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Königliche Musik für Glockenklang

Beim Abriss des Herrenhauses in Baruth wurde die Orgel gerettet. Nun erklingt das Instrument zugunsten eines Großprojekts.

Von Miriam Schönbach
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Dr. Hagen Lippe-Weißenfeld, Pfarrer Michael Ramsch und der Orgelsachverständiger Jiri Koucurek (von links) an der Orgel von Leopold Kohl.
Dr. Hagen Lippe-Weißenfeld, Pfarrer Michael Ramsch und der Orgelsachverständiger Jiri Koucurek (von links) an der Orgel von Leopold Kohl. © SZ/Uwe Soeder

Baruth. Kräftig-silbrig klingt die Orgel in der Baruther Kirche. Orgelhistoriker Jiri Kocourek lässt seine Finger über die Tastatur gleiten. Ursprünglich spielte diese facettenreiche Königin in der Schlosskapelle des ehemaligen Herrenhauses. Kurz vor dessen Abriss 1950 fand die Orgel aus dem Hause Lippe-Weißenfeld Schutz in einer Loge des Gotteshauses. Dort schwieg sie lange Zeit, doch nach der Generalüberholung durch die Bautzener Firma „Hermann Eule“ hat das Instrument seinen alten Klang zurück und einen neuen Platz im Kirchenschiff bekommen. Anlässlich eines Benefizkonzertes für das Glockenprojekt wird sich die Orgel von ihrer klangvollsten Seite zeigen.

Jiri Kocourek hält inne. Der Orgelkenner hat in den vergangenen Monaten die Geschichte des fast unscheinbaren Instruments des bekannten Oberlausitzer Orgelbauers Leopold Kohl zusammengetragen. In den Akten der Firma Eule taucht es zum ersten Mal im Jahr 1917 auf. Damals werden die Pfeifen aus Zinn gegen Exemplare aus Zink getauscht. Das silbrig-weiße Metall wird als Rohstoff für die Munitionsherstellung im Ersten Weltkrieg benötigt. „Durch diesen Auftrag wissen wir, dass die Orgel im Schloss stand“, sagt Jiri Kocourek und setzt zum Spiel an. Ihm lauschen Pfarrer Michael Ramsch, Bernd Lorenz vom Glockenförderverein und Hagen Lippe-Weißenfeld.

Etwa 20 Orgeln gebaut

Sein Großvater Ferdinand IV. Prinz zur Lippe-Weißenfeld (1903 – 1939) ist der letzte Herr auf Baruth, seine Großmutter, Dorothea Prinzessin von Schönburg-Waldenburg (1905-2000), übernimmt nach dessen Tod das Zepter auf dem Gut – bis 1945. Am Kriegsende flieht die kleine Familie, die Mutter mit ihrer Tochter und dem Sohn, Richtung Detmold. 

Mit diesem Abschied für immer endet quasi damals knapp 140 Jahre Familiengeschichte in Baruth. Die Urahnen der Lippe-Weißenfelds kommen 1808 durch ein gewonnenes Duell gegen einen Sprössling aus der Oberlausitzer Adelsfamilie von Gersdorff in das Dorf zwischen Albrechtsbach und Kotitzer Wasser. 

Den Bau der Orgel beauftragt höchstwahrscheinlich Gustav zur Lippe-Weißenfeld, der 1846 das Rittergut übernimmt. Anhand anderer Orgeln aus dem Hause Kohl datiert Jiri Kocourek den Bau des Instruments auf die Zeit um 1863. „Jeder Orgelbauer hat Details anders gemacht. Ich kann mit 99,9 prozentiger Sicherheit sagen, dass es eine Kohl-Orgel ist“, sagt er und zeigt auf eine Schraube und die Rundungen an der Klaviatur aus Furnierholz. Zum Vergleich schlägt er in einer Mappe Fotos anderer Kohl-Orgeln aus Sachsen auf. Selbst ein Laie kann erkennen, dass sich diese handwerklichen Handschriften im Original und auf den Bildern gleichen.

Etwa 20 Orgeln hat Leopold Kohl (1840 – 1896) gebaut – von ganz kleinen mit nur einem Positiv mit Pedal bis zu großen Orgel im katholischen Teil des Dom St. Petri. Erlernt hat der Wahl-Bautzener sein Handwerk in seiner Geburtsstadt Leipzig beim Orgelbauer Johann Gottlob Mende. Nach dessen Tod führt er wohl erst dessen Werkstatt weiter. Doch als er 1858 den Zuschlag für die große Orgel in der Leipziger Nikolaikirche nicht bekommt, kehrt er wohl seiner Heimat den Rücken. 

Rettung in letzter Minute

Vielleicht will er aber auch nur näher an seinen Aufträgen dran sein, die ihn schon damals in die Oberlausitz führten. 1859 erwirbt er das Bautzener Bürgerrecht. Etwa 15 seiner Instrumente sind bis heute erhalten geblieben. Eine davon ist die Baruther Orgel aus der Schlosskapelle. Das Instrument rettet Pfarrer Rentsch 1950, kurz bevor das Schloss abgebrochen wird.

 „Die Orgel wurde aber bereits zum Kriegsende ausgeplündert. Es waren nur noch ein paar Holzpfeifen übrig“, sagt Jiri Kocourek. Nach der Erneuerung der Pfeifen Mitte der 1960er-Jahre und unter anderem dem Einbau eines Gebläsemotors fand die Königin mit 204 klingenden Pfeifen in der Loge, die als Winterkirche genutzt wurde, ihren sicheren Unterschlupf. Doch, weil es in der Kirche eine weitere Orgel gibt, wurde auf ihr immer weniger gespielt. 

Ihren „Winterschlaf“ hat nun das Baruther Glockenprojekt beendet. Aufgrund der Bauarbeiten am Turm wurde die große Orgel eingehaust, um sie vor Staub und Schmutz zu schützen. Parallel übernahm ihre Aufgabe die kleine Schwester nach ihrer Überholung seit dem dritten Advent. Sieben Spender machten es möglich, dass die Orgel wieder ihren Klang zurückbekommen hat. Indes schreitet auch das Glockenprojekt voran.

Am 5. April sollen die Glocken im badischen Neunkirchen gegossen werden. Parallel werden die Turmuhr und ihre Mechanik eine Etage nach unten versetzt, damit die tierischen Bewohner des Turms, die Fledermäuse, einen Rückzugsort bekommen. Dazu kommen Mal- und Putzarbeiten in Glockenstube und Zimmereiarbeiten. Das Gemeinde-Großprojekt kostet 284 000 Euro. Dafür werden noch Spenden benötigt.

Konzert als Meilenstein

Beim Benefizkonzert am 25. April wird aber nicht nur die einstige Schlossorgel erklingen. Neben dem Posaunenchor, dem Flötenkreis und dem Kirchenchor sind auch Hagen Lippe-Weißenfeld mit der Bratsche, seine Schwester Eva von Bechtolsheim mit der Geige sowie die beiden Profi-Musiker Ramon Jaffé (Cello) und seine Tochter Serafina Jaffé (Harfe) zu erleben. „Das Glockenthema hat hier in Baruth eine gemeinschaftsstiftende Dynamik ausgelöst. Es ist ein Projekt, an dem offensichtlich alle Beteiligten Freude finden“, sagt Hagen Lippe-Weißenfeld. 

Das Konzert ist für ihn ein weiterer „Meilenstein auf dieser Identitätsreise“. In einer Zeit, die durcheinander sei, sei es wichtig, Orientierungspunkte zu geben. „Die Menschen hält nicht nur Ratio, sondern auch Emotionen zusammen“, sagt der 43-Jährige. Dann lässt Jiri Kocourek noch einmal seine Finger über die Tastatur gleiten. Die Königin bedankt sich mit einem kräftig-silbrigen Klang.

Konzert am 25. April, 19 Uhr in der Kirche Baruth

Das Buch „Baruth 1945-50“ und die beiden Bände „275 Jahre Lippe-Weißenfeld“ können bei Dieter Krenz, Vorsitzender des Baruther Dorf- und Heimatvereins, Hauptstr. 15 in Baruth und unter www.editionsz.de erworben werden.