Merken

Kinos im ländlichen Raum: Viel Herzblut, kaum Geld

Dafür, dass auch in ländlichen Teilen Sachsens Kinofans noch auf ihre Kosten kommen, sorgen vor allem Ehrenamtliche.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das Kulturkino in Zwenckau.
Das Kulturkino in Zwenckau. © dpa

Fast schon liebevoll öffnet Martin Richtsteiger die Klappe der TK35. Der in die Jahre gekommene Projektor für 35mm-Filme stammt noch aus DDR-Zeiten und ist voll funktionstüchtig. Im Clubkino Glauchau kommt er dennoch nicht zum Einsatz, denn auch in dem kleinen Programmkino ist die Filmrolle längst der Festplatte gewichen.

Trotzdem atmet der kleine Kinosaal mit 45 Plätzen auf ausrangiertem Theatergestühl und abgewetzten Sofas den Charme eines Kulturorts, an dem vieles improvisiert sein mag, der aber gerade dadurch besticht. Richtsteiger ist der Kopf eines engagierten Teams von etwa zehn Glauchauern, die jeden Dienstag und Freitag sowie an Samstagen mit einem Kinderfilm dafür sorgen, dass es in der Stadt mit rund 22 000 Einwohnern überhaupt noch ein Kino gibt. Das alles geschieht komplett im Ehrenamt, seit 14 Jahren.

Anfangs habe die Stadt damit vor allem junge Leute von der Straße holen und etwas gegen den um sich greifenden Rechtsextremismus tun wollen, berichtet der 48-Jährige. Um für die Vereinsgründung sieben Mitglieder zu finden, habe er einfach seine Kumpels zusammengetrommelt. "Filmfans waren wir damals alle noch nicht und wir haben bei Null angefangen: Null Ahnung, null Geld, null Gebäude", erinnert er sich lachend.

Martin Richtsteiger  im Clubkino Glauchau. 
Martin Richtsteiger  im Clubkino Glauchau.  © dpa

Heute ist das Clubkino in einer ehemaligen Disco als kulturelle Bereicherung für Glauchau nicht mehr wegzudenken. Neben Filmen gibt es Konzerte, Vorträge und Lesungen. Der Verein wird von Stadt und Kulturraum bezuschusst und finanziert sich vor allem über Eintrittsgelder - drei Euro für einen Filmabend. "Genau das ist es, was wir immer wollten: Jeder kann ins Kino gehen, muss dafür nicht weit fahren und nicht viel Geld ausgeben."

Das ist auch die Idee der Kulturinitiative Zwenkau. Von Leipzig bis in die südlich gelegene Kleinstadt mit rund 10 000 Einwohnern ist es eine halbe Autostunde. Allein in der Messestadt gibt es sechs Programmkinos. Doch außerhalb Leipzigs werde es kulturell dunkel, meint Vereinschef Steffen Wieser. Dabei brauche es gerade auf dem Land kulturelle Angebote, ist der technische Leiter des Theaters der Jungen Welt Leipzig überzeugt.

Weil sie nicht locker ließen, Fördermittel auftrieben und die Zwenkauer kräftig für ihr Kulturkino spendeten, ist das Kino mit 140 Sitzplätzen inzwischen saniert. In diesem Jahr organisierten die etwa 20 Aktiven 117 Veranstaltungen. Besucht werde das Kino nur etwa zu 40 Prozent von Zwenkauern. Das Einzugsgebiet erstrecke sich bis Borna oder Zeitz.

Auch das Kulturkino lebt in erster Linie von Eintrittsgeldern. "Es geht finanziell auf, es funktioniert - aber es funktioniert nur durch die ehrenamtliche Arbeit", betont Wieser. Die Kommune halte sich aus der Finanzierung heraus. Im kommenden Jahr habe man zumindest erstmals die Chance auf eine Förderung über den Kulturraum. "Dass Kino nach wie vor nicht als Kultur definiert und entsprechend strukturell gefördert wird, ist aus meiner Sicht ein Unding."

Das soll sich mit dem "Zukunftsprogramm Kino" ändern. Gemeinsam mit den Ländern will die Bundesregierung Kinos im ländlichen Raum stärker unterstützen. "Vorerst sind zwei Millionen Euro im Gespräch, die Details kennen wir noch nicht", meint Ola Staszel vom Kunstbauerkino in Großhennersdorf (Landkreis Görlitz).

Steffen Wieser
Steffen Wieser © dpa

Zum Vergleich: Allein der Bundesverband kommunale Filmarbeit hat deutschlandweit 110 Mitgliedskinos. In der AG Kino-Gilde, dem Verband der deutschen Arthouse-Kinos, sind derzeit mehr als 300 Häuser organisiert.

Die AG Kino-Gilde hält 30 Millionen Euro pro Jahr für realistisch und notwendig, um den Filmstandort Deutschland nach vorn zu bringen. Fabian Schauren, Geschäftsführer des Verbands der kommunalen Kinos, nennt keine konkrete Zahl, würde sich aber eine strukturelle Förderung nach inhaltlichen Kriterien wünschen. "Denn Kino ist wichtig für die Fläche."

Ob das Förderprogramm der große Wurf wird, bleibe abzuwarten, meint Ola Staszel. "Als kleines Landkino können wir uns da ganz hinten anstellen." In dem vor 25 Jahren gegründeten Kunstbauerkino finden jede Woche mindestens sechs Veranstaltungen statt. Vom Vorführer bis zum Thekendienst läuft alles im Ehrenamt, ergänzt Vereinsvorstand Antje Schadow. Sie selbst ist für das Jahresprogramm verantwortlich und steckt etwa zehn Stunden pro Woche in diese Arbeit. Hinzukommt im Dreiländereck noch das deutsch-polnisch-tschechische Neiße Filmfestival, bei dem seit 2004 jedes Jahr mehr als 120 Filme gezeigt und drei Wettbewerbe ausgelobt werden.

Viel Arbeit also: "Aber es spielt eben auch viel Herzblut und die Überzeugung eine Rolle, dass es gerade im ländlichen Raum einen Bedarf für anspruchsvolle Filme gibt", sagt Schadow. Ob der Saal mit 60 Plätzen voll besetzt sei oder nicht - die Rückmeldung der Besucher sei meist dieselbe: "Wir hören ganz oft: Wir brauchen euch hier." (dpa)