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Kehrt Friede ein im Lehrerzimmer?

Kultusminister Frank Haubitz rennt mit seinen Vorschlägen offene Türen ein. Trotzdem sind die Schulleiter skeptisch.

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© Dietmar Thomas

Von Catharina Karlshaus

Großenhain. Leon fand ihn immer cool. Dass sein Mathelehrer eine verständliche und gleichermaßen lockere Art hatte, den Zahlenstoff des Achtklässlers an die Schülerin oder den Schüler zu bringen, hat dem 13-Jährigen gefallen.

Eine Begeisterung für Frank Haubitz, die der Dresdner Gymnasiast allerdings seit ein paar Wochen teilen muss. Denn während Leon jetzt mangels Fachpersonal von einem pädagogischen Quereinsteiger unterrichtet wird, tut sein einstiger Lehrer das, was er wohl schon lange mal tun wollte. Der 59-Jährige legte gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Kultusminister den Finger in die Wunde und die Missstände auf den Tisch: Reduzierung von Bürokratie, Verbeamtung, finanzielle Anerkennung und Entlastung der älteren Kollegen.

Die Liste ist lang und die Probleme, mit denen sächsische Pädagogen offenbar zu kämpfen haben, vielfältig. „Ich werde viele bürokratische Missstände an den Schulen abschaffen, um die Lehrer zu entlasten. Wenn meine Lehrer zufrieden sind, sind die Schüler zufrieden und die Eltern auch“, bekannte Haubitz im SZ-Gespräch.

Immerhin mit Wohlwollen nahmen auch die hiesigen Schulleiter die Vorstöße ihres neuen Chefs auf. Er habe viele Dinge angesprochen, die den Kollegen schon lange auf der Seele liegen. Die Aufwertung der Klassenleitertätigkeit etwa lasse sich beispielsweise nicht in ein Gesetz pressen. Aber die Wertschätzung des Arbeitgebers für das Engagement des Einzelnen, so Birgit Büchner, müsse sich nicht unbedingt ausschließlich finanziell darstellen.

Wie die Leiterin der Ebersbacher Oberschule betont, sei die Vergütung aber natürlich ein Thema, was alle beschäftige. Momentan wäre ihre Schule zwar personell gut aufgestellt. Aber angesichts dessen, dass der Anteil der über 55-jährigen Lehrer hoch sei, spiele das Thema Nachwuchs eine nicht unwesentliche Rolle. Die mittleren Jahrgänge – geboren in den 1970ern und 1980ern – fehlten scheints gänzlich auf dem hiesigen Arbeitsmarkt, weil es ihnen wenig attraktiv erscheine, im Freistaat zu unterrichten. „Ob die Verbeamtung jedoch das Allheilmittel ist, bleibt abzuwarten. Schließlich ist damit ja auch verbunden, schneller versetzt oder abgeordnet werden zu können“, weiß Birgit Büchner.

Gedanken, die sich dieser Tage auch ihre Amtskollegin von der ersten Grundschule in Großenhain macht. Seit November, so Sylvia Ufert, sei man überhaupt erst richtig arbeitsfähig. Aufgrund von mangelndem Personal und Krankheitsausfällen wäre bisher nur mit einem Notplan gearbeitet worden, der selbstverständlich nicht alle Stunden habe abdecken können. Die Vorschläge von Frank Haubitz würden nicht zuletzt deshalb genau den Nerv der Kollegen treffen.

Alle Probleme seien richtig benannt und bedürften endlich einer Lösung. Denn die Schmerzgrenze sei längst überschritten und Lehrer fungierten mittlerweile als Sozialarbeiter, Sekretärin, Hausmeister und Verwaltungsassistent in einer Person. „Obgleich sich zurzeit natürlich die bange Frage im Hinterkopf meldet, ob all die Vorschläge wirklich durchsetzbar sind“, so Sylvia Ufert. Schließlich sei das Votum des Finanzministers ja entscheidend.

Fakt sei aber dennoch, dass es einerseits junger motivierter Lehrkräfte bedürfe und andererseits eine Wertschätzung für all jene, die als inzwischen über 50-Jährige die Probleme der Vergangenheit geschultert hätten. Der Friede im Lehrerzimmer könne indes nur durch gleichwertige Anerkennung gewahrt bleiben. „Es muss das Ziel vor Augen absehbar sein, sonst geht den Mitarbeitern die Puste aus und die Qualität der zu vermittelnden Bildungsinhalte leidet.“

Dass der neue Mann an der Spitze des Kultusministeriums schon immer am Schulwesen des Freistaates herumgekrittelt hat, ist bekannt. Auch Klaus Liebtrau, Leiter des Großenhainer Werner-von-Siemens-Gymnasiums, hat ihn zu den jeweiligen Beratungen getroffen und sich mit ihm ausgetauscht. „Die Situation an unseren Schulen ist so wie von ihm treffend beschrieben. Wir brauchen ganz dringend fachlich gut ausgebildete und leistungsbereite junge Kollegen“, sagt Klaus Liebtrau. Ob die einzige Chance, diese zu finden, in der Verbeamtung liege, müsse man überlegen. Einige derer, die in der Zielgruppe wären, würden sich ablehnend dazu äußern. „Entscheidend ist jedoch, dass der Berufsstand eine Aufwertung und eine Wertschätzung in jeglichem Sinne erfährt.“