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Kaufe, kaufe Kuchen

Freitaler Kita-Kinder dürfen keinen Kuchen mehr von zu Hause mitbringen. Anderswo wurde die Regel gerade gestoppt.

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© dpa-tmn

Von Henry Berndt

Die Meldung schlug ein wie eine Kalorienbombe: Kuchenverbot in Freitaler Kitas! Ab sofort dürften Eltern, die ihren Nachwuchs in den städtischen Einrichtungen betreuen lassen, ihren Kleinen keinen Kalten Hund, keine Muffins und kein sonstiges selbst gebackenes Naschwerk mehr mitgeben. So knallhart wurde es zuletzt bei Elternabenden bekannt gegeben. Und das kurz vor der Plätzchenzeit.

Die Entscheidung fiel auf Wunsch der Kita-Leiterinnen, betont Stadtsprecherin Inge Nestler, die von der Aufregung um die neuen Kuchenregeln einigermaßen überrascht ist. „Wir wollen eben auf Nummer sicher gehen“, sagt sie und verweist auf das Infektionsschutzgesetz. Darin ist unter anderem zu lesen, dass nicht richtig durchgebackene Backwaren eine Quelle für gefährliche Keime sein können. Bislang waren in Freital deshalb bereits Sahne- und Cremetorten verboten.

Mit Kuchenkeimen infiziert wurde in Freital noch nie jemand. Seit Jahrzehnten werden hier wie anderswo Geburtstagsrunden ausgegeben und Kuchenbasare veranstaltet. In heimischen Küchen wurde dafür gebacken und genascht. Die Meisterwerke am nächsten Morgen im Kindergarten stolz den Freunden gezeigt. Das ist nun Geschichte. In den neun städtischen Freitaler Kitas und sieben Horten heißt es jetzt: Nur noch gekaufte Kuchen, ob vom Bäcker oder vom Discounter. Als Beweis muss der Kassenbon vorgelegt werden.

Selbst gebacken werden darf nur noch unter Aufsicht in den Mitmach-Küchen der Einrichtungen. Ebenfalls nicht mitgebracht werden darf aufgeschnittenes Obst – aus demselben Grund. Nur das, was ein Kind in der eigenen Brotbüchse mitbringt und ausschließlich selbst isst, braucht nicht angemeldet zu werden. Die Reaktionen der Eltern seien gespalten, sagt Stadtsprecherin Inge Nestler. Einige seien verärgert, viele würden Verständnis zeigen.

Leipziger Vorstoß zerkrümelt

In dieser Konsequenz scheint das Verbot sachsenweit derzeit einmalig zu sein. Bundesweit gibt es immerhin eine Handvoll Vorbilder, etwa in Essen und auf Rügen. Aus dem sächsischen Gesundheitsministerium heißt es vielsagend, die Kommunen als Träger der Einrichtungen könnten Regelungen wie diese durchaus eigenständig durchsetzen, auch wenn dies sicher „nicht zwingend zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit nötig“ sei.

Die Stadt Leipzig wagte gerade erst Anfang September einen ähnlichen Vorstoß. Die Dienstaufsicht verbot den kommunalen Leipziger Kitas ebenfalls die Ausgabe selbst hergestellter Speisen – auch hier auf Wunsch von Kita-Leiterinnen. Per Aushang wurden die Eltern informiert, doch lange hingen die Schreiben nicht.

Leipzigs Sozialbürgermeister Thomas Fabian kippte die Regel, bevor sie richtig in Kraft getreten war. „Es ist eine schöne Geste, wenn Eltern einen selbst gebackenen Kuchen mitbringen“, sagte er zur Begründung. „Ich gehe davon aus, dass sich das pädagogische Personal in den Kitas mit den Eltern darüber verständigt, wie und mit welchem Kuchen ein Kindergeburtstag gemeinsam gefeiert wird.“

Auch in Dresden gibt es kein grundsätzliches Kuchenverbot, wohl aber einzelne Einrichtungen, die auf Mitgebrachtes von sich aus verzichten. Die Stadt selbst ließ lediglich ein Merkblatt in den Kitas verteilen, das vor Speisen mit rohen Eiern, Rohmilch, Tatar und Hackfleisch warnt. Außerdem sollen Produkte aus dem Kühlschrank doch bitte auch in einer kühlenden Kühltasche transportiert werden.

Freiheit für den Kuchen, aber Hinweise an die Eltern – das sieht auch die Verbraucherzentrale Sachsen als idealen Kompromiss aus Vorsicht und Vertrauen. „Kita-Träger organisieren die Verpflegung und müssen auch das Hygienerecht einhalten“, sagt die Ernährungsexpertin Birgit Brendel. „Im Grundsatz sollten nach unserer Meinung Verbote das letzte Mittel der Wahl sein, wenn erhebliche Probleme bestehen.“

Angst vor Allergenen

Und was ist mit Allergien, etwa gegen Erdnüsse? Welche Mama will schon dem besten Kindergarten-Freund des eigenen Sprösslings dicke Pusteln im Gesicht bescheren? Ein recht neuer Punkt im europäischen Lebensmittelrecht weist darauf hin, dass auch bei unverpackten Lebensmitteln stets die Allergene angegeben werden müssen. Auch beim Nachtisch in der Kita.

Ein weiterer Grund also für Selbstbackverbote? Nein, denn ausdrücklich ausgenommen von dieser Kennzeichnungspflicht sind von den Eltern selbst gebackene Kuchen, da Mama und Papa damit kein Geld verdienen.