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Kletterer zieht es in die Hilgerstraße

Früher gehörte das Gebäude zum Waggonbau in Görlitz, jetzt will es der Alpenverein umbauen. Weil das aber noch dauert, muss vorher eine Übergangslösung her.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Ingo Kramer

Görlitz. Der Name steht schon mal fest. „Kommklettern“ soll es heißen, das künftige Domizil der Görlitzer Klettersportler. Es steht in der Hilgerstraße, war mal ein Bürogebäude mit Speisesaal im Parterre und Wohnungen unter dem Dach – und es gehört dem städtischen Großvermieter Kommwohnen. Der neue Name Kommklettern soll diese Verbindung andeuten. Ursprünglich sollte ein Teil des soziokulturellen Zentrums „Werk 1“ hier sein Domizil finden. Doch da es sich zwischenzeitlich auf die alte Furnierhalle konzentriert, ist das Gebäude frei für die Kletterer.

Sara Grünert und Enno Deege, die neue Doppelspitze beim Alpenverein, freuen sich darauf. Fotos: Pawel Sosnowski
Sara Grünert und Enno Deege, die neue Doppelspitze beim Alpenverein, freuen sich darauf. Fotos: Pawel Sosnowski © Pawel Sosnowski/80studio.net

Sara Grünert und Enno Deege haben schon konkrete Vorstellungen vom künftigen Domizil. Die beiden sind die neue Doppelspitze beim Görlitzer Alpenverein – und sie wollen das Gebäude in zwei Phasen herrichten. Zunächst soll straßenseitig ein sogenanntes Bouldercafé entstehen. Bouldern bedeutet Klettern auf Absprunghöhe, also nicht ganz so hoch, sondern eher auf gleicher Höhe nach rechts oder links. Die Boulderwand soll neun mal acht Meter messen. Dafür muss in dem Gebäude eine Geschossdecke entfernt werden. Im zweiten Schritt sollen hofseitig zwei Geschossdecken herausgerissen werden, sodass eine richtige Kletterwand über drei Etagen entsteht. Sie wird 13 mal elf Meter messen. „Elf Meter sind die Wettkampfhöhe. Die brauchen wir, denn wir wollen Wettkämpfe nach Görlitz holen“, sagt Enno Deege.

Vor Kurzem hatte der 45-Jährige einen Termin mit Kommwohnen, Statiker, Oberer und Unterer Denkmalschutzbehörde. „Dort haben wir für unsere Pläne grünes Licht bekommen“, sagt er. Jetzt müssen die Kletterer anhand der Forderungen von Statiker und Denkmalschutz einen kompletten Entwurf liefern: „Aber grundsätzlich sind sich alle einig, dass es machbar ist.“

Auch über die Finanzierung muss er sich Gedanken machen. Die reine Kletteranlage mit Unterkonstruktion, Platten, Griffen und Sicherung soll 175000 Euro kosten. Rechnet man Toiletten, Heizung und Medienanschlüsse dazu, sind es 250 000 Euro. „Das Gebäude ist zum Glück in einem Top-Zustand, nur eine Stelle am Dach muss repariert werden“, sagt Enno Deege. Um die Kosten zu stemmen, will er einen Fördermittelantrag bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) stellen für ein deutsch-polnisches Projekt. Die Stadt Zgorzelec wäre der Lead-Partner. Das heißt, sie würde die leitende Projektsteuerung übernehmen. „Dafür habe ich schon die Zustimmung von Bürgermeister Rafal Gronicz“, sagt Enno Deege. Es wäre nicht die erste Zusammenarbeit mit Polen. Auch der Kletterturm nahe der Zgorzelecer Schwimmhalle ist als gemeinsames Projekt entstanden. Während er zum Klettern unter freiem Himmel dient, ist Kommklettern als überdachte Alternative geplant.

Eine solche gibt es in Görlitz gar nicht mehr, seit die frühere Kletterwand im Tivoli im Mai 2016 abgebrannt ist. Bis die Hilgerstraße fertig ist, wird aber noch Zeit ins Land gehen. Zwei bis drei Jahre sind realistisch. Bis dahin plant der Alpenverein eine Übergangslösung. Es geht ebenfalls um ein Gebäude in der Innenstadt, hier fehlt aber noch das letzte grüne Licht. „Wenn wir das haben, geht es sofort los“, sagt Sara Grünert. Geld für die Übergangslösung steht aus den Versicherungszahlungen vom Tivoli bereit, zudem rechnen die Kletterer mit einer großen Materialspende. „Wir bekommen das Holz für die Unterkonstruktion umsonst“, sagt die 28-Jährige.

70 Quadratmeter Kletterfläche sollen hier entstehen. Das ist nicht viel, reicht aber, um zumindest wieder Hochschulsport anbieten zu können. Zudem braucht es einen Anlaufpunkt, um überhaupt wieder präsent zu sein. Aktuell haben Enno Deege und Sara Grünert etwa 40 aktive Kletterer in ihrem Netzwerk. „Es gibt aber auch viele Kletterer, die nirgendwo organisiert sind“, weiß Enno Deege. Außerdem liegt Klettern im Trend. Wenn erst einmal ein Angebot in Görlitz da wäre, könnte die Szene ganz rasant wachsen: „Das war auch in Zittau so.“ Wie regelmäßig die Übergangshalle und das endgültige Domizil offen haben werden, ist auch davon abhängig. „Wir werden nicht jeden Tag öffnen können, denn wir machen das alles im Ehrenamt“, sagt Sara Grünert. Konkrete Trainingszeiten sollen stattdessen in Abstimmung mit den Nutzern festgelegt werden.