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Landrat: "Die Feuerwehrleute kämpfen bis zum Umfallen"

Im Nationalpark Sächsischen Schweiz brennt es weiter. Landrat Michael Geisler spricht im Interview über Versäumnisse beim Brandschutz, drohende Evakuierungen - und was hilft.

Von Katarina Gust
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"Kräftemäßig müssen wir aufpassen, dass uns keiner umkippt", sagt Landrat Michael Geisler. Täglich sind etwa 400 Einsatzkräfte im Nationalpark aktiv, wie hier Sandro Funk von der Freiwilligen Feuerwehr Großschönau, der sich auf einem Grenzstein ausruht.
"Kräftemäßig müssen wir aufpassen, dass uns keiner umkippt", sagt Landrat Michael Geisler. Täglich sind etwa 400 Einsatzkräfte im Nationalpark aktiv, wie hier Sandro Funk von der Freiwilligen Feuerwehr Großschönau, der sich auf einem Grenzstein ausruht. © Mike Jäger

Herr Geisler, seit zehn Tagen brennt es im Nationalpark Sächsische Schweiz und in Tschechien. Wie ist die Lage aktuell?

Wir müssen leider von einer sich verschlechternden Lage ausgehen. Das hängt mit dem Wetter zusammen. Bis Freitag wird es sehr heiß, dicke 30 Grad und mehr sind angesagt. Zudem dreht der Wind. Das ist gut für die Tschechen, nicht aber für uns. Denn wir müssen wieder mit Funkenflug rechnen, der neue Brandherde verursacht. Und genau die müssen wir immer erst entdecken. Pro Tag finden aktuell drei Erkundungsflüge über dem Brandgebiet statt, um Glutnester aufzuspüren. Und es werden auch tatsächlich immer neue Feuerstellen entdeckt.

Wie wollen Sie darauf reagieren?

Wir bereiten uns vor und werden weitere Wasserwerfer bestellen. Zwei Fahrzeuge aus Sachsen und zwei aus Bayern sind bereits im Einsatz. Ein dritter Wasserwerfer aus dem Freistaat ist bestellt. Weitere sind aus anderen Bundesländern angefordert. Die Wasserwerfer löschen nicht. Sie stehen quasi an den Verteidigungslinien, durchfeuchten den Boden, damit sich das Feuer nicht weiter ausbreiten kann.

Teile von Hrensko mussten bereits evakuiert werden, umliegende Ortschaften in Tschechien ebenfalls. Droht diese Gefahr auch auf unserer Seite?

Wohnlagen sind nach wie vor nicht gefährdet. Schmilka ist sicher. Die anderen bewohnten Ortschaften sind noch weiter weg von den Bränden. Das kann ich zumindest für den jetzigen Stand sagen. Denn täglich muss die Lage neu eingeschätzt werden.

Wie geht es den Feuerwehrleuten, die in der ersten Reihe gegen die Flammen kämpfen?

Die Feuerwehrleute kämpfen bis zum Umfallen. Ich bin den Kameradinnen und Kameraden und allen Helfern sehr dankbar für das, was sie gerade leisten. Wir haben zur Unterstützung Führungskräfte aus Pirna, Freital und Dresden in den Stäben und Leitungen angefordert. Kräftemäßig müssen wir aber aufpassen, dass uns keiner umkippt. Das hilft uns nicht. Es mussten schon einzelne Leute rausgeholt werden, bevor sie völlig erschöpft sind. Das Wichtigste im Moment ist, dass die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr gewährleistet ist. Deshalb wurde auch das Waldbetretungsverbot verhängt. Einen weiteren Brand können und wollen wir uns nicht leisten.

Die Fußballfans von Dynamo Dresden hatten ein großes Banner an der Elbebrücke in Bad Schandau aufgehängt mit dem Schriftzug „Der K-Block dankt allen Brandbekämpfern im Dynamoland Sächsische Schweiz und zollt ihnen größten Respekt!“.
Die Fußballfans von Dynamo Dresden hatten ein großes Banner an der Elbebrücke in Bad Schandau aufgehängt mit dem Schriftzug „Der K-Block dankt allen Brandbekämpfern im Dynamoland Sächsische Schweiz und zollt ihnen größten Respekt!“. © kairospress

Eine Entscheidung, die auch Kritik erntete, vor allem von Touristikern.

Im Moment sehe ich keine Veranlassung, auch nur einen Millimeter vom Waldbetretungsverbot abzurücken. Auch wenn das für Kritik sorgt: Ich halte da das Knie steif. Eine Lockerung ist nur möglich, wenn es dauerhaft regnet. Ich hatte am vergangenen Sonnabend auf viel Regen gehofft. Da er ausblieb, platzte auch der Plan, das Betretungsverbot zu lockern. Vergangene Woche hatten wir im Landkreis drei zusätzliche Waldbrände: in Gohrisch und zwei in der Dippser Heide. Auch dort müssen Einsatzkräfte hin, die dann natürlich im Nationalpark fehlen. Und genau das wollen wir verhindern.

Sie waren direkt im Brandgebiet. Wie sieht es dort aus?

Das Gelände ist schwarz, grau oder weiß - je nach Verkohlungsgrad. Flora und Fauna sind da, wo es brannte, vernichtet. Ich habe Fichten gesehen, die in fünf Sekunden bis zur Spitze in Flammen standen. Wir müssen abwarten, wie schnell sich die Natur erholt. Ich schätze, nächstes Jahr wird es dort schon wieder grün sein. Die Fichte wird mit Sicherheit wiederkommen und uns nicht verloren gehen. Ob sich ein Mischwald durchsetzt, ist die Frage.

Von Naturschützern und den Sächsischen Bergsteigerbund wird nun Kritik laut. Stürme, Trockenheit und der Borkenkäfer haben dem Wald in den vergangene Jahren enorm zugesetzt. Tausende Bäume sind abgestorben - blieben aber als Totholz im Nationalpark liegen. Und genau das brennt nun wie Zunder. Ist die Katastrophe selbstverschuldet?

Die Kritik ist berechtigt. Seit zwei, drei Jahren höre ich den Warnenden genau zu. Und es gab viele Warnungen. Die Brandlast ist hoch, das ist unstrittig. Deshalb haben wir hartnäckig an der Forderung festgehalten, Wege freizuschneiden. Klar ist, die Situation ist absehbar gewesen. Deshalb wurde auch eine offene Diskussion geführt. Und es wird auch nach der Katastrophe eine Diskussion geben. Zum Beispiel darum, wie umfänglich ein Genehmigungsverfahren sein muss, um Zisternen im Nationalpark zu errichten. Die Forderungen dazu sind nicht neu. Zisternen müssen da hin, dringend. Es gibt aber leider Entscheider, die den Naturschutz an erster Stelle stehen haben. Keiner hat etwas gegen Naturschutz. Ideologen haben in einer solchen Diskussion keinen Platz.

Krisengespräch: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (li.) und Landrat Michael Geisler (CDU) in Bad Schandau.
Krisengespräch: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (li.) und Landrat Michael Geisler (CDU) in Bad Schandau. © Marko Förster

Unter den Menschen ist die Solidarität groß. Wie kann man helfen? Welche Spenden werden gebraucht?

Es gibt eine breite Unterstützung, für die ich sehr dankbar bin. Jedes Danke-Banner am Wegesrand tut gut. Das Feuerwehrgerätehaus in Bad Schandau sieht derzeit aus wie ein Supermarkt. Mit Essen und Getränken sind die Einsatzkräfte gut versorgt. Was wirklich hilft, sind Geldspenden.

Herr Geisler, Sie sind nicht nur Landrat, sondern auch Vorsitzender des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz. Stürzt der Waldbrand die Tourismusbranche nach Corona in die nächste Krise?

Der Katastrophenschutz hat im Moment in meiner Arbeit Priorität, erst an zweiter Stelle kommt der Tourismus. Es gibt den einen oder anderen, der das anders sieht. Mich erreichen zum Beispiel Beschwerden über das Waldbetretungsverbot und den Lärm durch die Löschhubschrauber. Von dem Feuer direkt betroffen ist nur der hintere Teil der Sächsischen Schweiz. Es gibt außerhalb dieses Bereichs und der Wälder etliche andere Freizeitmöglichkeiten. Das muss und wird durch den Tourismusverband an die Urlauber kommuniziert werden.

Die meisten Waldbrände in der Sächsischen Schweiz werden durch illegale Feuer entzündet, also von Wanderern und Boofern. Muss der Tourismus weiter eingedämmt werden, um den Wald zu schützen?

Der durchschnittliche Tourist macht keinen Ärger. Es ist nur ein Bruchteil der Tagesgäste, die unvernünftig sind. Die Mehrheit der Leute verhält sich ordentlich. Der Tourismus in der Sächsischen Schweiz war und ist auf einem richtigen Weg. Wir werden weiter auf Nachhaltigkeit und Regionalität setzen.

Der Einsatz im Waldbrandgebiet dauert nun bereits zehn Tage an. Wie lange wird es noch dauern, bis das Feuer bekämpft ist?

Wir werden am Mittwoch die Weichen für die nächsten Tage stellen. Fest steht: Es bleibt heiß. Das erschwert die Situation. Wir richten uns im Moment darauf ein, dass der Einsatz bis zum nächsten Wochenende dauert.

Das Gespräch wurde am Dienstagnachmittag, 2. August, geführt.