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Kein Platz mehr an der Schule

Auch nach dem Stopp der Elternbescheide zur künftigen Schule ihrer Kinder bleibt die Angelegenheit ein Aufreger.

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© dpa

Von Carola Lauterbach

Auf dem Papier stehen 162 künftige Fünftklässler, die an den drei Zittauer Oberschulen lernen werden. Die Stadt wollte für sie sieben neue Klassen einrichten plus eine Klasse, in der junge Migranten sprachlich fit gemacht werden für die Regelschule. Alles war geplant und beschlossen. Dann wurden die Schulleiter in die Bautzener Regionalstelle der Sächsischen Bildungsagentur eingeladen und kamen mit einem Ergebnis zurück, das alle Planungen zunichtemachte. Es soll nur sechs Klassen geben. Alle Bescheide an Eltern wurden gestoppt.

Jörg Bär, Referatsleiter im Zittauer Rathaus, ist schon ein wenig außer sich. So etwas hat er noch nicht erlebt. „Wenn die Klassen derart gefüllt werden, bleibt keine Möglichkeit, Zuzügler aufzunehmen“, sagt er. „Auch werden alle bisherigen Bemühungen um Integration so zunichtegemacht, weil unter diesen Bedingungen keine individuelle Förderung möglich ist.“

Mail an den Ministerpräsidenten

Und was wird mit den Migranten? Die Stadt habe die Herausforderung angenommen, für die Kinder aus dem Asylbewerberheim eine Klasse „Deutsch für Ausländer“ einzurichten, um sie nicht dem langen Schulweg bis Löbau auszusetzen. „Wie soll es gehen, diese Schüler entsprechend ihrer sprachlichen Qualifikation in die Oberschule zu integrieren, wenn gar kein Platz im Klassenzimmer mehr frei ist“, fragt Bär. Das gleiche Problem treffe die Sitzenbleiber. „Nach den Vorgaben könnten sie nicht mehr in der eigenen Schule unterrichtet werden – und nach unseren Recherchen könnte sie auch keine andere Schule im Umkreis von 25 Kilometern aufnehmen.“

Stephan Meyer, CDU-Landtagsabgeordneter im Wahlkreis, wurde um Hilfe angerufen. Im Gespräch mit der SZ erklärt er, wenn sich das Problem so darstelle, müsse gehandelt werden. Zuzug, Integration und die spezielle Problematik der Asylbewerber seien wichtige Themen. Er habe dies umgehend per Mail der Kultusministerin mitgeteilt. „Ich weiß das bei ihr in sehr guten Händen“. Parallel dazu habe er aber auch dem Ministerpräsidenten geschrieben.

Unterdessen reißt die Kritik an der um eine Woche verschobenen Information an die Eltern der künftigen Fünftklässler nicht ab. Die Personalplanung des Kultusministeriums, vor allem aber das Spardiktat des Finanzministers, werden für das Schulchaos verantwortlich gemacht, wie es SPD-Vorsitzender Martin Dulig bezeichnet. Es fehle der politische Wille, die Situation zu verändern, obwohl das finanzierbar wäre. Bildung müsse wieder zur Chefsache werden.

Zu dünne Personaldecke

Für die betroffenen Schüler und deren Eltern sei es ein unhaltbarer Zustand, so lange im Unklaren gelassen zu werden, kritisiert Annekathrin Giegengack, Bildungspolitikerin der Grünen. Der erst Ende Mai von der Kultusministerin verkündete Plan zur Lehrereinstellung und Absicherung des Unterrichts sei zusammengebrochen. Selbst die verordnete straffe Klassenbildung könne das Problem nicht mehr lösen.

Auch der Koalitionspartner FDP kann die massive Verärgerung und Verunsicherung der betroffenen Eltern gut nachvollziehen, erklärt deren Schulpolitiker Norbert Bläsner. Er fordert: „Wenn mehr neue Lehrer nötig sind, müssen diese zumindest befristet zügig eingestellt werden.“

Die gestoppte Versendung der Bescheide sei eine Katastrophe und zeige, wie dünn die Personaldecke wirklich sei. „Unlands Spardiktat stürzt die Schulen in die Krise“ heißt es in einer Pressemitteilung des Landesschülerrates. „Wer glaubt, der Zukunft Sachsens mit 28 Kindern in einer Klasse zu helfen, soll nicht hinten herum die Senkung der Schulabbrecherquote versprechen“, sagt der Vorsitzende des Schülerrates, Patrick Tanzer. Sein Resümee: Um zu retten, was zu retten ist, brauche es einen starken politischen Willen.

Ob es den gibt, wird sich in den kommenden Tagen bis zum 12. Juni zeigen. Dem Vernehmen nach wird auf allen Ebenen, auch auf höchster, mit Hochdruck um ein Ergebnis gerungen.