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„Kein Millimeter Raum für diese Typen“

Nach den rassistischen Ausschreitungen vom Wochenende hat Vizekanzler Sigmar Gabriel beim Besuch der Heidenauer Flüchtlings-Notunterkunft ein hartes Vorgehen gegen die Täter gefordert. Auch Kanzlerin Merkel gab über Regierungssprecher Seibert ein Statement ab.

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© Robert Michael

Dresden. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat nach den rechtsradikalen Protesten vor der Flüchtlingsunterkunft in Heidenau ein entschlossenes Vorgehen von Politik und Gesellschaft angemahnt. „Man darf diesen Typen, die sich hier in den letzten Tagen ausgebreitet haben, keinen Millimeter Raum geben“, sagte der SPD-Chef am Montag bei seiner Ankunft. Gemeinsam mit Sachsens stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) hat sich Gabriel ein Bild von der Situation gemacht - als erstes Mitglied der Bundesregierung. Der SPD-Chef hat dafür die Route seiner Sommerreise geändert. Gabriel ist bis Dienstagabend in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen unterwegs.

Die Arbeit von Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) lobte Gabriel.
Die Arbeit von Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) lobte Gabriel. © dpa
Gabriel sprach auch mit Menschen aus Heidenau.
Gabriel sprach auch mit Menschen aus Heidenau. © Robert Michael

Gabriel verlangte eine harte Bestrafung jener Rechtsradikalen, die für die Krawalle vom Wochenende verantwortlich sind. „Bei uns zuhause würde man sagen, das ist Pack, was sich hier rumgetrieben hat“, sagte der SPD-Chef. Der Rechtsstaat müsse die Täter, die Polizisten angegriffen und Flüchtlinge bedroht hätten, rasch ermitteln: „Für die gibt’s nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis.“ Zugleich sei aber auch die ganze Gesellschaft gefragt, weil die Rechtsextremen sich für die Vertreter des „wahren Deutschlands“ hielten: „In Wahrheit sind es die undeutschesten Typen, die ich mir vorstellen kann“, meinte der Wirtschaftsminister. Bei der Unterbringung von Flüchtlingen kann der Bund nach Ansicht Gabriels den Ländern und Kommunen helfen, indem Liegenschaften im Besitz des Bundes schnell und unkompliziert geöffnet würden.

Gabriel lobt Heidenaus Bürgermeister

Vor einem Gespräch mit dem Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) lobte Gabriel diesen für die klaren Worte nach den gewalttätigen und fremdenfeindlichen Aktionen: „Ich finde, man muss Herrn Opitz den Rücken stärken. Er zeigt eine Menge Mut und Courage.“

Opitz, der Gabriel eingeladen hatte, betonte, die Besuche von Politikern seien für ihn kein „Tourismus“, sondern wichtige Hilfe im Kampf gegen die „Chaoten“: „Ein Bürgermeister steht am Ende der Fresskette, und ist auf jede Unterstützung von oben angewiesen.“ Heidenau sei anders, als es die jüngsten Bilder vermittelt hätten. Neonazis gebe es „in jedem Ort“.

Merkel verurteilt Gewalt aufs Schärfste

Nun hofft CDU-Kommunalpolitiker Opitz, dass auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bald in Heidenau vorbeikommt: „Ich hoffe, (...) spätestens übermorgen die Frau Merkel hier begrüßen zu können“, meinte Opitz.

Immerhin meldete sich Merkel am Montag zu Wort. Die Regierungschefin ließ ihren Sprecher Steffen Seibert erklären: „Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten. Und es ist beschämend, wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen.“ Es gebe keinerlei Rechtfertigung für Gewalt. Wer so handele wie in Heidenau, stelle sich weit außerhalb der Werteordnung. „Deutschland lässt nicht zu, dass Flüchtlinge, über deren schwierige Lebenssituation jeder durchaus einmal nachdenken sollte, von hasserfüllten Parolen empfangen werden oder von alkoholisierten Schreihälsen bedrohten werden“, sagte Seibert.

Die Zunahme an rechten Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte bereite der Regierung Sorgen, betonte Seibert. Von rechtem Terror wollte er aber nicht sprechen. „Ich hielte das für eine - was jetzt die Ereignisse in Heidenau betrifft - viel zu weitgehende Aussage auf das ganze Land hoch gerechnet“, entgegnete der Regierungssprecher auf eine entsprechende Frage. „Das ist nicht das Bild, das in ganz Deutschland herrscht, im Gegenteil.“

Verletzte bei Krawallen am Wochenende

Bei nächtlichen Krawallen von Rechtsextremisten und Rassisten waren seit Freitag in Heidenau über 30 Polizisten verletzt worden. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) verurteilte die Krawalle. „Hier sind Grenzen überschritten worden, die ich kaum noch in Worte fassen kann“, sagte er am Sonntagabend nach Gesprächen mit Vertretern von Polizei, Stadt und Heimbetreiber in Heidenau. Tillich versicherte das „Gewaltmonopol des Staates“ durchsetzen zu wollen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Sonntag am Rande einer Veranstaltung in Aachen: „Vor allen Dingen darf der Staat nicht nachgeben. Wenn entschieden worden ist, an eine bestimmte Stelle kommt eine Unterbringung für Asylbewerber und Flüchtlinge, dann darf das nicht wegdemonstriert werden. Und das ist - glaube ich - eine Lehre der letzten zwei Tage.“

Am Sonntagabend ist rund um die Asylunterkunft ein Kontrollbereich eingerichtet worden. Seither darf die Polizei anlasslos Menschen und passierende Autos kontrollieren. Zudem hat die Polizei ihre Präsenz erhöht und Wasserwerfer in Stellung gebracht. In der Nacht zum Montag zeigten diese Maßnahmen offenbar schon Wirkung. In direkter Umgebung der Asylunterkunft gab es keine Krawalle. Jedoch gingen ein Stück entfernt Linke und Rechtsradikale aufeinander los. Es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. (fsc/dpa)