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Katholiken ziehen in evangelische Kirche

Das angestammte Gotteshaus in der Görlitzer Struvestraße wird bis Weihnachten renoviert. Der Ausweich hat sich schon bewährt.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Görlitz. Ab Montag ist alles ein bisschen anders. Die katholische Pfarrgemeinde Heiliger Wenzel feiert ihre Morgenmesse um acht Uhr nicht in der Pfarrkirche Heilig Kreuz – sondern in der evangelischen Dreifaltigkeitskirche. „Das ist unser Ausweichquartier bis Dezember“, sagt Pfarrer Norbert Joklitschke. Am Freitag hat er mit den Ministranten die Abläufe für den Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche geübt.

Die Heilig-Kreuz-Kirche wird ab heute renoviert.
Die Heilig-Kreuz-Kirche wird ab heute renoviert. © Christian Suhrbier

Der Grund für den Umzug auf Zeit: Die Heilig-Kreuz-Kirche in der Struvestraße wird renoviert. So stand die Wahl, ob die Gemeinde derweil in eines der anderen katholischen Gotteshäuser ausweichen will, oder lieber im Stadtzentrum bleibt. „Wir haben uns für Letzteres entschieden“, sagt Joklitschke. Ein Grund dafür ist, dass sich der Ausweich in die Dreifaltigkeitskirche schon bewährt hat. Als die 1850 bis 1853 erbaute Heilig-Kreuz-Kirche nämlich 1994/95 grundhaft saniert wurde, wich die Gemeinde schon in die Dreifaltigkeitskirche aus.

Diesmal ist es keine grundlegende Sanierung, sondern eher eine Renovierung, die aber auch rund 600000 Euro kosten wird. „Wir hatten Risse im Gewölbe“, sagt der Pfarrer. Diese seien über viele Jahre beobachtet worden. Ergebnis: Sie werden nicht mehr größer. Also können sie jetzt verschlossen werden, zudem sind Putz- und Malerarbeiten geplant, es soll eine neue Beleuchtung geben und manche Elektroanschlüsse werden nachgearbeitet. Das sind die Dinge, die nach mehr als 20 Jahren einfach mal nötig sind. Vor allem wird die Kirche dadurch heller, erklärt der Pfarrer.

Darauf freut sich nicht nur er, sondern auch Martina Fourier, die ganz engagiert im Kirchenvorstand mitwirkt. „Ich habe bisher nur die Bilder gesehen, aber auf diesen wirkt die Kirche viel schöner“, sagt sie. Aktuell seien die Wände eher grau: „Künftig werden sie weiß strahlen.“ Nach Auskunft von Joklitschke hat der Architekt historische Schichten aus mehreren Phasen gefunden und daraufhin seinen Gestaltungsvorschlag unterbreitet: Einen sehr hellen Kirchenraum und einen sehr farbigen Altarraum. „Das wird die historischen Gegebenheiten nachempfinden“, sagt er. Weihnachten möchte er gern in der renovierten Heilig-Kreuz-Kirche feiern.

Bis dahin als katholische Gemeinde in eine evangelische Kirche umzuziehen, sei kein großes Problem. In der eigenen Gemeinde habe es keine Vorbehalte gegeben und von der evangelischen Gemeinde seien die Katholiken ganz unkompliziert und freundlich aufgenommen worden. „Die evangelischen Brüder und Schwestern haben für uns Ministrantensitze und einen Sitz für den Priester aufgebaut“, sagt Joklitschke. Eine neue Weihung der Kirche ist nicht nötig, Weihrauch und Weihwasser bringen die Katholiken mit. Sie werden nicht die einzigen Nutzer sein: Ab 1. März steht die Dreifaltigkeitskirche wieder für Touristen offen, ab und an finden auch evangelische Gottesdienste statt, etwa zum Dreifaltigkeitstag oder zu Ostern. Da jeder seine eigenen Gottesdienstzeiten habe, funktioniere das sehr gut: „Wir haben eine sehr gute Ökumene in der Stadt.“ Auch Martina Fourier hat keine Bedenken: „Wir gehen einfach in eine andere Kirche, ich sehe darin kein Problem.“ Wichtig sei, dass bei der Renovierung der Kirche alles klappt. Über einen Umzug in eine andere katholische Kirche habe sie gar nicht nachgedacht, weil sie die Situation von 1994/95 kenne: „Wir sind sehr froh, dass wir jetzt wieder in die Dreifaltigkeitskirche dürfen.“

Pfarrer Hans-Wilhelm Pietz von der Evangelischen Innenstadtgemeinde betrachtet die Nutzung der Dreifaltigkeitskirche durch die Katholiken als „Zeichen einer wunderbaren Verbundenheit, die über Jahrzehnte gewachsen ist“. Es habe viele Gespräche, Beschlüsse und Verabredungen dazu gegeben, ein Umbau aber sei nicht nötig: „Die katholische Pfarrgemeinde wird bei uns einen guten Ort finden, sie kann die Sonntagsmesse im Hauptschiff feiern und die Werktagsgottesdienste im Chorraum.“ Einschränkungen für seine eigene Gemeinde sehe er nicht – wohl aber ein noch besseres Kennenlernen.