Von Stefan Voß
Frostig blieb beim Besuch von Joschka Fischer in der Ukraine nur das Wetter. Der Bundesaußenminister, der in der deutschen Visa-Affäre unter dem Druck der Opposition steht, durfte sich in Kiew an lobenden Worten der neuen Staatsführung laben. Fischer und dessen polnischer Amtskollege Adam Rotfeld trügen mit ihrem Besuch dazu bei, der Ukraine die Annäherung an die Europäische Union leichter zu machen, betonte Regierungschefin Julia Timoschenko.
Während Fischer im Gespräch mit Präsident Viktor Juschtschenko Maßnahmen für eine Öffnung des Landes in Richtung Westen diskutierte, mühten sich einige Straßen weiter ukrainische Bürger vor der deutschen Visa-Stelle mit der praktischen Umsetzung der Völkerverständigung ab.
Die Erleichterungen bei der Visa-Vergabe waren seit 2002 schrittweise aufgehoben worden, nachdem zuvor der Andrang vor den Botschaften dramatisch zugenommen hatte. Deutsche Behörden hatten eine zunehmende Schleuserkriminalität unter anderem aus der Ukraine registriert und Alarm geschlagen.
Der vor der Visa-Stelle wartende Ukrainer Sergej (27) zeigt für die Hindernisse bei der Visa-Vergabe wenig Verständnis. „Meine Mutter hat einen Deutschen geheiratet und lebt in Gera. Früher konnte ich sie ohne Probleme besuchen, doch seit drei Jahren werden meine Visa- Anträge nur noch abgelehnt“, klagt der Kraftfahrer. Er musste eigens aus der 400 Kilometer entfernten Stadt Iwano-Frankowsk zur Botschaft nach Kiew anreisen. „Sagt eurem Joschka nur, dass ich die neuen Regeln sehr ungerecht finde!“, schimpft der junge Mann. Dass Fischer selbst in Deutschland wegen der liberalen Visa-Politik unter Druck geraten ist, interessiert Sergej dabei nicht weiter.
Außenminister Fischer bemühte sich in Kiew, das innenpolitische Thema der Visa-Affäre nicht mit dem Streben der Ukraine nach Europa zu vermengen. Doch zugleich warnte er mit Blick auf die Haltung der Opposition im Bundestag davor, den Ukrainern die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Der Weg nach Europa müsse geöffnet sein. Und das müsse auch für die einfachen Menschen gelten.
Während Fischer und seine ukrainischen Gesprächspartner von Fortschritten bei der ukrainischen Integration sprechen, muss Kraftfahrer Sergej weiter warten. „Kommen Sie morgen Nachmittag wieder“, sagen ihm Mitarbeiter der Visa-Stelle. Dann wird der junge Ukrainer erfahren, ob er seine Mutter in Deutschland wiedersehen darf oder zum vierten Mal eine Ablehnung bekommt. (dpa)