Leben und Stil
Merken

Wie nachhaltig kann Winterurlaub sein? Ein Blick nach Österreich

Der Weißensee in Kärnten beweist, dass Skipisten im Winterurlaub nicht alles sein müssen. Die größte Natureislauffläche Europas und autofreie Urlaubstage machen die Region zum Geheimtipp – und zum Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit.

Von Henry Berndt
 7 Min.
Teilen
Folgen
Gefrorenes Zielwasser: Eisstockschießen hat in Kärnten eine lange Tradition. Alles, was man dafür braucht, sind ein paar Stöcke und ein Holzklötzchen.
Gefrorenes Zielwasser: Eisstockschießen hat in Kärnten eine lange Tradition. Alles, was man dafür braucht, sind ein paar Stöcke und ein Holzklötzchen. © Kärnten Werbung

E s knackt und rumpelt, manchmal singt es sogar. Da kann dem Urlauber im ersten Moment schon ein bisschen mulmig werden. Eine alte Weisheit besagt jedoch: Solange das Eis Geräusche macht, ist alles gut. Denn das bedeutet, dass es wächst. Erst wenn es still wird, ist Vorsicht geboten. Dann richten sich am Weißensee am Fuße der Gailtaler Alpen ganz im Süden Österreichs wieder mal alle Augen auf den „Eismagier“. Das Urteil von Norbert Jank ist hier seit drei Jahrzehnten Gesetz.

Wenn der 76-Jährige sagt, dass der See betreten werden darf, dann darf er betreten werden. Und nur dann. In diesem Winter knackt es reichlich, sodass Jank selbst gefahrlos auch mit schwerem Gerät über den See fahren und das Eis vorbereiten kann. Gerade legt er Schneeketten an seinen roten Testwagen. Gefühlt sind Jank und seine beiden Söhne Tag und Nacht auf dem Eis unterwegs. Sie kratzen, prüfen, messen und schneiden Fugen mit chirurgischer Präzision.

In diesen Tagen steht am Weißensee der Höhepunkt des Jahres an, wenn rund 5.000 Holländer hier die sogenannte alternative Elf-Städte-Tour zelebrieren. Eisschnelllauf ist in den Niederlanden Nationalsport. Die originale „Elfstedentocht“ über Flüsse und Seen in der Heimat kann jedoch nur selten stattfinden, da die Gewässer kaum noch zufrieren. Als die Holländer Ende der 1980er-Jahre darauf aufmerksam wurden, dass die Eislaufszenen im James-Bond-Film „Ein Hauch des Todes“ am Weißensee in Kärnten gedreht wurden, verlegten sie ihre Tour kurzerhand nach Österreich.

Der 6,5 Quadratkilometer große Weißensee in 930 Metern Höhe friert ab Mitte Dezember zuverlässig zu.
Der 6,5 Quadratkilometer große Weißensee in 930 Metern Höhe friert ab Mitte Dezember zuverlässig zu. © Kärnten Werbung

Da der See auf 930 Metern Höhe liegt, friert zumindest der deutlich flachere Teil im Westen ab Mitte Dezember zuverlässig zu. Inzwischen hat sich aus der alternativen Elf-Städte-Tour das weltgrößte Eisschnelllauf-Spektakel entwickelt. Es bringt den 750-Einwohner-Ort mit seinen rund 4.400 Gästebetten für zwei Wochen an seine Kapazitätsgrenze. Die längste Renndistanz geht über 200 Kilometer. Der Weltrekord liegt bei fünf Stunden und elf Minuten.

"Wir kennen das gar nicht anders"

Man muss allerdings kein Profisportler sein, um hier auf seine Kosten zu kommen. Der Weißensee ist ein Geheimtipp für Winterurlauber, die nicht nur jeden Tag von früh bis spät die Skipisten hinunterbrettern wollen, sondern denen der Sinn eher nach Abwechslung und einem echten Naturerlebnis steht. Erst kürzlich wurde das Gebiet, zu dem auch Nassfeld-Pressegger See und Lesachtal gehören, zur nachhaltigsten Region Österreichs gekürt. Dahinter verbirgt sich weit mehr als ein Marketingschachzug. Am Weißensee wurde die Basis dafür bereits 1975 gelegt, als sich die Gemeinde nach langen Diskussionen dagegen entschied, eine Schnellstraße direkt am See entlang zu bauen.

„Wir sind da auf keinen neuen Trend aufgesprungen“, sagt Thomas Michor, Leiter der Tourismusinformation Weißensee. „Nachhaltigkeit wurde bei uns schon gelebt, da war das Wort noch gar nicht erfunden. Wir kennen das gar nicht anders.“ Bereits seit 1967 gilt ein Fahrverbot für private Motorboote, seit 1969 verhindert eine Ringkanalisation die Einleitung von Abwässern. Unabhängig davon verwende seit den 1980er-Jahren kein Bauer in der Region mehr Pestizide für seinen Anbau. Heute gilt der 6,5 Quadratkilometer große Weißensee als der sauberste Badesee Österreichs, was einige Hartgesottene sogar im Winter nutzen.

Einmal im Jahr treffen sich am Weißensee Tausende Holländer zu einem einzigartigen Eislauf-Event.
Einmal im Jahr treffen sich am Weißensee Tausende Holländer zu einem einzigartigen Eislauf-Event. © Kärnten Werbung

Eine weitere Besonderheit: Im Unterschied zu bekannteren Gewässern wie dem hundert Kilometer entfernten Wörthersee ist das Ufer des Weißensees bis heute in weiten Teilen unverbaut. Mit seinem türkisblauen Wasser und den von Kalkablagerungen weißen Ufern, die ihm seinen Namen gaben, wird er nicht ganz zu Unrecht auch als „Karibik der Alpen“ bezeichnet, wobei er irgendwie auch an einen norwegischen Fjord erinnert. 1995 erhielt die Region den Europäischen Preis für Tourismus und Umwelt und wurde zum Naturpark erklärt.

„Da drüben sind Rehspuren“, sagt Ranger Robert Pulvermacher, während er mit gelben Schneeschuhen unter den Sohlen durch den Tiefschnee stapft. Seine Touren sollen im Sommer genauso wie im Winter nicht nur Bewegung und tolle Aussichten bieten, sondern auch Wissen über die Natur vermitteln. Er zeigt auf eine Felswand auf der anderen Seite des Ufers. Bislang seien im Naturpark 27 Fledermausarten nachgewiesen worden, sagt er, und an dieser Stelle versuchten er und seine Mitstreiter gerade, eine 28. ausfindig zu machen. Sobald er weiterläuft, ist das sanfte Knirschen des Schnees das einzige Geräusch, das zu hören ist. Es geht vorbei an „Onkel Tom’s Hütte“, einem alten Imkerhäuschen aus Holz. Selbst hier ist an der Rückseite ein Solarpanel angebracht.

Naturpark-Ranger Robert Pulvermacher nimmt Gäste mit zur Schneeschuhwanderung am Fuße der Gailtaler Alpen.
Naturpark-Ranger Robert Pulvermacher nimmt Gäste mit zur Schneeschuhwanderung am Fuße der Gailtaler Alpen. © Henry Berndt

Wer als Gast nach Weißensee kommt, dem wird die Anreise ohne Auto bereits durch einen kostenfreien Shuttleservice vom Bahnhof Greifensee zum Hotel schmackhaft gemacht. Mit der Gästekarte kann zudem der halbstündlich verkehrende Naturparkbus genutzt werden. Zudem sind die Bergbahn und sogar Schifffahrten auf dem See inklusive. Für Alpin-Freaks, die den Nervenkitzel steiler und langer Abfahrten suchen, mag das kleine Skigebiet Weißensee mit seinen sieben Pistenkilometern und sechs Liften nur bedingt reizvoll sein.

Für Familien mit Kindern, die vielleicht zum ersten Mal auf Skiern stehen, ist es dagegen geradezu ideal, zumal der Tagesskipass mit knapp über 40 Euro für einen Erwachsenen im Vergleich zu anderen Skigebieten noch erschwinglich ist. Ziemlich einzigartig ist in jedem Fall die Vielfalt der Aktivitäten, die am Weißensee im Winter ausprobiert werden können. 15 Sportarten werden hier angeboten, und dabei zählt Unterwasser-Eishockey, für das hier 2007 tatsächlich eine Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, noch nicht mal dazu. Neben Skifahren in allen Varianten, Schneeschuhwandern und Eislaufen gibt es am Weißensee auch eine vier Kilometer lange Naturrodelbahn von der Naggler Alm ins Tal, die abends sogar beleuchtet wird.

Stammtisch auf dem Eis

Traditionell gehört außerdem das Eisstockschießen nach Weißenseer Art zu den beliebtesten Beschäftigungen bei Einheimischen und Gästen. Seit Generationen wird der Sport, bei dem kegelartige Stöcke durch geschicktes Schieben möglichst nah an einem Zielpunkt platziert werden, mit großem Eifer betrieben. Der Sport ist eng mit dem Curling verwandt, braucht allerdings weitaus weniger Ausrüstung. Ein paar Stöcke und ein Holzklötzchen reichen aus. Auf dem Weißensee gibt es noch nicht mal Spielfeldbegrenzungen. Zum Teil werden die hölzernen Stöcke an die Kinder und Enkel weitervererbt.

Christian Lilg ist einer der Experten im Eisstockschießen. Mit viel Gefühl lässt er seinen Stock über das Eis rutschen, dreht ihn noch leicht an, sodass er nach etwa 20 Metern nur wenige Zentimeter von der sogenannten Daube entfernt zum Stehen kommt. Da kann der Nächste aus dem gegnerischen Team nur volles Rohr draufhalten, um die Niederlage noch zu verhindern. Allerdings geht es hier am Ende gar nicht um Sieg oder Niederlage. Christian Lilg hat noch nicht mal ein Maßband dabei. „Wir wollen hier miteinander eine gute Zeit verbringen“, sagt er. Ein Stammtisch auf dem Eis sozusagen. Urlauber dürfen gern mitmachen.

Gut zu wissen

  • Anreise: Entspannt mit dem Zug über Salzburg und Spittal an der Drau bis Greifenburg. Mit dem Auto über München, die Tauernautobahn und den Knoten Spittal, mit dem Flugzeug bis Klagenfurt (+ 1,5 Stunden Autofahrt).
  • Unterkunft: Insgesamt gibt es vor Ort rund 200 Beherbergungsbetriebe mit etwa 4.000 Gästebetten. Appartements für vier Personen gibt es am See ab 140 Euro pro Nacht. Ein See-Chalet auf zwei Etagen im Vier-Sterne-Hotel Regitnig kostet pro Nacht 500 Euro (incl. Frühstück).
  • Die Recherche wurde unterstützt von Kärnten Werbung.