Von Sebastian Kositz
Bautzen. In kleinen Giftküchen im benachbarten Tschechien wird der Stoff angerührt, nur ein paar Kilometer weiter in der Oberlausitz konsumiert. Hunderte Menschen spritzen, rauchen oder schniefen tagtäglich die gefährliche Droge Crystal – mit drastischen Folgen für ihre Gesundheit. Schon vor vier Jahren hatte der Freistaat reagiert, ein Zehn-Punkte-Programm gegen Crystal auf den Weg gebracht. Der Erfolg, so sagen Kritiker, blieb überschaubar. In jedem Fall ist Crystal weiterhin ein Riesenproblem.
Bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) auf der Löbauer Straße in Bautzen kümmern sich die Mitarbeiter inzwischen seit Jahren um die Konsumenten der Teufelsdroge. Allein im vergangenen Jahr half die Suchtberatungsstelle 136 Betroffenen. Von einem anhaltenden hohem Niveau spricht die Leiterin der Beratungsstelle, Jana Stahn. Die Psychologin sieht nicht ansatzweise eine Verbesserung der Lage. Zwar ist die Anzahl der Klienten in der Einrichtung seit 2014 stetig rückläufig. Vor vier Jahren berieten die Mitarbeiter noch 180 Crystal-Konsumenten. Doch das liegt vor allem daran, dass inzwischen „die Beratungsverläufe länger und intensiver sind“, wie Jana Stahn erklärt.
Genaue Zahlen, wie viele Menschen im Landkreis Bautzen regelmäßig die gefährliche Droge konsumieren, gibt es nicht. Neben der Awo in Bautzen unterhält auch die Diakonie in Kamenz und Hoyerswerda weitere Beratungsstellen im Landkreis. In allen drei Einrichtungen zusammen waren 2016 etwas mehr als 331 Menschen beraten worden. „Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs“, erklärt Jana Stahn. Denn an die allermeisten Konsumenten kommen die Beratungsstellen gar nicht erst ran.
Nebenwirkungen sind katastrophal
Crystal ist vergleichsweise billig, macht euphorisch, steigert für Stunden die Leistungsfähigkeit. Vor allem junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren konsumierten die Droge, die nicht selten noch mit Batteriesäure oder Frostschutzmittel gestreckt wird. Die Nebenwirkungen sind katastrophal – nicht nur für die Gesundheit, sondern auch die Gesellschaft. Über Jahre hinweg waren die Kosten für die Jugendhilfe im Kreis Bautzen auch deshalb eklatant gestiegen, weil die Behörde immer mehr Kinder drogenabhängiger Eltern in Obhut nehmen mussten. Das betraf insbesondere viele Kleinstkinder, erklärt Sabine Rötschke, Sprecherin im Landratsamt. Auch laut Einschätzung der Kreisverwaltung ist die Tendenz in Sachen Crystal „gleichbleibend“.
Besser in der Tendenz klingen die Zahlen, die die Polizeidirektion in Görlitz präsentiert. Zwar hatten die Beamten in den Kreisen Bautzen und Görlitz 2017 fast 1 400 Drogenverstöße registriert. Ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 24 Prozent. „Daraus ist aber nicht zu schließen, dass mehr Drogen konsumiert werden, sondern nur, dass die Polizei intensiver kontrolliert“, erklärt Polizeisprecher Thomas Knaup. Vor allem aber sei der Anteil von Crystal bei den polizeilichen Kontrollen entlang der Grenzen rückläufig. „Seit 2012 ist er um ein Drittel gesunken“, sagt Thomas Knaup. Allerdings, so der Polizeisprecher, lasse sich daraus im Gegenzug auch nicht ableiten, dass tatsächlich weniger Crystal konsumiert wird.
Thomas Knaup weist zugleich Kritik zurück, die Polizeidirektion sei im Kampf gegen Crystal nicht gut genug aufgestellt. Der Landtagsabgeordnete Volkmar Zschocke (Grüne) hatte auf Grundlage sachsenweiter Zahlen entsprechende Vorwürfe geäußert. Im Freistaat waren 2016 durch die Polizei 3 700 Verstöße mit Crystal erfasst worden – mehr als 500 weniger als noch im Jahr zuvor. Das, so der Politiker, stehe im Widerspruch zu den Zahlen der Beratungsstellen. Volkmar Zschocke vermutet vielmehr ein Nachlassen der Kontrollen der Polizei.
Richtige Finanzierung?
Problematisch findet Volkmar Zschocke indes noch einen weiteren Aspekt, der die Arbeit der Beratungsstellen im Kreis betreffen könnte. Die Vergaberichtlinien für die Finanzierungen der Einrichtungen sind geändert worden. Das Geld wird künftig pauschal an die Kreise gezahlt, die dann entscheiden, wie es eingesetzt wird. Eine Handhabung, die bei den Verantwortlichen der Suchtberatungen für Skepsis sorgt.
Denkbar ist, dass sich die Kreise aus Kostengründen für billigere Anbieter mit weniger gut geschulten und erfahrenem Personal entscheiden, befürchtet Marina Schneider, Geschäftsführerin der Awo in Bautzen. Ohnehin sei die Finanzierung der Angebote schon jetzt zu knapp bemessen. Marina Schneider hofft deshalb auf Gespräche mit der Kreisverwaltung. Bei der Suchtberatung und -behandlung handelt es sich schließlich auch um eine wichtige Säule des Zehn-Punkte-Plans.