er kurz darauf geborgen werden.