Aufatmen? Durchatmen? Egal, Hauptsache erst einmal frische Luft. Wenn Pegida von Juni an aufhören wird, allmontäglich durch die Dresdner Innenstadt zu „spazieren“, werden viele erleichtert sein: die etablierten Parteien, Teile der Medien, die Einsatzplanschreiber der sächsischen Polizei, die Dispatcher der Verkehrsbetriebe, Tourismusverantwortliche, Händler und ihre Kunden.
Rund 30-mal haben die Patriotischen Europäer, die das Abendland bedroht sehen, die Massen mobilisiert. Bei Wind und Wetter. Fast immer waren es mehrere Tausend Menschen, in der Spitze sogar 25 000. Welche Partei wäre dazu in der Lage gewesen? Welche Gewerkschaft? Welche Kirche? Wie beschädigt ist das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen, dass es ausgerechnet einem bislang wenig rechtstreuen und zunehmend zur Radikalität neigenden Lutz Bachmann gelungen ist, so viele Bürger so lange auf die Straße und ungleich mehr im Internet hinter sich zu bringen? Wie fragil ist eine Stadtgesellschaft, die mit einer simplen Mischung aus Parolen und wohlfeil formulierten Forderungen ins Wanken zu bringen ist?
Während andernorts Pegida kaum ein Fußbreit Boden gelassen wurde, hat sich das Dresdner Bürgertum weitgehend seinem Schicksal ergeben. Alsbald von Gleichgültigkeit erfasst, hat es seine Innenstadt einem Heer von Nörglern überlassen, die nicht bereit sind, sich im bestehenden gesellschaftlichen Konsens zu engagieren, weil sie genau diesen Konsens ablehnen.
Wenn sie nun bald montags nicht mehr laufen, wird Pegida nicht verschwunden sein. Das Gespenst Pegida wird weiter umgehen. In den Köpfen, in den Herzen all jener, die sich infiziert haben. Das war nur möglich, weil unsere Demokratie bedroht ist durch Selbstbedienungsmentalität und Profitgier.
Das ist dann auch das Einzige, für das Pegida zu danken ist: Die Bewegung hat die Zerbrechlichkeit der westdeutsch geprägten Wohlfühl-Kuschel-Demokratie aufgezeigt. Wenn nicht bald ein Ruck geht durch all jene, die – trotz aller Schwächen und der mitunter zermürbenden Kompromisssuche – von der Demokratie überzeugt sind, wird Pegida zurückkehren: womöglich stärker denn je.