Sidney Sam hat möglicherweise ein Problem. Sollte sein Leverkusener Teamkollege Stefan Kießling am Saisonende wegen eines einzigen Treffers die Torjägerkanone verpassen, gerät der Offensivspieler von Bayer in Erklärungsnot. Denn am Sonnabend raubte der 25-Jährige seinem Mannschaftskameraden Kießling, der wenige Minuten zuvor beim 1. FC Nürnberg schon einmal per Handelfmeter getroffen hatte, ein mögliches weiteres Tor.
Sam nahm sich den Ball, als sich der gefoulte Kießling gerade in Richtung Elfmeterpunkt bewegte und selbst schießen wollte. Auch auf gutes Zureden des Stürmers reagierte der gebürtige Kieler nicht. Sam wollte unbedingt selbst anlaufen und setzte den Ball in der 81. Minute an den Pfosten. Statt 3:0 gewann Bayer nur 2:0 beim Club.
„Natürlich wollte ich selbst schießen. Aber das ist jetzt Nebensache. Ich bin Sportsmann. Er hat sich bei mir entschuldigt. Ich habe ja noch zwei Spiele“, sagte der Ex-Nürnberger Kießling, der mit jetzt 23 Treffern alleiniger Bayer-Torrekordler für eine Saison ist. Er ließ immerhin Ulf Kirsten hinter sich. Dynamo Dresdens Ex-Stürmer hatte für Bayer in der Spielzeit 1996/1997 und 1997/1998 jeweils 22-mal getroffen.
Leverkusens Trainer Sascha Lewandowski hängte den Elfmeter-Vorfall nicht an die große Glocke: „Er kann sich nicht einfach den Ball schnappen, aber es gibt im Moment wichtigere Themen.“ Und doch dürften sich der Trainer und Teamchef Sami Hyypiä den eigensinnigen Sam noch einmal zur Brust nehmen. Irgendwelche Argumente für seinen Ego-Trip hatte der Ex-Lauterer jedenfalls nicht.
Kießling wirkte nicht nachtragend über den Elfmeterklau und freute sich über den Vereinsrekord. „Dass ich das geschafft habe, macht mich verdammt stolz“, betonte der Ex-Nürnberger. „Alles andere ist Nebensache und Zubrot. In der nächsten Saison geht es sowieso wieder bei null los.“
Während Bundestrainer Joachim Löw Kießling seit 2010 hartnäckig ignoriert, wissen sie beim Werksklub, was sie an ihm haben. Ein Angebot des AC Florenz für den kantigen Angreifer lehnten die Bayer-Verantwortlichen umgehend ab. Vielmehr denken sie daran, den 2015 auslaufenden Vertrag mit dem 29-Jährigen vorzeitig zu verlängern.
Die Irritationen über den Elfmeterklau hielten sich bei Bayer auch in Grenzen, weil die Freude über den gesicherten Rang drei überwog. Rudi Völler geriet gleich doppelt ins Schwärmen. „Wenn man in so einer starken Liga, aus der zwei Mannschaften im Finale der Champions League stehen, Dritter wird, dann ist das ein Riesen-Erfolg“, sagte Leverkusens Sportchef angesichts der Rückkehr in die Fußball-Königsklasse.
Wenige Meter weiter begann bei Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser nach einem Jahr Europa League bereits das erleichterte Rechnen: „Champions League und Europa League – der Unterschied beträgt 15 Millionen Euro. Das ist ein Betrag, mit dem man schon mal etwas anfangen kann.“ Dagegen ist die Torjäger-Kanone nur eine schöne Zugabe. (sid mit dpa/SZ)