Als die Festung Sachsens höchster Schrebergarten war

Meterdicke Mauern, imposante Kanonen und ein Ausblick, der Seinesgleichen sucht. Die Festung Königstein gehört nicht umsonst zu den beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten, die die Sächsische Schweiz zu bieten hat. Und zu den am besten erforschten. Zumindest auf militärischer Ebene.
Ein Kapitel, dem bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde, ist das der Gärtnerei. Und gegärtnert wurde auf dem Felsplateau. Und zwar nicht zu knapp. Wie und wo, das verrät die neue Sonderausstellung "Von Möhrenbeet bis Festungswald", die am 30. April eröffnet wird. Die Schau widmet sich erstmals der gärtnerischen sowie forst- und landwirtschaftlichen Nutzung der Festung, die eine lange Geschichte hat.
Selbstversorgung im Krieg und Winter
Schon im 17. Jahrhundert wurden auf dem Königstein Nutzgärten angelegt. Kleine Parzellen, in denen jede Soldatenfamilie Obst und Gemüse anbauen konnte. Ähnlich wie in den heutigen Schrebergärten. Sie dienten allein der Selbstversorgung. Und zwar nicht nur im Kriegsfall. Auch in strengen Wintern, wenn der Zugang zur Festung eingeschneit und damit abgeschnitten war, mussten die teils 1.500 Festungsbewohner weiter mit Essen versorgt werden.
Diese Soldatengärten waren meist klein und überschaubar. Und damit nicht zu vergleichen mit den ausladenden Zier- und Lustgärten der Festungskommandanten, die zur Erholung und zur Unterhaltung hoher Gäste dienten. Zum Beispiel für Sachsens Könige, die im Grün gern Tee tranken. "Je größer der Garten, desto größer die gesellschaftliche Stellung", erklärt Stefanie Krihning. Die Dresdner Gartenhistorikerin hat diese Details erforscht.
Bereits 2016 hat sie sich im Auftrag des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) mit dem Festungsgrün beschäftigt und eine denkmalpflegerische Zielstellung für den Außenbereich erarbeitet. Es war die Grundlage für die heutige Sonderausstellung, an der Stefanie Krihning seit über einem Jahr arbeitet.
Kanonen unterm Blätterdach getarnt
Die Nutzgärten der Soldaten sind dabei nur ein Teil der Geschichte. Denn Bäume und Sträucher wurden auch unter militärischen Gesichtspunkten gepflanzt. "Manche bisher als Wildwuchs eingeordnete Bäume und Sträucher entpuppten sich als natürliche Tarnung von Geschützen oder Festungswällen", erklärt Stefanie Krihning. Vom Fuße der Festung kann zwar bis heute niemand einen Blick aufs eingemauerte Plateau werfen. Als Zeppeline und Heißluftballons den Luftraum eroberten, mussten strategisch wichtige Stellen plötzlich getarnt werden - nicht selten unter einem dichten Blätterdach.
Bis zu 30 verschiedene Baumarten sind in historischen Plänen auf dem Königstein erwähnt. Vor allem Tannen und Rotbuchen wurden angepflanzt und Pappeln. Letztere wachsen nicht nur schnell. Ihr Holz ist auch besonders weich. "Bretter aus Pappelholz konnten den Einschlag von Kanonenkugeln dämpfen", erklärt Stefanie Krihning.
Ausstellung zieht sich über das ganze Felsplateau
Auf einen ganz besonderen Baum stieß die Gartenhistorikerin an der sogenannten Königsnase, dem östlichsten Punkt des Festungsplateaus. Hier thront eine Eiche, der historisch noch kein großes Gewicht zugeschrieben wurde. Bis jetzt. Denn Stefanie Krihning fand heraus, dass an dieser Stelle 1819 und 1821 zwei Hochzeitseichen gepflanzt wurden: zu Ehren der Vermählung der beiden späteren Könige Friedrich August II. und König Johann. "Die Eiche an der Königsnase ist etwa 200 Jahre alt. Es handelt sich dabei also um eine der Hochzeitseichen", sagt die Landschaftsarchitektin.
Der Aussichtspunkt an der Hochzeitseiche ist einer von fünfzehn "Lieblingsplätzen" auf dem weitläufigen Felsplateau, die ab 30. April in den Fokus rücken. Die eigentliche Sonderausstellung findet in der Magdalenenburg statt. In dem von Hans Dieter Schaal gestalteten großen Schauraum gibt es neben Texten, Bildern und Dokumenten auch historische Gartenwerkzeuge aus der Sammlung des Dresdner Künstlers Einhart Grotegut zu sehen.
Hier finden Besucher auch mehrere interaktive Angebote, die von Museumspädagogin Maria Pretzschner betreut werden. Darunter sind eine Fühlstation mit zwölf Holzarten, die einst im Festungswald vorkamen, und eine Duftstation, die an eine florale Leidenschaft eines Gefangenen erinnert. Peter Aloysius Marquis d’Agdollo kultivierte Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Gärtchen etwa 500 Nelken.
Sonderausstellung "Von Möhrenbeet bis Festungswald": 30. April bis 31. Oktober 2022.