Von Tobias Winzer
Freital. Werden die Plätze in Kitas und bei Tagesmüttern weiter zentral vom Rathaus vergeben oder erledigt das künftig eine Online-Plattform? Über diese Frage streiten sich seit Monaten die Mehrheit des Stadtrates und die Rathausspitze. Nach der Stadtratssitzung in der vergangenen Woche steht nun fest: Das Hickhack um die Modalitäten der Platzvergabe geht weiter.
In Freital gibt es derzeit rund 1 800 Betreuungsplätze in städtischen Kitas und in Einrichtungen freier Träger. Dazu kommen rund 100 bis 150 bei 28 Tagesmüttern und einem Tagesvater. Die Plätze werden zentral im Rathaus anhand eines Punktesystems vergeben. Vor allem Tagesmütter, Tagesväter und die Betreiber privater Kitas fühlen sich von dem System benachteiligt. Sie werfen der Verwaltung vor, zuerst an ihre eigenen Einrichtungen zu denken. Das Rathaus weist dies stets von sich.
Eine Verbesserung ihrer Situation versprechen sich die Betreuer durch die Einführung eines neuen Vergabe-Systems. Die Mehrheit der Stadträte hatte im Juni für den Wechsel auf das Programm „Little Bird“ gestimmt. Dieser Entscheid war im Juli noch einmal bestätigt worden. Das System wurde in Heidenau von einer Mutter entwickelt, die für ihren kleinen Sohn keinen Betreuungsplatz fand und sich über mangelnde Transparenz bei der Kitaplatz-Vergabe ärgerte. Neustadt, Bischofswerda und Görlitz nutzen es mittlerweile ebenso wie 30 weitere Städte in ganz Deutschland.
Über ein Portal können sich Eltern über die vorhandenen Kitas, Konzepte und freie Plätze informieren. Erst mit der Anmeldung für eine durch die Stadt festlegbare Zahl an Wunschkitas erfolgt eine Registrierung. „Little Bird“ zeigt nur das an, was zum gewünschten Betreuungsbeginn in Freital tatsächlich verfügbar ist. Am anderen Ende werden den Kitas nur diejenigen Anfragen zugewiesen, die sie auch tatsächlich bedienen können. Betreuungsanfragen werden über vorinstallierte Standardschreiben online versendet und ebenso von den Kitas beantwortet.
Zentral oder dezentral
Dass das System nun erst einmal doch nicht in Freital eingesetzt wird, liegt an einem Veto des Landratsamtes. Dieses war nach dem Juni-Beschluss von der Stadt eingeschaltet worden. Es sollte prüfen, ob der Entscheid überhaupt rechtens war. Das Ergebnis liegt nun vor: Demnach handelt es sich bei der Kitaplatz-Vergabe um ein „Geschäft der laufenden Verwaltung“. Die Modalitäten dieser liegen also ausschließlich in den Händen der Rathausspitze um Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU). Der Stadtrat hat theoretisch also kein Mitspracherecht.
Zuletzt gab es außerdem Zweifel daran, ob das Vergabesystem wirklich für weniger als 25 000 Euro zu haben ist. Leistungen oberhalb dieser Grenze müssten öffentlich ausgeschrieben werden. Demnach könnte der Stadtrat nicht einfach entscheiden, dass der Anbieter „Little Bird“ den Zuschlag erhält. Das Landratsamt weist zudem in seiner Stellungnahme darauf hin, dass auch bei einer sogenannten freihändigen Vergabe immer mindestens drei Angebote von drei unterschiedlichen Bewerbern eingeholt werden sollten.
Trotzdem wurde in der Stadtratssitzung am vergangenen Donnerstag weiter über das Thema diskutiert. Rumberg hatte von sich aus angeboten, trotz des eindeutigen Vetos über eine Änderung der Kitaplatz-Vergabe mit den Stadträten reden zu wollen. „Ich habe angeboten, mit allen Betroffenen an einen Tisch zu kommen. Wir wollen die Entwicklung in keinster Weise verzögern“, so Rumberg.
Mit großer Mehrheit hob der Stadtrat letztlich die beiden Beschlüsse vom Juni und Juli auf und einigte sich stattdessen auf einen Vorschlag der Bürger für Freital. Demnach soll die Verwaltung nun eine „Softwarelösung zur Kitaplatz-Vergabe“ finden und schnell eine Übersicht über den Ist-Zustand vorlegen. Das System „Little Bird“ wird nicht mehr erwähnt. Streitpunkt in der Debatte war das Wort „dezentral“, nach der die Betreuungsplätze vergeben werden sollen.
„Wir brauchen ein Verfahren, das alle Kinder gleichberechtigt behandelt“, sagte Sozialbürgermeister Mirko Kretschmer-Schöppan (parteilos). „Dezentral bedeutet, dass die Eltern zur Kita gehen und der Leiter sagt ja oder nein. Das ist das Problem.“ Er befürchtet unter anderem, dass dann Elite-Kitas entstehen. „Es geht darum, Kinder nicht auszusondern“, sagt CDU-Fraktionsvize Martin Rülke. Chris Meyer, Fraktionschef der Bürger für Freital, hielt dagegen: „Die Online-Plattform hat genügend Komponenten, dass das eben nicht passiert. Die freien Träger treffen keine Sozialauswahl.“ Meyer ist Vorstandsvorsitzender des Vereins Lebensbaum, der in Freital zwei private Kitas betreibt. Das Wort „dezentral“ blieb stehen.
Nun suchen Stadtrat und Verwaltung weiter nach einer Lösung wie die Vergabe der Betreuungsplätze transparenter geregelt werden. Das kann Monate dauern. Das Programm „Little Bird“ ist jetzt nur noch eine von vielen Möglichkeiten.