Dresden. Nur wenige junge Flüchtlinge haben in Sachsen bislang ein neues Zuhause in einer Pflegefamilie gefunden. Durch die Verteilung auf alle Bundesländer kamen zuletzt zwar deutlich mehr unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) nach Sachsen. Allerdings wurden bislang nur wenige in eine Pflegefamilie vermittelt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Städten und Landkreisen ergab. So leben etwa in Chemnitz vier Flüchtlingskinder in Pflegefamilien, im Kreis Bautzen sind es zwei, in den Kreisen Mittel- und Nordsachsen je eines.
Für viele der unbegleiteten Minderjährigen seien Pflegefamilien nicht das richtige, sagte Rayk Bergner vom Landkreis Nordsachsen. Denn die meisten Jugendlichen seien bereits 15 Jahre und älter, viele Pflegefamilien wünschten sich aber jüngere Pflegekinder. „Für uns sind Pflegefamilien keine Option“, erklärte Bergner. Stattdessen habe man Kapazitäten in Unterkünften der Jugendhilfe geschaffen und bemühe sich, mehr Personal für die Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge zu gewinnen. Eine Pflegefamilie habe man bislang nur für ein siebenjähriges Mädchen gefunden.
Familien, die sich für die Aufnahme eines Flüchtlings als Pflegekind interessieren, gibt es aber vielerorts. Die Stadt Dresden berichtet von knapp 30 Interessenbekundungen. Es würden täglich mehr. Derzeit fänden Beratungsgespräche mit den Familien statt. Auch viele Kreise haben Aufrufe im Internet oder ihren Amtsblättern gestartet, um Pflegefamilien zu finden. „Alle Landkreise müssen sich jetzt mit der Thematik befassen, aber das fängt gerade erst an“, sagte eine Sprecherin des Sächsischen Landkreistages.
In Leipzig haben sich bislang 50 Pflegefamilien gemeldet, sagte der Leiter des Jugendamtes der Stadt Nicolas Tsapos. Das sei eine gute Quote. Die Stadt fasse den Begriff Familie weit. Es könnten sich Ehepaare, eingeschriebene Partnerschaften oder auch Einzelpersonen melden. Bei der Auswahl seien vor allem Toleranz von der Sprache bis zum Essen, gesicherte finanzielle Verhältnisse und gewisse räumliche Voraussetzungen ausschlaggebend.
Seit Anfang November werden die in Deutschland ankommenden minderjährigen Flüchtlinge auf alle Bundesländer verteilt, Sachsen erwartet deshalb steigende Zahlen. Das Sozialministerium geht pro Woche von rund 160 neuen Fällen aus. Bis Mitte November waren bereits fast 1200 der jungen Flüchtlinge nach Sachsen gekommen.
Meist werden die Minderjährigen in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht und betreut, zum Beispiel in Wohngruppen. Der Landkreis Bautzen hat vor kurzem zwei Einrichtungen für 60 Kinder und Jugendliche gebaut. Noch im Dezember sollen weitere folgen.
Da fast alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten nach Deutschland kommen, seien die Anforderungen an eine Pflegefamilie hoch, hieß es etwa aus dem Erzgebirgskreis. Sie könnten aufgrund ihrer Erlebnisse traumatisiert sein und benötigten deshalb besondere Zuwendung und Geborgenheit. „Insofern kann die Aufnahme eines UMA für die Pflegefamilie sehr betreuungsintensiv sein“, berichtete Kreissprecherin Jutta Leonhardt. Pflegefamilien müssten durchaus „Lust auf Chaos“ haben, erklärte André Kaiser vom Landkreis Mittelsachsen. (dpa)