Merken

Keinen Bock auf Schule

Die Zahl der Schulschwänzer steigt. Die Gründe sind vielfältig. Für Eltern kann das teuer werden.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Andrea Schawe

Morgens lieber im Bett liegen bleiben, statt über Deutsch oder Mathe zu grübeln, nachmittags lieber im Freibad sein als im Biologieunterricht – immer mehr Kinder schwänzen die Schule. Im vergangenen Jahr gab es in Sachsen insgesamt 6 144 Ordnungswidrigkeitsverfahren, weil die Schulpflicht nicht erfüllt wurde. Das geht aus der Antwort von Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Petra Zais (Grüne) hervor.

Die Zahl der Schulverweigerer steigt. Im Schuljahr 2014/2015 zählte das Kultusministerium nur 4 868 Verfahren. Ähnlich viele waren es auch im Schuljahr davor. Nach Einschätzung des Kultusministeriums nahmen zwischen 1,2 und 1,5 Prozent der Schüler im Freistaat in den vergangenen fünf Jahren nicht regelmäßig am Unterricht teil. Im Schuljahr 2016/17 besuchen fast 400 000 Kinder und Jugendliche eine Schule in Sachsen.

Wer schwänzt, verstößt gegen die allgemeine Schulpflicht. Die gilt in Sachsen für alle Kinder, die bis zum 30. Juni eines Jahres das sechste Lebensjahr vollenden. Neun Jahre müssen sie dann den Unterricht der Primar- und Sekundarstufe besuchen. Wer nach der 9. Klasse die Schule verlässt, hat noch weitere drei Jahre Berufsschulpflicht. Nach dem sächsischen Schulgesetz ist es eine Ordnungswidrigkeit, nicht am Unterricht und an den übrigen als verbindlich erklärten schulischen Veranstaltungen teilzunehmen. Es drohen Bußgelder bis zu 1 250 Euro. Den Höchstsatz mussten nach Angaben des Kultusministeriums drei Berufsschüler 2014 im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zahlen. Ein Verfahren wird eingeleitet, wenn ein Schüler fünf und mehr Tage in einem Schulhalbjahr unentschuldigt fehlt. Die Zahl der tatsächlichen Schulverweigerer, die zumindest ein paar Tage oder stundenweise dem Unterricht fernbleiben, ist noch höher.

Im vergangenen Jahr wurden in fast 4 790 Fällen Bußgelder erhoben. Sie fließen in die Haushalte der Landkreise und kreisfreien Städte. Die Kommunen haben so rund 436 000 Euro eingenommen. Im Jahr davor waren es etwa 4 000 Euro weniger.

Die meisten Anzeigen wegen Schulschwänzens gab es in Leipzig. Dort wurden 2016 mehr als 2 160 Fälle gezählt – das sind 507 mehr als noch 2015 und viermal so viele wie im Landkreis Zwickau, der mit 516 Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Rang zwei liegt. Gegen manche Schüler gab es mehrere Anzeigen. In Dresden waren es im selben Zeitraum 435 Verfahren. Die wenigsten Schulschwänzer leben im Landkreis Sächsische Schweiz und im Erzgebirgskreis. In den ländlichen Regionen sind auch die Schülerzahlen geringer.

Besonders häufig wird an den Ober- und Berufsschulen geschwänzt. Mehr als 2 110 Verfahren wurden gegen Oberschüler geführt, fast 2 890 gegen Berufsschüler. In den Förderschulen wurden sachsenweit 775 Fälle gezählt. An anderen Schularten kommt längeres Schwänzen deutlich seltener vor. In Dresden etwa gab es 2016 nur zwei Anzeigen an Gymnasien und 10 Verfahren an Grundschulen. „Die hohen Fallzahlen in den berufsbildenden Schulen und in den Oberschulen verlangen, den Blick verstärkt auf die Situation von Schülern in diesen Schularten zu richten“, fordert Petra Zais, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag. „Die Gründe sollten jetzt intensiv analysiert werden. Es müssen Wege gefunden werden, wie die Fallzahlen verringert werden können.“

Leistungsdruck und Angst – etwa vor Mobbing, Überforderung oder Prüfungen – sind die Hauptursachen fürs Schwänzen. Auch fehlende Zukunftsperspektiven oder mangelnde Motivation könnten Gründe sein, so Leonard Kühlewind, der Sprecher des Landesschülerrats Sachsen. Manche Schüler haben Konzentrationsschwierigkeiten oder gesundheitliche Probleme. Nach Angaben des Landesschülerrats nehmen auch Fälle zu, in denen Eltern versuchen, ihre Kinder mit juristischen Mitteln von der Schule fernzuhalten. „Die Freilernen-Befürworter stellen sich gegen die in der Verfassung festgeschriebene Schulpflicht und möchten ihre Kinder lieber zu Hause unterrichten“, so Leonard Kühlewind.

Häufig haben die Schwänzer Schwierigkeiten in der Familie, etwa, wenn sich die Eltern getrennt haben oder mit der Erziehung überfordert sind. Deswegen werden in einem Verfahren oft Jugendhilfe und Jugendamt eingeschaltet. Als Erstes wird allerdings mit den Eltern und dem Schüler gesprochen.