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Keine Neuwahl der AfD-Spitze

Wie geht es weiter nach dem Sonderkonvent der AfD in Kassel? Der zerstrittene Bundesvorstand darf bleiben - allerdings nur auf Bewährung. Voraussetzung ist: Kein weiterer Zoff!

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© dpa

Von Anne-Beatrice Clasmann

Berlin. Ein Aufatmen geht durch die AfD. Zwar ist nicht viel herausgekommen bei diesem Sonderkonvent, den die Partei am Wochenende hinter geschlossenen Türen abgehalten hat. Aus Sicht vieler Parteimitglieder ist aber gerade das eine herausragende Leistung. Denn was wäre die Alternative gewesen? Die Einberufung eines Sonderparteitages, bei dem die Rechtspopulisten aller Wahrscheinlichkeit nach ihren Ruf als hoffnungslos zerstrittene Krawalltruppe gefestigt hätten. Stattdessen: Stille, Burgfrieden, Pragmatismus. Selbst die Wiedervereinigung der in zwei Teile zerfallenen AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag ist nach dem Treffen in Kassel in greifbare Nähe gerückt.

Und was ist mit den Parteivorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen, die sich zuletzt bis aufs Blut bekämpft hatten? Es seien klare Worte gefallen, sagt Emil Sänze, AfD-Fraktionsvize im Stuttgarter Landtag. Er gilt als Petry-Unterstützer.

Meuthen und Petry haben von ihren Parteifreunden in Kassel eine Botschaft mit auf den Weg bekommen: Entweder ihr arbeitet zusammen oder ihr werdet gemeinsam untergehen. „Die Delegierten haben sie quasi zwangsverheiratet“, sagt ein Parteimitglied, das den Führungsstreit schon länger aus nächster Nähe beobachtet.

Zurückhaltung ist keine Kerntugend von Frauke Petry. Umso bemerkenswerter ist die Vorsicht, mit der sie nun beim Sonderkonvent agiert hat. Wie Beobachter aus der nicht-öffentlichen Sitzung berichten, sprach sich einer ihrer engsten Vertrauten - der Geschäftsführer der sächsischen AfD-Fraktion, Uwe Wurlitzer - deutlich für die Einberufung eines Sonderparteitages aus. Ihr Lebensgefährte Marcus Pretzell habe nicht „expressis verbis“ dafür geworben, sagte ein Teilnehmer. Petry selbst habe sich zurückgehalten. Sie sei wohl zu der Einschätzung gelangt, dass es für diesen ursprünglich auch von ihr favorisierten Weg keine Mehrheit geben würde.

Das Votum fiel deutlich aus. In geheimer Wahl stimmten den Angaben zufolge 37 Delegierte gegen den Sonderparteitag. Elf Teilnehmer sprachen sich dafür aus. Schon kurz vor dem Konvent hatte sich Petry von dem Plan distanziert, ihre zahlreichen Gegner im Bundesvorstand auf einem außerordentlichen Parteitag abwählen zu lassen. Vor allem der durch die Fraktionsspaltung in Baden-Württemberg angeschlagene Meuthen sollte wohl abgesägt werden. Schon in einem Interview mit der „Bild“-Zeitung kurz vor dem Konvent beteuerte Petry: „Ich persönlich habe nie einen außerordentlichen Bundesparteitag zur Neuwahl des Vorstands gefordert.“

Vor allem die Wahlkämpfer in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin sind froh, dass es in Kassel jetzt nicht zum Äußersten gekommen ist. „Es war gut, dass der Konvent getagt hat - er ist seiner Verantwortung nachgekommen und hat sich ausführlich informiert, debattiert und klug entschieden“, sagt der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski. Und: „Jetzt können wir uns in Berlin ganz auf den Wahlkampf konzentrieren.“

Denn die AfD hat im Moment eigentlich nur zwei Probleme: Radikale in den eigenen Reihen, die Beziehungen ins rechtsextreme Milieu pflegen. Und die Personalquerelen im Parteivorstand. Die äußeren Umstände spielen der Partei dagegen in die Hände. Vor allem von der zunehmend kritischen Sicht der Bürger auf die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung profitiert die AfD, die schon lange gegen das „Asylchaos“ wettert. In Mecklenburg-Vorpommern, wo am 4. September ein neuer Landtag gewählt wird, hat sich die AfD ein kühnes Ziel gesteckt. Sie peilt den ersten Platz an. In den Umfragen liegt sie derzeit mit rund 19 Prozent auf Platz Drei. Auch in Berlin, wo zwei Wochen später Wahlen anstehen, kann sie mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen.

Nachdem der Streit um die Spitzenkandidatur im Bundestagswahlkampf die Partei in den letzten Monaten fast zerrissen hätte, gibt es im Vorstand jetzt neue Gedankenspiele. Dass entweder Petry oder Meuthen die Truppe anführen wird, gilt inzwischen als unwahrscheinlich. Möglicherweise wird der Vorstand ein Duo, ein Trio oder gar ein Quartett mit diesem Auftrag betrauen. Sollte kein Konsens für eine Team-Lösung zustande kommen, zieht die AfD eben ganz ohne Spitzenkandidaten in den Wahlkampf. (dpa)