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Kleingartenverein in der Bredouille

Einem Laubenpieper in Bobersen wird gekündigt, weil er die Pacht nicht bezahlt. Der Fall landet vor Gericht – und bringt den Verein nun in finanzielle Nöte.

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© Lutz Weidler

Von Antje Steglich

Bobersen. Die Ruhe in Bobersen ist himmlisch, schwärmt Ingrid Ermer. Vor acht Jahren haben sie und ihr Mann eine der 300 Quadratmeter großen Parzellen in der Kleingartenanlage Elbfrieden übernommen, genießen den Austausch mit den Gartennachbarn und sind damit irgendwie auch Teil des Dorfes geworden. Mittlerweile ist die 71-Jährige Vereinschefin und damit für die 138 Gärten in der Anlage entlang der Lindenallee zuständig. 18 Prozent Leerstand machen dem Verein zwar zu schaffen, sagt die Riesaerin.

In der Laube haben sich Waschbären eingenistet.
In der Laube haben sich Waschbären eingenistet.

An den Rande des Ruins bringe die Gemeinschaft derzeit aber eine einzige Gartenpächterin. – Vor neun Jahren übernahm diese eine Parzelle inklusive Laube – und ließ sie vergammeln. Es gab Dutzende Beschwerden der Nachbarn. Gespräche. Abmahnungen. Und schließlich – nachdem auch die Jahresrechnung für den Garten nicht mehr beglichen wurde – sprach der Verein die fristlose Kündigung aus.

Dagegen legte die Pächterin allerdings Widerspruch ein, und der Fall landete 2017 vor dem Amtsgericht Riesa. Das verurteilte die Pächterin zwar, die Kleingartenparzelle geräumt und unkrautfrei herauszugeben. Den vom Verein geforderten Abriss der Laube muss die Riesaerin allerdings nicht vornehmen und auch nur einen geringen Teil der Kosten für das Verfahren tragen. Eine Berufung am Landgericht wurde nicht zugelassen. Für Ingrid Ermer eine „unglaubliche Entscheidung“.

„Wir sind die Geschädigten und müssen die Kosten tragen“, beschwert sich die Rentnerin. Mehr als 1 000 Euro Anwaltskosten musste sie bereits aus den Rücklagen des Vereins zahlen. „Wenn jetzt irgendetwas am Spartenheim ist, können wir nicht reagieren.“ Amtsgerichtsdirektor Herbert Zapf erklärt die Kostenentscheidung jedoch mit der Zivilprozessordnung. Da unter anderem der Abriss der Laube gefordert wurde, lag der Streitwert bei mehreren Tausend Euro. Die beklagte Pächterin sei aber nur dazu verurteilt wurden, den Garten zu räumen. Wertmäßig sei damit ein Großteil der Klage abgewiesen wurden – und dementsprechend müsse der Kleingartenverein 90 Prozent der Prozesskosten tragen.

Die Entscheidung des Gerichts kann Ingrid Ermer dennoch nicht nachvollziehen. „Was ich dem Gericht vorwerfe, ist, dass alles am grünen Tisch entschieden wurde. Wie es hier aussieht, kann man doch keinem zumuten“, so die ehrenamtliche Vereinschefin. Fotos und Gutachten seien ignoriert wurden. Denn nicht nur, dass die Laube total marode ist. Auch sei die prinzipiell Eigentum des Gartenpächters.

Und der müsse bei der Aufgabe des Gartens selbst für einen Nachfolger sorgen oder die Laube auf eigene Kosten abreißen. So steht es im Pachtvertrag. Muss sich nun der Verein um den Abriss und die Wiederherstellung des Gartens kümmern, der mit seinen meterhohen Bäumen und Sträuchern aktuell mehr einem Dschungel gleicht, würde das laut Gutachten zusätzlich etwa 5 000 Euro kosten. Und so viel Geld habe der Verein einfach nicht.

„Das ist so schizophren. Ich habe Pächter, die sind über 80 Jahre alt und haben ihren Garten immer gepflegt. Wenn sie nicht mehr können und keinen Nachpächter finden, muss ich verlangen, dass sie den Garten schwarz übergeben, also die Laube binnen zwei Jahren auf eigene Kosten abreißen“, so Ingrid Ermer. Denn ansonsten müsse der Verein für bebaute Gärten weiterhin Verbandsbeitrag und Grundsteuer zahlen. „Und hier entscheidet das Gericht, dass sich die Pächter einfach aus dem Staub machen können. Das ist ungerecht.“

Zumal bisher weder eine Beräumung des Gartens noch eine Übergabe stattgefunden haben. Der Verein könnte das Urteil zwar vollstrecken lassen, müsste aber in Vorkasse gehen und wieder die Rücklage angreifen. Wie es in der Anlage Elbfrieden weitergeht, ist deshalb noch völlig offen. „Ich weiß es wirklich nicht“, sagt Ingrid Ermer, „aber die Laube gehört mir nicht – und ich weigere mich, den Garten in diesem Zustand zu übernehmen.“