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Kommt im Kreis die zweite Corona-Welle?

Bisher sind die Corona-Zahlen in der Region auf niedrigem Niveau. Die Auswirkungen der Pandemie sind aber hart.

Von Frank Thümmler & Matthias Klaus
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Sandra Bolaño Salazar vor ihrem Reisebüro in Weißwasser, dessen Zukunft auf der Kippe steht.
Sandra Bolaño Salazar vor ihrem Reisebüro in Weißwasser, dessen Zukunft auf der Kippe steht. © Joachim Rehle

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie gibt es im Landkreis Görlitz 281 bestätigte Corona-Fälle. Erst am Donnerstag waren neun neue Fälle in Wohnheimen für Menschen mit Behinderung hinzugekommen. Von den bisher festgestellten Corona-Infektionen gelten bereits 247 Personen als wieder genesen, so das Landratsamt. Insgesamt gab es im Landkreis Görlitz bisher 24 Todesfälle in Zusammenhang mit einer Coronavirus-Erkrankung. 

Zur Einordnung: Am 1. Mai betrug die Zahl der Corona-Infizierten im Landkreis 266. In den gut drei Monaten seither sind also exakt 15 Personen hinzugekommen. Neun davon am Donnerstag. Infiziert mit dem Corona-Virus hat sich bei rund 252.000 Einwohner im Landkreis bislang also rund jeder Tausendste. Trotzdem sehen Experten Anzeichen für den Beginn einer zweiten Corona-Welle. Die Einschätzung des Landratsamts dazu lautet: Nach den Lockerungen hält sich der Großteil der Bevölkerung auch in der Ferien- und Urlaubszeit an die Regeln.

Bevölkerung hält sich an Regeln

Ein großer Ausbruch von Corona-Infektionen im Landkreis Görlitz sei damit verhindert worden und man habe „keine Maßnahmen ergreifen müssen, die zahlreiche Einschränkungen zur Folge hätten.“ Das Deutsche Rote Kreuz bereitet sich nach eigenen Angaben derweil auf eine zweite Corona-Infektionswelle vor. Diese werde wahrscheinlich schwächer ausfallen, hieß es. Nicole Porzig vom DRK Landesverband Sachsen: „Wir erwarten lokale Hotspots, bereiten Untersuchungsstrecken und räumlich begrenzte Quarantänezonen vor.“ 

Das Rote Kreuz fordert eine Verzahnung von Sanitäts- und Rettungsdienst unter einer Führungsstruktur. „Wenn eine Gesellschaft krisenfest aufgestellt sein will, darf es keine künstliche Trennung zwischen Berufsrettern und den Freiwilligen im Zivil- und Katastrophenschutz geben“, heißt es von seiten der Organisation. Etwa 90 Prozent des Bevölkerungsschutzes stehe auf ehrenamtlichen Füßen. „Es ist nicht auszuschließen, dass Führungsstrukturen einer Kommune oder andere staatliche Strukturen ausfallen“, heißt es vom DRK.

Reisebranche erwischt es besonders hart

Von Ausfällen ist auch in vielen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens zu hören. Besonders stark betroffen ist unter anderem die Reisebranche. Davon kann Sandra Bolaño Salazar ein Lied singen. Die 33-jährige alleinerziehende Mutter zweier Kinder betreibt seit 2008 ein Reisebüro in Weißwasser. „Ich hatte mir das zugetraut und es hat super geklappt, mit stetig steigenden Umsätzen“, sagt sie. Bis Corona kam. Und damit ein totaler Einbruch. 

Sandra Bolaño Salazar erinnert sich: „Die Buchungen von November bis Januar für die neue Saison liefen spitzenmäßig. Zum Corona-Ausbruch war ich dann in Ägypten und froh, überhaupt noch zurück nach Hause zu kommen. Dann ging das Dilemma so richtig los.“ Das Telefon stand nicht mehr still, Kunden bombardierten die Reiseunternehmerin mit Fragen über Fragen, die sie letztlich auch nicht immer beantworten konnte. Fast alle bereits gebuchten Reisen wurden gekündigt; neue nicht mehr verkauft.

Mit drei Jobs über Wasser halten

Die finanziellen Auswirkungen für das Reisebüro sind katastrophal. Sandra Bolaño Salazar lässt ein wenig hinter die Kulissen blicken: „Wir leben ja von Provisionen, erhalten sie meist nach getätigter Anzahlung. Die Corona-Kündigungen bedeuten für mich, dass ich seit November größtenteils umsonst gearbeitet habe, inklusive der aufwendigen Stornoabwicklungen. Die verdienten Provisionen, eine mittlere fünfstellige Summe, muss ich komplett zurückzahlen. Das bringt einen in Existenznot.“ 

Die Hilfsprogramme hätten schon was gebracht, aber nur einen kleinen Teil der Verluste ausgleichen können. Jetzt habe sie drei andere Jobs (Spanisch-Kursleiterin, Handelsvertreterin und Kosmetikberaterin), um sich und ihre Kinder über Wasser zu halten. Das Reisebüro ist wieder geöffnet, aber es passiert – nichts. Fast nichts. „Die Leute trauen sich nicht, haben Angst davor, am Ende am Urlaubsort festzuhängen, auch wenn das Risiko für Urlaubsziele, für die keine Reisewarnung besteht, sehr gering ist“, erklärt sie. Dabei hätte sie tolle Angebote – auch Last-Minute – zu vermitteln: zum Beispiel Griechenland, Kroatien, jetzt wieder die Türkei und natürlich auch Deutschland. Die Zukunft des Reisebüros steht auf der Kippe: „Ich war lange positiv, aber man muss sich Gedanken machen. Das kann noch anderthalb Jahre dauern“, schätzt sie und hat aus wirtschaftlicher Sicht Angst vor einer zweiten Welle.

Mahnungen aus der Politik

Aus Sicht des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) hat die allseits derweil längst begonnen. Der „Rheinischen Post“ sagte der CDU-Politiker: „Wir haben jeden Tag neue Infektionsherde, aus denen sehr hohe Zahlen werden könnten.“ Die Aufgabe bestehe darin, mit den Gesundheitsämtern diese Welle jeden Tag neu zu brechen. „Das klappt erstaunlich gut“, sagte er. Der Epidemiologie-Professor Rafael Mikolajczyk von der Uni Halle sieht bislang keinen Grund zur Panik, da es sich offenkundig bei den Virus-Ausbrüchen um lokale Geschehnisse handele.

Thomas Neumann ist Apotheker in Görlitz. Er sieht die Corona-Skeptiker eher kritisch. „Die gesamte Tragweite des Geschehens ist bei manchen Leuten vielleicht noch nicht im Bewusstsein angekommen“, sagt er. Auch Landrat Bernd Lange (CDU) weist darauf hin, dass sich die Lage noch nicht entspannt oder gar normalisiert habe. Gerade bei den steigenden Temperaturen sollten die Menschen weiterhin die Regeln beachten und größere Ansammlungen meiden.

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