Großenhain
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Keinen Platz für einen Traumatisierten

Das Schauspiel „Draußen vor der Tür“ hat die Schlacht um Stalingrad 1942/43 zum Inhalt. Doch eigentlich geht es um das Menschliche nach einem Krieg.

Von Kathrin Krüger
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Julia Vincze, Felix Lydike, Marcus Staiger und Grian Duesberg (v.l.) spielen in dem Stück der Landesbühnen Sachsen aus Radebeul.
Julia Vincze, Felix Lydike, Marcus Staiger und Grian Duesberg (v.l.) spielen in dem Stück der Landesbühnen Sachsen aus Radebeul. © Hans-Ludwig Böhme

Großenhain. Unteroffizier Beckmann irrt von Haus zu Haus. Nirgendwo will man ihn lange haben, nirgendwo findet er eine Bleibe. Wie Maria und Josef in Betlehem fühlt er sich ausgegrenzt. Ihm ist gar nicht bewusst, dass er noch immer die Brille auf der Nase hat, die er unter der Gasmaske trug – in der Schlacht von Stalingrad, bei der er das Glück hatte, zu überleben. Beckmann bleibt draußen.

„Draußen vor der Tür“ heißt das Schauspiel von Wolfgang Borchert, das die Landesbühnen Sachsen am 6. Oktober um 18 Uhr im Kulturschloss Großenhain zeigen. Autor Borchert hatte die Hölle von Stalingrad selbst miterlebt, mit 26 kehrte er verwundet nach Hamburg zurück und schrieb sich seine Erlebnisse von der Seele. Tragischerweise starb Wolfgang Borchert genau einen Tag vor der Uraufführung des Stücks. 

Seine Hauptfigur, der junge Unteroffizier, scheitert dabei nicht an Gewehren und Bomben, er scheitert an seinen Mitmenschen nach dem Krieg. Da ist seine Frau, die ihn nicht mehr will, weil schon ein anderer Mann seinen Platz eingenommen hat. Da ist sein Oberst, der innerlich mit dem Töten offenbar völlig abgeschlossen hat und beschwerdefrei leben kann – anders als Beckmann selbst. Doch seinen ehemaligen Untergebenen verhöhnt der lieber, statt ihm Hilfe zu leisten. Und da ist auch noch ein Kabarettdirektor, der den Traumatisierten aufmuntern will, ihm sogar helfen möchte, aber gar keine Ahnung von Beckmanns Seelenzustand hat.

Äußerlich sehr minimalistisch und deshalb umso eindringlich agieren die vier Schauspieler – teilweise in mehreren Rollen. Ergänzt wird ihr Spiel an einer schrägen Ebene, die die Elbe darstellt, nur durch einen Musiker am Xylofon. Er gestaltet die furchtbaren Kriegsgeräusche, die in Unteroffizier Beckmann nicht verstummen wollen. Er gestaltet auch die Geräusche der Ablehnung und des Desinteresses.

„Draußen vor der Tür“ ist freilich keine leichte Theaterkost. Doch es ist auch nicht nur trostlos und verzweifelt. Zumindest Nachdenklichkeit mischt sich ins Geschehen. Warum schüttet Gott – ja eben dieser – Wasser von einem Eimer in den nächsten? Warum wollen die Figuren von Moral und Verantwortung nicht wissen? Wie kann eine Gesellschaft so rasch zur Tagesordnung übergehen, nach dem, was gewesen ist? „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“, hatte Autor Wolfgang Borchert seinerzeit noch notiert. Viele seiner Zeitgenossen konnten sich allerdings mit Beckmanns Schicksal identifizieren – das Schauspiel wurde in Erfolg und Borchert postum bekannt.

Großenhainer und Meißner Gymnasiasten hatten sich „Draußen vor der Tür“ bereits im Frühjahr im Theater Meißen angeschaut, bevor sie eine Studienfahrt nach Wolgograd (Stalingrad) unternahmen. Für sie wurde die Thematik dadurch noch verständlicher und eindrücklicher.

Karten: Tel. 03522 505555