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„Kopf in den Sand? Nö, keine Zeit.“

Vor einem Jahr schilderte Kornelia Klose, wie sie nach dem Mittagsschlaf gelähmt aufwachte. Jetzt hat sie eine eigene Wohnung und gibt Nachhilfeunterricht.

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© kairospress

Von Olaf Kittel

Ein Jahr nach unserem ersten Treffen empfängt uns Kornelia Klose im Speiseraum, nicht mehr im Wohnheimzimmer der Dresdner Firma Askir für Kranken- und Intensivpflege. Sie wohnt zwar noch im selben Haus, weil sie sich hier wohlfühlt. Aber es hat sich Entscheidendes verändert.

„Kommen Sie mit in mein Reich“, bittet sie, und kurvt auch gleich los mit ihrem Rollstuhl Richtung Aufzug. Im Obergeschoss angekommen, schließt sie die Tür zu einer hellen Wohnung mit großzügigem Wohnraum und extra Schlafzimmer auf. Einige Möbel konnte sie aus ihrer früheren Wohnung nutzen. Kochen kann sie in ihrer neuen Küche noch nicht, das wäre zu gefährlich für sie. Aber Abendbrot machen geht schon. Solche Fortschritte konnte sie sich vor gar nicht so langer Zeit nicht vorstellen.

Vo vier Jahren erlebte sie einen Albtraum. Nach einem Mittagsschlaf war sie gelähmt aufgewacht, hatte sich gerade noch aus dem Bett rollen können und dann stundenlang hilflos auf dem Boden gelegen. Damals dachte sie: Das war’s wohl jetzt. Eine Freundin fand sie. Die Ärzte diagnostizierten eine Entzündung in der Wirbelsäule, die das Rückenmark zerstörte. Es begann ein Leben im Rollstuhl.

Erst musste sie ihren geliebten Lehrerberuf aufgeben, dann die eigene Wohnung, was für sie fast noch schlimmer war. Aber Kornelia Klose ließ sich nicht unterkriegen, kämpfte um jeden Fortschritt, auch wenn er noch so klein war.

Vor dem Umzug ins betreute Wohnen im Frühjahr allerdings hatte sie eine Heidenangst, konnte kaum noch schlafen. Klar, tagsüber ist rasch Hilfe zur Stelle, wenn sie welche braucht. Aber wie kommt sie ins Bett? Allein geht das nicht. Was, wenn nachts etwas passiert? Aber die Betreuer beruhigten sie, sie bekam eine Nachtklingel. Dann wäre, im Fall des Falles, in einigen Minuten Hilfe zur Stelle. Sie ließ sich überzeugen und wagte den Schritt. Heute kommt sie schon ziemlich gut klar mit sich und dem Haushalt. Erst kürzlich entkorkte sie zum ersten Mal wieder eine Weinflasche. Und sie kann auch wieder Bücher halten, obwohl sie nach wie vor am liebsten im Kindle liest, der aus Lichtblick-Spenden finanziert wurde.

Vor einem Jahr begann Kornelia Klose wieder mit Nachhilfeunterricht. Den baute sie inzwischen aus und hat nun mit Vor- und Nachbereitung gut zu tun. 450 Euro darf sie monatlich hinzuverdienen. Außerdem begann sie ein Fernstudium für Legastheniker-Training. Künftig will sie Kindern mit einer ausgeprägten Lese- und Rechtschreibschwäche helfen. Ist das nicht ganz schön verwegen mit ihrer Behinderung? „Soll ich etwa den Kopf in den Sand stecken? Nö, dazu habe ich keine Zeit.“