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Kretschmer: Gegen Klimakrise braucht es den Geist von 1990

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer diskutiert mit Wissenschaftlern über den Klimawandel. Wie lässt sich die Bevölkerung für eine Energiewende begeistern?

Von Thilo Alexe
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Sebastian Seiffert (l), Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nehmen im Hörsaalzentrum der TU Dresden an einer Podiumsdiskussion der Psychologists For Future Dresden teil.
Sebastian Seiffert (l), Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nehmen im Hörsaalzentrum der TU Dresden an einer Podiumsdiskussion der Psychologists For Future Dresden teil. © Kahnert/dpa

Dresden. Sachsen erlebt Wetterextreme. Im Sommer brannte der Wald zunächst an der Grenze zu Brandenburg, dann in der trockenen Sächsischen Schweiz. Wochenlang regnete es kaum. Die Frage nach dem Klimawandel, sie stellt sich immer konkreter. Regierungschef Michael Kretschmer, das macht er bei einer Podiumsdiskussion deutlich, will mehr Klimaschutz. Aber wie? "Wir müssen das so machen, dass wir die Menschen in diesem Land mitnehmen."

Der CDU-Politiker ist am Montag Podiumsgast an der TU Dresden. Geladen haben die Psychologists for Future, Psychologen, Therapeuten aber auch Naturwissenschaftler, die ihren Fokus auf den Umgang mit der Klimakrise richten. Der Hörsaal ist gut gefüllt.

Kretschmer erzählt in seinem Eingangsstatement, wie er kurz nach dem Amtsantritt 2017 durch Sachsen tourte, wo die AfD gerade stärkste Kraft bei der Bundestagswahl geworden war. Sein Eindruck: "In diesem Land ist so eine Unzufriedenheit, das Gefühl abgehängt zu sein." Am stärksten ausgeprägt sei das in ländlichen Regionen gewesen. Auch das Thema erneuerbare Energien habe da eine Rolle gespielt.

Kretschmer zum Klimaschutz: Keine Angst machen

Kretschmer erinnert sich: Viele hätten Probleme mit Windanlagen gehabt. Sein Ansporn: "Es muss doch eine Möglichkeit geben, diese Leute zu Verbündeten zu machen." Kretschmer erzählt davon, wie Gemeinden mittlerweile von der Stromerzeugung finanziell profitieren können.

Er verteidigt die Abstandsregel von einem Kilometer für Windkraftanlagen zu Siedlungen. Und er will mehr. "Wind über Wald", heißt der Slogan. Anlagen sollen in Wäldern stehen, die vom Borkenkäfer geschädigt sind, auch auf ehemaligen Braunkohlegebieten. Damit könne Sachsen seine Klimaziele erreichen.

Podcast „Thema in Sachsen“ zur Energiekrise: Die Lage und wie es weiter geht

Kretschmer will, wenn man so will, positiv kommunizieren, will darauf verzichten, Menschen Angst zu machen. Er sieht den Preis für Kohlendioxid als wichtiges Mittel zur Emissionsbegrenzung, bringt aber auch Verzicht auf Inlandsflüge ins Gespräch. Er selber, antwortet er im Lauf der Diskussion, fliege innerhalb Deutschlands kaum mehr. Allerdings müsse Planungsrecht vereinfacht werden, um ICE-Strecken rascher auszubauen. Auch bei der Windkraft befürwortet er schlankere Verfahren mit weniger Beteiligung.

Problem: Emissionen aus dem Ausland

Kretschmer wagt einen Vergleich. "Mich erinnert das an 1990. Alles war total desolat. Aber keiner hat den Kopf in den Sand gesteckt." Klimakrise als Aufbruchschance?

Wissenschaftler teilen die Sicht. Der nach Dresden gereiste Mainzer Professor für physikalische Chemie, Sebastian Seiffert, sieht in der Transformation "Riesenchancen, Risse in der Gesellschaft zu heilen". Sie könne ein gemeinsames Ziel sein. Seiffert sagt aber auch: Es gehe nicht um Reduktion klimaschädlicher Stoffe, es gehe um Vermeidung.

Und er kontert das oft genutzte Argument, deutsche Anstrengungen brächten nichts, solange China Braunkohlekraftwerke eröffne. Das Bundesverfassungsgericht habe glasklar geurteilt, dass ausländische Emissionen Deutschland nicht vom Klimaschutz entbinden.

Warnung vor "Überforderung" der Gesellschaft

Der Tübinger Hydrogeologe Georg Teutsch hebt ebenfalls Chancen hervor. "Wir haben das Know-How in Deutschland", sagt er mit Blick auf technische Innovationen. Allerdings müssten die Menschen das Gefühl haben, auch etwas vom Klimaschutz zu haben. Teutsch formuliert es salopp: „Ich muss das Gefühl haben, nicht der Depp zu sein.“

Die Mitbegründerin der Psychologists for Future, die Psychotherapeutin Lea Dohm, drängt darauf, auch jenen die Vorteile der Energiewende zu verdeutlichen, die anders als Kraftwerksbeschäftigte nicht unmittelbar davon betroffen sind. Pflegende, Erziehende – ihnen müsse vermittelt werden, warum sich die Transformation lohnt.

Wie der umfassende Wandel aussehen wird – darauf hat erwartungsgemäß niemand in der Runde die Antwort. Kretschmer setzt auf Innovationen und warnt vor "Überforderung" der Gesellschaft. Jüngere Menschen gingen bei strikten Maßnahmen mit, ein anderer Teil jedoch sage dann: "Ich bin hier raus."