Von Marleen Hollenbach
Bautzen. Vielleicht lag es an seiner majestätischen Ausstrahlung, vielleicht an seiner Figur oder aber daran, dass er damals nicht sofort „Nein“ geschrien hat. Damals, vor 13 Jahren, als Frank-Michael Heuseler einwilligte, zur Eröffnung des Bautzener Weihnachtsmarktes den König Wenzel IV. zu spielen. Wer hätte ihm 2004 auch schon sagen können, dass er diese Rolle nicht mehr loswird, dass Bautzens Volk Jahr für Jahr auf seine Ansprache wartet.
Am Montagabend hat der 62-Jährige noch einmal geprobt. Die herrscherliche Attitüde, der Gang eines Königs, seine Aussprache – das alles kann er mittlerweile im Schlaf abrufen. Beim letzten Training ging es darum, die aktuelle Geschichte noch einmal durchzusprechen. Dazu muss man wissen: König Wenzel tritt niemals allein auf. Er bringt sein Gefolge mit.
Programm ist geheim
Darsteller Frank-Michael Heuseler gehört zum Budissiner Marktgesinde. Die Bautzener Spielgemeinschaft denkt sich jedes Jahr ein kleines Programm für den Weihnachtsmarkt aus. Monatelang bereiten sie sich darauf vor. Einmal ging es darum, wie das Salz in die Stadt kam, dann war das Bierbrauen ein Thema ihrer Darstellung. Und diesmal? Frank-Michael Heuseler zögert kurz. Verraten darf er eigentlich noch nichts. Nur einen Tipp gibt König Wenzel: Die Geschichte hat etwas mit einem Uhrzeiger zu tun.
Das Geheimnis wird am Freitag gelüftet, wenn der Weihnachtsmarkt erstmals in diesem Jahr öffnet. Auf dem Hauptmarkt beginnt die Spielgruppe ab 16.30 Uhr mit ihrem Programm. Dann hat auch König Wenzel seinen großen Auftritt. Und eines steht schon fest: Er wird zu Fuß zu seinem Volk schreiten. Das war nicht immer so.
Nicht ganz sattelfest
Als Frank-Michael Heuseler vor 13 Jahren über seine Rolle als König nachdachte, war ihm klar, dass er auf den Markt einreiten möchte. So richtig, mit einem echten Pferd, mit Sattel, Trense und allem drum und dran. Doch da gab es ein Problem. Zwar hatte Heuseler keine Angst vor den großen Tieren. Doch als sattelfest konnte man ihn auch nicht gerade bezeichnen.
Der Bautzener hatte die Idee mit dem Pferd schon fast wieder verworfen. Da kam er mit den Pferdeexperten vom Reiterhof Bleul in Kronförstchen ins Gespräch. „Ich habe ein paar Reitstunden genommen, so fing es an“, sagt er. Tatsächlich wurde sein Traum vom reitenden König wahr. Später kam er auch mit der Kutsche zum Hauptmarkt gefahren. Doch inzwischen traut sich der Bautzener das nicht mehr. Daran sind nicht die Pferde Schuld. Der Darsteller hat oft erlebt, wie wenig Rücksicht die Besucher auf die Tiere nehmen. „Und ich möchte nicht irgendwann plötzlich die Reichenstraße entlanggaloppieren“, sagt er.
Auch ohne schreckhafte Pferde ist es für Heuseler eine Herausforderung, den König zu mimen. Einen Herrscher aus dem Spätmittelalter, der nicht ganz unumstritten ist. In der Vergangenheit ist Wenzel oft als fauler, trinkfreudiger und herrschsüchtiger Tyrann dargestellt worden. Doch das Bild hat sich gewandelt. Heute wird er als ein König gesehen, der sich stärker als seine Nachfolger für die Oberlausitz engagierte. Als Prinz soll er sogar eine Zeit lang auf der Ortenburg gelebt haben. Unter seinem Schutz blühte die Stadt Bautzen immer mehr auf. Darauf stützt sich Frank-Michael Heuseler bei seiner Interpretation. „Ich spiele ihn freundlich, wie jemanden, der froh ist, sein Volk wiederzusehen“, sagt er.
Eine Runde muss sein
Und was macht ein König, wenn er mit der Ansprache fertig ist? Statt die Krone gleich abzustreifen, ist Heuseler in den letzten Jahren mit voller Montur und mit Gefolge eine Runde über den Weihnachtsmarkt gegangen. „Damit die Verkäufer in ihren Buden auch etwas vom Programm sehen“, erklärt er. Dann ändert er den Tonfall in seiner Stimme und fügt als König Wenzel hinzu: „Ich muss ja prüfen, dass auch genügend Münzen in den Beuteln landen.“
Nur die Händler in ihren Geschäften kann der König nicht alle besuchen. Heuseler hatte vorgeschlagen, seinen Auftritt in die Abendstunden zu verlegen, damit auch die Landenbesitzer zusehen können. Aber das geht nicht, weil dann die Besucher zu lange auf die offizielle Eröffnung des Marktes und das Anzünden der Lichter am Weihnachtsbaum warten müssten.
Hat der König seine Runde über den Markt gedreht, verwandelt er sich wieder in Frank-Michael Heuseler, der im wahren Leben für ein Labor in Ostsachsen arbeitet und zum Beispiel Messungen in Tagebaugebieten unternimmt. Und wenn er schon mal auf dem Weihnachtsmarkt ist, trinkt er gleich noch einen Glühwein mit.