Dresden
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Wegen krankhafter Eifersucht vor Gericht

Ein 59-jähriger Mann soll seine ehemalige Verlobte monatelang verfolgt haben. Dass er sie auch geschlagen hat, verschweigt die Frau in dem seltsamen Prozess.

Von Alexander Schneider
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In einem Stalking-Prozess irritieren der Angeklagte und die Klägerin mit seltsamen Aussagen.
In einem Stalking-Prozess irritieren der Angeklagte und die Klägerin mit seltsamen Aussagen. © dpa

Wenn Täter und Opfer nach einem Stalking-Prozess gemeinsam in ein Auto steigen, ist das ein Zeichen, dass irgendetwas an diesem Verfahren faul sein könnte. Das war am Mittwoch vor dem Amtsgericht Dresden der Fall. Dieses mulmige Gefühl verstärken Angaben der Geschädigten, eine 55-jährige Erzieherin aus dem Landkreis Meißen, nach dem Prozess gegenüber Journalisten, sie habe Angst vor dem Täter. Er habe sie früher schon „grün und blau“ geschlagen. Da wartete der Mann schon am Steuer ihres Cabrios auf die Frau.

Die Geschädigte hatte zuvor in dem Prozess völlig anders ausgesagt. Seit März 2017 habe sie „keine Probleme“ mehr mit den Nachstellungen ihres früheren Verlobten. Er zeige „in vielen Taten“, wie sehr es ihm leidtue, was er ihr angetan habe. Er helfe ihr im Garten, sei wie ausgewechselt und ja, ihr Herz sei noch bei ihm. „Er war meine große Liebe.“ Was die Zeugin nicht sagte: Der Angeklagte, Hans-Jürgen N. (59), war am Vortag am Amtsgericht Meißen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er sie und ihre Tochter Ende 2018 geschlagen hatte. So weit, so unverständlich.

Recht spezielle Einlage

Der Prozess hatte zuvor mit einer speziellen Einlage N.s begonnen. Erst wollte er nicht einmal seinen Namen nennen, behauptete, er wisse nicht, warum er vor Gericht sei, oder was ihm vorgeworfen werde. Richter Ulrich Stein musste ihm seine Rechte und Pflichten erklären. Ihm sei bereits 2017 die Anklage mitgeteilt worden, er wisse also mindestens seit zwei Jahren, was ihm zur Last gelegt werde. N. entgegnete, er sei seit elf Jahren obdachlos, habe kein Zuhause, um solchen Schriftverkehr zu sammeln. Er arbeite in einer Moritzburger Gaststätte, zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche für gerade 1 000 Euro.

Laut Anklage soll N. nach der Trennung im Juli 2016 den Haustürschlüssel der Wohnung seiner Ex einbehalten haben. Weiter habe er sie mit SMS-Nachrichten belästigt, ihr sogar gedroht, sie und ihre Tochter zu töten. Außerdem sei er mit Blumen und Briefen vor der Wohnung in Plauen aufgetaucht oder habe mit der Taschenlampe hineingeleuchtet. Nachdem die Frau Anfang Dezember 2016 am Gericht erwirkt hatte, dass N. sich ihr weder nähern noch Kontakt zu ihr aufnehmen darf, wurden SMS und Besuche noch intensiver: Es gab 75 Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz bis Anfang 2017.

Nach Beratung mit seinem Verteidiger René Zebisch räumte N. einen Teil der Vorwürfe ein. An vieles könne er sich jedoch nicht mehr erinnern. Er habe um seine Frau gekämpft. Dann wurde die Geschädigte vernommen, die bestätigte, sie habe das Verlöbnis mit N. im Juli 2016 gelöst und ihm das auch mitgeteilt. Seine „krankhafte Eifersucht“ war der Grund dafür. Kein Wort von früheren Übergriffen, kein Wort von dem Prozess am Dienstag in Meißen. Dafür berichtete sie, N. habe die Parzelle neben ihrem Garten gepachtet, seitdem habe sich das Paar wieder angenähert. Eine Beziehung wolle sie mit ihm jedoch nicht wieder aufnehmen. Der Prozess wurde ausgesetzt, N. solle sich zunächst über seine Aussage mit seinem Verteidiger beraten.