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Kommentar: Die Rechnung ist unvollständig

Georg Moeritz über die Kosten der deutschen Einheit

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Hat es wirklich bisher zwei Billionen Euro gekostet, die Folgen der Wiedervereinigung zu finanzieren? Das wären zwei Millionen mal eine Million. Solche Schätzungen sind ziemlich wichtig für Politiker in Südkorea. Die müssen nämlich immer mal kalkulieren, wie viel denn eine Vereinigung in ihrer Region kosten könnte. Wer allerdings in Ostdeutschland lebt und seit Jahren wechselnde Milliarden-Angaben hört, der ist bei solchen hohen Summen skeptisch.

Schon vor zehn Jahren hat der damalige Aufbau-Ost-Minister Manfred Stolpe die Billionen-Schätzungen des Berliner Forschers Klaus Schroeder als unseriös kritisiert. Denn der habe einfach alle Zahlungen in die neuen Länder zusammengerechnet. Eine solche Berechnung ist zwar schon mal eine lobenswerte Grundlage, die manchen Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit interessanter machen würde.

Aber die Rechnung ist unvollständig und kommt deswegen auf falsche Summen. Wer die Kosten der Einheit komplett berechnen wollte, müsste noch vieles gegenrechnen. Nur drei Beispiele: Was hat es westdeutschen Unternehmen gebracht, dass sie neue Kunden im Osten bekamen und mögliche Konkurrenzbetriebe geschlossen wurden? Wie hoch ist der Nutzen für Schwaben durch das Wissen zugewanderter Sachsen? Wer bekommt das Geld, das die Rentenversicherung im Osten auszahlt und das dann an fränkische Vermieter oder hessische Banken fließt? Ich gebe zu: Eine solche Komplettrechnung ist kaum zu schaffen.

Korrekt ist dagegen der Befund, dass die ostdeutschen Länder wirtschaftlich nicht mehr zum Westen aufholen. Seit vier Jahren wächst die Wirtschaft im Osten langsamer als im Westen, der Abstand wird also wieder größer. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass die Fördergelder vergeblich gezahlt wurden – zumindest die Subventionen für Solarfabriken, die nach wenigen Jahren Betrieb wieder geschlossen wurden. Besser gefällt mir aber die Schlussfolgerung, dass weiter Förderung nötig ist, um die neuen Länder erneut attraktiv für Betriebe und junge Leute zu machen. Dafür sind nicht Billionen nötig, aber gute neue Ideen.