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Keine Strafe für Casino-Einbruch

Ein 40-Jähriger soll im Februar 2016 in zwei Spielhallen eingebrochen sein. Am Dienstag startete und endete der Prozess vor dem Landgericht in Bautzen.

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© LN/Jens Kaczmarek

Bautzen. Ein Tattoo führt vom Hals des Angeklagten in Richtung Nacken und mündet dort in das Bild eines Steingebäudes. Ist es ein Traumschloss? Oder eher ein Kerker? Die Zeichnung ziert den Nacken von Mihai Octavian C. Am Dienstag musste sich der 40-Jährige vor dem Landgericht verantworten, weil er im Februar 2016 gemeinsam mit einem Mittäter in das Cash-Casino am Holzmarkt eingebrochen sein soll. Ein paar Tage später sollen die Männer in Löbau ein ähnliches Spiel getrieben haben: Auch hier brachen sie in das Cash-Casino ein. Sie erbeuteten Bargeld und zerstörten dabei einige Spielgeräte. Zusammengerechnet etwa 45 000 Euro Sachschaden sollen dabei entstanden sein. Gegen den zweiten mutmaßlichen Täter wird gesondert ermittelt.

Schon mehrfach wurde der Rumäne Mihai C. angeklagt und auch verurteilt, er sitzt derzeit eine Haftstrafe wegen Bandendiebstahls in Wolfenbüttel ab. Zuletzt wurde er vor dem Amtsgericht München verurteilt, das Gericht entschied sich für eine dreijährige Haftstrafe für den Mann. Auch in Saarbrücken wurde er wegen Bandendiebstahls verurteilt.

Dolmetscherin übersetzt

Am Dienstag sitzt der hagere Mann unter dem pompösen Kronleuchter im Landgerichtssaal in Bautzen. Er verschwindet fast gänzlich hinter seiner Dolmetscherin, die das Gesagte ins Rumänische übersetzt. Die Verteidigung erinnert, dass man dem Angeklagten nicht viel beweisen kann. Drei Sachverhalte sind klar: Es gibt Fingerabdrücke von Mihai C., es gab einen Einbruch, es gibt einen Schaden. „Mehr haben wir nicht“, sagt der Verteidiger. Nicht einmal die Frage, ob der Angeklagte mit im Casino war, lässt sich so zweifelsfrei beantworten.

Als der Angeklagte mit den Vorwürfen konfrontiert wird, blickt er nach unten. Seine Stimme klingt brüchig, ist kaum zu hören. Er habe mit seinem Freund den ganzen Nachmittag in dem Casino verbracht, etwa 700 Euro verspielt. Eigentlich wollte er nach Hause fahren. Sein Kind, das damals nur ein halbes Jahr alt war, sollte getauft werden.

Ja, er, der von Beruf Koch ist, habe an dem Nachmittag im Casino die Bewegungsmelder zugeklebt. So machte die Alarmanlage nicht auf die Einbrecher aufmerksam. Und ja, er habe das Geld angenommen, das sein Kumpel ihm nach der Einbruchs-Nacht gegeben habe: Etwa 700 Euro, die er beim Spielen verloren habe, und weitere 800 Euro für die Heimfahrt nach Rumänien habe er an sich genommen. Die beiden haben viel getrunken, gemeinsam Gras geraucht. Die Idee mit dem Klebeband sei in der verzweifelten Situation spontan gekommen. „Das war‘s“, lässt er übersetzen, „es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht.“

Der Vorsitzende Richter Theis wirft ein: „Es war nicht der erste Fehler“, und spielt auf die vielen Vorstrafen und die ausstehende Haftstrafe an. Und auch die Vorgehensweise mit dem Klebeband, der Einbruch in Casinos – das alles hören die Juristen nicht zum ersten Mal. Sie haben es bereits in den Akten: In Saarbrücken und in München liefen die Prozesse ähnlich ab.

Zeugen werden gehört. Einer kommt nicht, es ist kein unwichtiger: Der Inhaber der Casinos in Löbau und Bautzen hat nicht abgesagt, ist aber gerade im Urlaub. Andere Zeugen erinnern sich an den Februar 2016. Eine Casino-Mitarbeiterin erzählt von dem aufgehebelten Fenster und erinnert sich daran, die Alarmanlage scharf gestellt zu haben. Von den Männern, die im Casino umhergeschlichen sein müssen, um die Klebestreifen auf die Bewegungsmelder zu bringen, merkte sie nichts.

In Löbau zeigen Aufnahmen der Überwachungskamera, wie die Täter in dem Casino herumstromern. Die Nachtaufnahmen, so erinnert sich ein als Zeuge geladener Polizist, zeigte zwei Lichtpunkte – zwei Personen, die am Aufbruch der Automaten beteiligt sind. Wer sich dahinter verbirgt, lässt sich an diesem Tag nicht beweisen.

Bandendiebstahl nicht bewiesen

So bleibt am Ende der Vorwurf des Bandendiebstahls unbewiesen; dafür müssen sich mindestens drei Personen verabreden, eine Reihe von Einbrüchen zu begehen. Es bleibt der Vorwurf des einfachen Einbruchs. Nach etwas Hin und Her kommt das Gericht zu einem Entschluss: Ein Urteil gibt es nicht in diesem Fall. Das Verfahren wird eingestellt, die Staatskasse übernimmt die Verfahrenskosten. In Fällen, wie diesen, in denen noch ausstehende Haftstrafen bestehen, ist es üblich, die Einzelstrafen neu aufzurechnen. Die neue Strafe muss höher sein als die alte und darf nicht so hoch wie alle Einzelstrafen sein.

Das Gericht findet, dass der Einbruch, der im Schnitt mit einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft würde, nicht wesentlich ins Gewicht falle. Staatsanwalt Manfred Sauter zeigt sich empört. Er hätte eine Erhöhung der bislang dreijährigen Haftstrafe auf drei Jahre und sechs Monate für angemessen gehalten. Hätte es ein Urteil gegeben, auch wenn die Strafe nicht höher ausgefallen wäre, hätte der Angeklagte die Verfahrenskosten tragen müssen.

Für ihn ist das Tattoo an diesem Tag vielleicht eher das glücksbringende Traumschloss, auch wenn er nun wieder hinter Gitter muss. Die Einbrüche in Bautzen und Löbau bleiben für ihn unbestraft.