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Keine Lust aufs Handwerk

Hände schmutzig machen? Junge Leute im Südkreis gehen lieber ins Büro. Entsprechend schwer finden Firmen Lehrlinge.

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© Matthias Weber

Von Frank-Uwe Michel

Oberlausitz. Die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe sind überwiegend voll, auch im Raum Löbau-Zittau. Inzwischen freuen sich Bauherren, wenn ihre Anliegen einigermaßen zeitnah bearbeitet werden. Doch die Wartezeiten könnten bald noch länger werden. Es mangelt an Nachwuchs, der geeignet und auch noch interessiert ist. Die SZ hat nachgefragt, ob und warum es die traditionellen Handwerksbranchen so schwer haben, Lehrlinge zu finden.

Jobcenter: Kenntnis über Berufsfelder bei jungen Leuten zu wenig ausgeprägt

Die Besetzung der Ausbildungsstellen im Kreis Görlitz gestaltet sich laut Felix Breitenstein, Leiter des Jobcenters, insgesamt schwierig. Aktuell haben nur 503 von 1 533 gemeldeten Bewerbern einen Lehrvertrag unterschrieben. Abzüglich der Jugendlichen, die sich weiter schulisch bilden oder direkt einen Job beginnen wollen, gibt es noch 894 Bewerber, die unter 1 109 freien Lehrstellen wählen können. Abgesehen vom Kfz-Mechatroniker auf Platz drei befindet sich keine einzige der sogenannten „unsauberen“ Handwerksbranchen in den Top Ten der beliebtesten Ausbildungsberufe im Kreis. Breitenstein führt das unter anderem auf geringe Kenntnisse der jungen Leute über die Berufsfelder zurück. Den Unternehmern helfen soll die vom Landkreis herausgegebene neue Broschüre „Wie bewerbe ich mich bei meinem Azubi“. Außerdem trage das persönliche Kennenlernen von Firmen zur Berufswahl bei. Betriebe sollten unterschiedliche Wege nutzen, sich bekannt zu machen: in Printmedien, sozialen Netzwerken, aber auch bei Azubi-Speed-Datings und auf der jedes Jahr stattfindenden Insider-Messe in Löbau.

Handwerkskammer: Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge steigt

Nach Angaben der auch für den Landkreis zuständigen Handwerkskammer Dresden ist die Kehrtwende in der Lehrlingsausbildung dagegen schon geschafft. Sprecher Daniel Bagehorn: „Seit fünf Jahren steigt die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge.“ Der positive Trend gelte insbesondere auch für die sogenannten „unsauberen“ Berufe, also für Tischler, Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Maler und Lackierer sowie Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Allein die Zahl der Tischlerlehrlinge sei im Landkreis Görlitz von 2015 bis 2017 von 18 auf 26 gestiegen, die der Maler habe sich von fünf auf zehn verdoppelt, bei den Anlagenmechanikern sei der Zuwachs von fünf auf 21 am größten gewesen. Dass sich immer weniger Jugendliche für diese Berufe interessierten, stimme einfach nicht, wenngleich es auch noch offene Lehrstellen gebe. Um sie zu besetzen, werde zum Beispiel in Schulen und auf Messen geworben. Auch die aktuelle Plakat-Kampagne unter dem Slogan „Wieder mal die Welt gerettet“ gehe in diese Richtung. Die Anforderungen an die Mitarbeiter in den Betrieben würden kontinuierlich steigen, was die Berufe an sich interessanter mache, so Bagehorn.

Kreishandwerkerschaft: Akzeptanz in der Gesellschaft muss besser werden

Weniger positiv stellt sich die Situation für Kreishandwerksmeister Knut Scheibe dar: „Das Handwerk hat in Gesellschaft und Politik zu wenig Lobby.“ Und er schimpft auf die in seinen Augen verfehlte Bildungspolitik: „Früher gingen vielleicht fünf Prozent der Schüler aufs Gymnasium. Das waren Spitzenleute. Wer heute nicht ans Gymi geht, gilt doch fast schon als asozial.“ Hier müsse dringend ein Umdenken einsetzen, nur die Elite solle wirklich den höchsten Bildungsweg gehen. Abgesehen von der Kfz-Branche hätten alle anderen Richtungen extreme Probleme. So würden zum Beispiel Klempner, Metallbauer oder Tischler viel zu wenige Lehrlinge finden. Aber auch hier werde, so Scheibe, inzwischen gutes Geld verdient. Vieles, besonders im Maschinenpark, laufe nur noch mit Hightech ab. „Dabei ist geistige Beweglichkeit gefragt.“ Die Betriebe selbst könnten für mehr Begeisterung unter den Jugendlichen natürlich auch einiges tun: „Praktika anbieten oder die Teilnahme beim Insider-Treff des Landkreises helfen schon viel.“

Handwerksbetriebe: Schulsystem bedarf dringend einer Veränderung

Jens Elsner sieht einen der Gründe für die schwierige Lehrlingssituation in der seiner Meinung nach verfehlten Schulpolitik. „Wer sich schon am Ende der vierten Klasse entscheiden muss, dem werden die Eltern immer sagen – auch wenn es nur gerade so möglich ist: Du gehst aufs Gymnasium. Wer das Abi dann aber nur mit vier schafft, der sollte sich nicht zum Studium berufen fühlen“, ist der Geschäftsführer der Schlaurother EBS Elektroinstallation und Blitzschutz-Service GmbH überzeugt. Und er regt einen Numerus clausus fürs Gymi an: „2,0 und gut. Wer das nicht schafft, kann nicht dorthin.“ Sicher, als Elektriker müsse man zum Teil schwere Arbeiten verrichten. Aber schon das Lehrlingsgeld von 750 Euro im ersten Jahr könne sich sehen lassen. Elsner fordert deshalb, die Berufsorientierung bei Jugendlichen zu verbessern. In Löbau-Zittau arbeiten Schulen immer öfter mit Unternehmen zusammen, pflegen Kooperationen. So gibt es an der Andert-Oberschule in Ebersbach den Tag der Unternehmen. Er fand dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Initiiert hat das der Elternrat. Firmen nehmen das gern an, sie präsentieren sich in der Schule – und nehmen sogar gleich Bewerbungsunterlagen entgegen. Unternehmer sehen aber auch die Unterstützung der Eltern bei der Berufswahl als wichtig an. Dachdeckermeister Bernd Hilse aus Ebersbach beispielsweise hat sich am Tag der Unternehmen beteiligt. Er will Schüler für den Dachdeckerberuf begeistern und vor Ort erläutern, was sich dahinter verbirgt, hat Werkzeug und Material mit in die Schule gebracht. Für ihn ist es wichtig, dass die Eltern dem Schüler bei der Entscheidung zum Beruf helfen.

Dass sie Schwierigkeiten haben, Bewerber zu finden, bestätigen verschiedene Betriebe gegenüber der SZ. Bei der Löbauer Dachdecker und Klempner GmbH bekommt Chef Ronny Seibt ebenfalls nur wenige Bewerbungen. Als er selbst Lehrling war, sei er einer von 30 Bewerbern gewesen. Um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, ist Seibt mit seinem Unternehmen auf Facebook präsent. Dort berichtet er von den Baustellen. Er hofft, auf diesem Weg junge Leute auf den Beruf aufmerksam zu machen. Ob es der Zeitgeist ist, die Erziehung oder andere Gründe – Siegmund Schulze, von der Bürgel & Schulze Haustechnik GmbH in Markersdorf kann sich nicht festlegen. Er fasst das Dilemma so zusammen: „Viel Freizeit, wenig harte Arbeit, aber viel Geld am Ende des Monats – alles zusammen gibt es im Handwerk eben nicht.“ Gleichzeitig, so berichten Firmenchefs, werde es immer komplizierter, Lehrlinge bei bestimmten Arbeiten einzusetzen. Die Löhne müssten erwirtschaftet werden, da gehe alles nach Zeit und Leistung. Es seien viele Faktoren, die die Nachwuchsgewinnung aktuell so schwierig machten.Auf ein Wort