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Ich miete die Kleidung für mein Kind

Baby Lorenz aus Leipzig sieht schick aus, besitzt aber fast keine eigenen Sachen. Seine Mutter erklärt, wie das geht.

Von Susanne Plecher
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Geld gespart und Umwelt geschont: Marlene Schweiger mit Baby Lorenz beim Ausflug in Leipzig.
Geld gespart und Umwelt geschont: Marlene Schweiger mit Baby Lorenz beim Ausflug in Leipzig. © Anja Jungnickel

Fliederfarbener Body, Leo-Print auf der Hose, dazu ein graues Kapuzenjäckchen: Wenn Marlene Schweiger ihr Baby anzieht, passt alles zusammen. Lorenz strampelt mit den Beinen und schiebt sich eine Faust in den Mund. Die nächsten Zähnchen drücken. Als er geboren wurde, war ihm Größe 50 noch zu groß. Jetzt, sechs Monate später, trägt er schon die 74. „Er ist innerhalb von zwölf Wochen 15 Zentimeter gewachsen. Da macht es gar keinen Sinn, etwas Neues zu kaufen, wenn die Klamotten nur drei Wochen passen“, sagt die Mama. Deshalb kauft sie so gut wie keine Sachen für ihr Baby. Sie mietet sie.

Kinder wachsen schnell aus ihrer Kleidung heraus. Anders als Mode für Erwachsene halten ihre Anziehsachen im Schnitt drei bis fünf Monate. Dann sind die Ärmel zu kurz, gehen Jacken nicht mehr zu oder haben Hosen durchgewetzte Knie. Vor allem bei Babys sind die zu klein gewordenen Sachen aber meist noch lange nicht abgenutzt – und der Preis nicht „abgetragen“. Was tun damit?

Etliche Eltern heben die Kleidung für das nächste Kind auf, geben sie im Freundes- oder Familienkreis weiter. Manche verkaufen sie in Secondhand-Läden oder auf Plattformen wie Kleiderkreisel oder Ebay-Kleinanzeigen im Netz. Wer das schon einmal gemacht hat, weiß, wie viel Arbeit darin steckt: Sachen waschen, bügeln, Fotos hochladen, in Verkaufsportalen einstellen oder in den Laden bringen und nach Monaten das Geld oder unverkaufte Stücke abholen, um sie dann doch im Altkleidercontainer zu entsorgen.

„Viel zu aufwendig“, sagt Marlene Schweiger. Trotzdem ist ihr wichtig, dass die Kleidungstücke fair und bio produziert sind – und sinnvoll weiterverwendet werden, nachdem Lorenz herausgewachsen ist. Die Vermieter von Kinderbekleidung zielen genau auf Kunden wie die Leipzigerin ab: Auf junge Familien, die online einkaufen und nachhaltig leben möchten, ohne großen Aufwand dafür betreiben zu müssen. Secondhand macht Aufwand. Den übernehmen die Anbieter.

Zum Beispiel Anna Gerbel von Cottonbudbaby. „Das ist doch schade, wenn die teure Kleidung ungenutzt auf Dachböden und in Kellern lagert“, sagt sie. Die Firma hat sich auf das Verleihen von Erstlingsausstattungen spezialisiert, vermietet aber auch Kleidung bis Größe 92. Zehn Tage vor dem errechneten Geburtstermin hat Gerbel ein Paket mit 20 Anziehsachen an Marlene Schweiger geschickt. Darin waren Bodys, Strampler, Mützchen, Overalls, Jäckchen, Hosen, Shirts. Als sie Lorenz zu klein wurden, schrieb seine Mutter eine E-Mail und erhielt zwei Tage später eine neue Box mit 20 etwas größeren Babysachen. „Tolle Qualität, sauber, gebügelt, gut riechend“, wie sie sagt.

Ein Fleck ist kein Problem

So funktioniert das noch immer. Die zu kleinen Stücke schickt Schweiger zurück, egal, ob der erste Brei Flecken darauf hinterlassen hat, irgendwo ein Loch entstanden ist oder ein Mützchen fehlt. „Das ist kein Problem“, versichert Gerbel. Sie reinigt die Sachen intensiv, behebt kleinere Schäden und sortiert aus, was nicht mehr schön aussieht. Der Rest kommt mit neuen Stücken zurück in den Kleiderpool und wird wieder vermietet. Gerbel nennt das ein „Rundum-sorglos-Paket“. Die 59 Euro monatliche Mietgebühr, die es kostet, sieht sie gerechtfertigt in der Qualität der Kleidung. „Unsere Sachen sind alle fair, bio und nachhaltig produziert.“ Neu kostet mancher Body 40 Euro, die Overalls 80 Euro.

Cottonbudbaby ist 2014 in Berlin gegründet und 2017 an Relenda in Magdeburg verkauft worden, ein Sharing-Anbieter für Mode in Deutschland. Dieses Unternehmen betreibt mit Kilenda seit 2014 selbst ein Mietportal für Kinderbekleidung. Eltern können dort nicht nur Anziehsachen ausleihen, sondern auch Spielzeug und Umstandsmode. Selbst Ausstattung wie Tragetücher, Reisebettchen oder Schultertragen werden vermietet.

Vorausgewählte Komplettpakete gibt es hier nicht. Nutzer suchen sich im Internet ähnlich wie beim Online-Shopping aus, was sie haben möchten und zahlen dafür einen monatlichen Mietpreis. Sie behalten die Sachen, so lange sie passen oder gefallen, und senden sie danach ähnlich unkompliziert wie bei Cottonbudbaby zurück.

Für besondere Anlässe

Die Ersparnis ist mitunter beträchtlich. So beträgt die Miete für einen Mädchen-Outdoor-Parka von Finkid zum Beispiel 18,60 Euro pro Monat, wer die Jacke selbst kauft, bezahlt etwa 100 Euro. Für eine Jogginghose für Babys des Bio-Anbieters Sense Organics will Kilenda drei Euro monatliche Mietgebühr, im Neukauf im Laden kostet die Hose etwa 16 Euro.

Für ein Puky-Laufrad bezahlen Eltern elf Euro Monatsmiete, neu kostet das Rad um die 70 Euro. Sinnvoll ist das Ausleihen besonders bei Kleidungsstücken, die nur selten oder für wenige Wochen benötigt werden, zum Beispiel Festkleidung oder ein Skianzug für den Winterurlaub.

Doch es geht nicht nur ums Geldsparen. Wenn Sachen von mehreren Menschen genutzt werden, profitiert auch die Umwelt. Allein durch die Vermietung von Kinderkleidung habe Kilenda 2017 rund 327 Millionen Liter Wasser und 169 Tonnen CO2 gespart, heißt es in der Bewerbung um den GreenTec Award 2018. Die Firma hatte es damals unter die Top drei Finalisten geschafft und war auch für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Sie nutzt Kleidung nicht nur mehrfach, sondern verzichtet beim Waschen auch auf Weichspüler und Aufheller. „30 Prozent der Kleidung sind Fairtrade, Ökotex- oder GOTS-zertifiziert“, sagt Kilenda-Gründer Hendrik Scheuschner.

Kein Mindestbestellwert

„Wir sparen einfach mit jedem Kleidungsstück, das wiederverwendet wird, das Wasser, CO2 und Chemikalien, die bei einer Neuproduktion anfallen würden“, sagt Sarah Herms. Sie ist bei Tchibo verantwortlich für nachhaltige Geschäftsmodelle. 2018 ist das Unternehmen mit seiner Plattform Tchibo Share in den Mietmarkt für Baby- und Kinderkleidung eingestiegen. Betrieben wird auch dieses Angebot von Relenda. Bestellungen werden in Magdeburg abgewickelt. Besonderheit hier:

Die meisten Kleidungsstücke, die auf der Plattform Tchibo Share zur Miete angeboten werden, sind aus Bio-Baumwolle oder recycelten Materialien und Produkte der Eigenmarke TCM. Hochpreisige Markenware gibt es eher selten. Taugen die Bekleidungsstücke nicht mehr für den Verleih, werden sie als Secondhand-Artikel vermarktet oder der Organisation FairWertung gespendet und recycelt, schreibt das Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht. Einen Mindestbestellwert pro Monat erhebt Tchibo Share nicht. Gestartet ist das Verleih-Portal mit Babysachen und hat sein Sortiment seither stetig erweitert. Jetzt gibt es hauptsächlich Kleidung für Kindergarten- und Vorschulkinder, aber auch Spielzeug, Möbel, selbst Sportgeräte. „Aber die Nachfrage ist begrenzt, weil die Vermietung von Kinderbekleidung noch relativ unbekannt ist“, erklärt Herms.

Astrid Sönning kann inzwischen sehr gut davon leben. Die Künstlerin hat ihre Firma Räubersachen 2015 in Halle an der Saale gegründet – nach zwei Jahren mühsamer ökologischer Kleiderbeschaffung für ihren Sohn. „Ich wollte den Zugang zu gebrauchter, guter Kleidung leichter machen“, sagt sie. Inzwischen hat sie 30 Mitarbeiter. Allein acht arbeiten in der Reparaturabteilung und stopfen und verzieren kleine Löcher mit Stickereien.

„Wir arbeiten nach dem Prinzip: Nach kaputt kommt schöner“, sagt Sönning. An rund 17.000 Kunden hat die Firma seither ausschließlich Kleidung aus Naturmaterialien wie Wolle, Seide und Leinen verliehen. Dass Kinder darin herumtoben und sich auch einmal bekleckern können dürfen, ist gewollt. „Ich komme aus dem Osten. Meine Mutter sagte mir früher, wenn ich zum Spielen rausgehen sollte: Zieh' Räubersachen an!“, so Sönning. Daher der Name.

In vier Preisstufen wird der Zustand der Sachen berücksichtigt: Der Monatspreis für Neuware ist am höchsten, der für Räubersachen am niedrigsten. „Aber die sind am begehrtesten, weil es solche Schmuckstücke sind.“ Umweltschutz ist für die Hallenser eine Selbstverständlichkeit. Sie arbeiten mit Ökostrom, gebrauchten Kartons und Bio-Waschmittel.