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Königin für alle Winzer

Lisa Leinemann aus Meißen spielte seit Jahren mit dem Gedanken, sich als Weinhoheit zu bewerben. Sie wollte einen lange gehegten Traum dafür nicht aufgeben.

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© Norbert Millauer

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Als ihr Handyalarm gleich Anfang des Jahres losgeht, da drückt Lisa Leinmann ihn erst einmal weg. „Bewerbung als Weinhoheit“ steht auf dem Display. Im vergangenen Jahr hatte sie die Frist ganz knapp verpasst. Zu spät hatte sie nämlich festgestellt, dass man gar nicht aus einer Winzerfamilie kommen muss, um Hoheit zu werden – wie sie immer geglaubt hatte. In diesem Jahr sollte ihr das nicht wieder passieren.

Trotzdem zögert die Meißnerin kurz – und bittet dann doch erst einmal um ein Gespräch mit Sandy Prüger, Projektkoordinatorin beim Weinbauverband und selbst Ex-Königin. Geht das überhaupt, Vollzeit arbeiten und Hoheit sein? Hat man Mitspracherecht, was die Termine angeht? Und dann ist ja noch diese Reise nach New York Anfang Oktober, ein Lebenstraum von Lisa Leinemann ...

Sandy Prüger muss in diesem Gespräch nur die richtigen Worte gefunden haben, denn ein gutes halbes Jahr später, an einem Mittwoch Ende Oktober, sitzt Lisa Leinemann mit goldener Krone auf dem Kopf und glänzendem Weinlaub-Collier um den Hals im Pressenhaus der Hoflößnitz in Radebeul und strahlt mit dem Schmuck um die Wette. „Nach dem Gespräch habe ich mich gleich beworben“, erzählt die 27-Jährige. „Eigentlich nur mit der Absicht, eine Hoheit zu werden. Aber dann gleich Königin – das ist natürlich super.“

Sie kommt direkt von ihrer Arbeit bei einem Automobilzulieferer in Roßwein, denn ja, das geht durchaus, Vollzeit arbeiten und das „schönste Ehrenamt Sachsens“ bekleiden. Ihre Termine als Weinkönigin legt sie entweder auf den Morgen oder späteren Nachmittag, nutzt Überstunden und Urlaubstage. „Das klappt bisher ganz gut, trotz 40-Stunden-Woche.“ Mit rund 150 Terminen im Jahr rechnet sie momentan, manchmal hat sie auch drei an einem Tag. Ihre Vorgängerin Maria Lehmann war sogar auf über 220 gekommen. Vielleicht war Lisa Leinemann vor der Wahl auch deshalb so aufgeregt, dass sie heute sagt: „Ich habe mich selbst nicht wiedererkannt.“

Eine Portion Ehrgeiz

Mit Büchern und der Hilfe des Internets liest sie sich monatelang das nötige Fachwissen zum Wein an. Ihr Freund beruhigt sie: Du hast doch dein Studium geschafft und hast eine gute Arbeit – am Ende geht es jetzt um nichts. „Aber für einen persönlich geht es eben doch um etwas“, sagt die Personalreferentin. „Man will sich ja selbst beweisen, dass man das schafft.“

Wie ernst es ihr auch noch als gewählte Hoheit ist, zeigt die neue Königin beim Termin in der Hoflößnitz: Weil auf dem Glas, das sie auf dem Foto in der Hand hält, nicht Hoflößnitz zu lesen sein soll, tauscht sie es noch einmal aus. Lisa Leinemann möchte Königin für alle Winzer sein und nicht ein einzelnes Weingut besonders herausstellen, auch wenn von dort der diesjährige Hoheitenwein kommt. Das ist ihre Art, sich zu bedanken für den Rückhalt, den sie von Anfang an aus der Winzerschaft gespürt hat. „Man fühlt sich gleich gut aufgehoben, obwohl man als Außenstehende reingekommen ist.“

Trotzdem spielte der Wein in ihrem Leben immer eine große Rolle. „Ich bin einfach durch die Region geprägt. Das Elbland wäre, neben den Schlössern, ja nichts ohne den Weinbau.“ Als Kind ist sie Mitglied im Karnevalsverein, nimmt an Umzügen teil und sieht dort zum ersten Mal echte Weinhoheiten. Als sie alt genug ist, selbst Wein zu trinken, fesselt sie das Thema immer mehr. Auch weil es so gut zu ihrer anderen Leidenschaft passt: dem Kochen.

Bei ihrer Vorstellung in der Weinbaugemeinschaft Weinböhla Anfang September beeindruckt Lisa Leinemann die über 40 Wahlberechtigten mit einer Fotocollage ihrer Gerichte. In der Hoflößnitz schwärmt sie von Kürbissuppe und dem „Bratenmachen“, und erzählt, wie sie zu ihrer Leidenschaft kam: Als kleines Mädchen musste sie sonntags immer der Oma helfen, das Essen für die ganze Familie vorzubereiten, panierte schon mit sechs Jahren die ersten Schnitzel. Später, als ihre Mutter alleinerziehend war und ihre größere Schwester schon nur noch Jungs im Kopf hatte und deshalb regelmäßig den Spinat anbrennen ließ, übernahm wieder Lisa den Küchendienst. Heute kocht sie freiwillig und zur Freude ihres Freundes, mit dem sie sich eine Wohnung mit Domblick in Meißen teilt. Das Paar, das seit mittlerweile acht Jahren zusammen ist, schaut sich aber bereits nach einem gemeinsamen Haus um. „Unsere Wohnung ist wunderschön, aber so viele Jahre bleiben uns nicht mehr zu zweit“, sagt Lisa Leinemann. „In fünf, sechs Jahren sollte es schon spätestens mal losgehen.“

Großeltern als Vorbild

Die Weinkönigin, die von ihrer „traditionellen“ Erziehung erzählt, wünscht sich nämlich Familie. „Mein Ziel ist es eigentlich, am Ende zu sein wie mein Opa und meine Oma“, sagt sie und lächelt. Dann beschreibt sie einen Dialog zwischen den Großeltern. Opa Rainer sagt dann so etwas wie: Maria, weißte noch damals, da waren wir dort ... Das war so schön! Wir hatten doch ein schönes Leben. „So möchte ich auch sein“, sagt Lisa Leinemann. „Einfach zufrieden zurückblicken können.“

Auch auf ihre Zeit als Weinkönigin. „Ich will einfach meiner Aufgabe gerecht werden und gemeinsam mit den Prinzessinnen unsere Region und Winzer gut präsentieren, sodass am Ende des Jahres jemand zu mir kommt, mir auf die Schulter klopft und sagt: Das hast du gut gemacht.“

Lisa Leinemann nimmt die goldene Krone schon einmal ab, denn sie drückt langsam. Gelegenheiten zum Ablegen hat sie immer seltener, nur Anfang Oktober durfte das Schmuckstück sogar einmal tagelang in der Schatulle bleiben. Da flog die neue Weinkönigin nämlich doch nach New York, ganz privat und mal nicht im Dienst des Weines. Trotzdem zog es sie sofort in die riesigen Weinläden in Manhattan, auf der Suche nach Sachsenwein. Vergeblich. Höchstens ein paar Flaschen aus der Pfalz und von der Mosel gab es. In einem Restaurant entdeckte sie immerhin einen Riesling – geschrieben allerdings als „Reisling“. „Bestimmt gibt es irgendwo in New York sächsischen Wein. Ich habe ihn nur nicht gefunden.“ Wohl nur eine echte Weinkönigin kann aus New York zurückkehren und sagen: „War ich glücklich, als ich in meinem Kühlschrank zu Hause noch eine Flasche Sachsenwein gefunden habe.“