Von Dominique Bielmeier
Landkreis. Seit Monaten klagen Mitarbeiter der Rettungsdienst Meißen gGmbH, einer DRK-Tochter, über Personalnot und nicht besetzte Einsatzfahrzeuge, doch erst jetzt kam das Thema in der Verwaltung auf die ganz große Tagesordnung – und das ganz plötzlich. Erst Anfang der Woche erfuhren die Kreisräte von der Sondersitzung des Kreistags am Donnerstagabend. „Die Kommunikation vom Kreistag zu den Kreisräten ist haarsträubend“, sagt Martin Oehmichen, Kreisrat für die Grünen. „Es war nie die Rede davon, dass die Lage so prekär ist.“
In einer „Begründung der Eilbedürftigkeit“ zur Sitzung hieß es, der Rettungsdienst habe dem Landkreis schon im Oktober „strukturelle Probleme bei der personellen Sicherung und Finanzierung der rettungsdienstlichen Versorgung“ angezeigt und auf eine mögliche Einstellung der Leistungen zum 31. Dezember 2016 hingewiesen. Um den Vertrag weiter zu erfüllen, bräuchte der Rettungsdienst schlicht mehr Geld. Seit Oktober blieben, wie auch die SZ mehrfach berichtete, Krankenwagen oder Krankentransporte aus Personalmangel einfach auf dem Hof stehen.
Nun hat sich die Situation so zugespitzt, dass das DRK den Rettungsdienst ohne mehr Geld überhaupt nicht mehr leisten kann. Auch die Idee, den Vertrag Ende März einvernehmlich zu beenden und bis dahin eine „Abrechnung auf Ist-Kosten-Basis“ vorzunehmen, ist gescheitert, da der Rettungsdienst laut Begründung nicht von seiner Maximalposition beim Thema Finanzen abzubringen war. Verhandlungen zwischen Kreis und DRK vom Montag blieben erfolglos. „Daher sieht sich der Landkreis gehalten, zur Sicherstellung des Rettungsdienstes den Vertrag ... außerordentlich zum 31. Januar 2017 zu kündigen und die Leistungen neu zu vergeben.“
Das wurde auch in der Sondersitzung am Donnerstag so beschlossen, zumindest für die Bereiche Meißen und Radebeul. „Der Landkreis sah sich nach intensiven Gesprächen gezwungen, im Interesse der Sicherstellung des Rettungsdienstes das Vertragsverhältnis zeitnah zu beenden“, erklärte der zuständige Dezernent Manfred Engelhard. Von der Beendigung des Vertrages unberührt sollen die Verträge für den Rettungsdienst mit der DRK Großenhain GmbH und der Riesaer Elbland gGmbH bleiben. Die Lücke in Meißen und Radebeul schließen bis Ende 2018 – solange hätte der Vertrag mit dem DRK Meißen bestanden – die Malteser für die Rettungswache Meißen und die Johanniter-Unfall-Hilfe für die Rettungswache Radebeul.
Woher soll das Personal kommen?
So einfach könnte es rechtlich gesehen jedoch nicht sein, sagt Oehmichen. Im Innenausschuss des Landtags habe Innenminister Markus Ulbig (CDU) noch am Donnerstag betont, dass eine direkte Neuvergabe laut Gesetz nicht möglich sei – es müsse immer eine ordentliche Ausschreibung erfolgen. Und so ein Verfahren ist lang, sagt Oehmichen. Der Landkreis habe zusammen mit einem Anwalt aber argumentiert, dass es in einem solchen Eilfall möglich sei, den Dienst auch direkt zu vergeben. Oehmichen: „Ich nehme also an, dass es noch eine rechtliche Prüfung geben muss.“
Das DRK selbst erfuhr vom Sonderkreistag erst aus der SZ. In einer Stellungnahme an den Landrat, den Dezernenten Engelhard und die Kreistagsabgeordneten schreibt Thomas Klemp, Geschäftsführer des Meißner Rettungsdienstes: „Das DRK hat vor einiger Zeit das Gespräch mit dem Landratsamt Meißen gesucht. Wir haben signalisiert, dass wir einem Wunsch des Landkreises, eine andere Organisation mit dem Rettungsdienst zu beauftragen, nicht im Wege stünden.“ Es gebe beim Rettungsdienst einen hohen Krankenstand, die Besetzung der Rettungs- und Krankenwagen sei oft nur durch Mehrarbeit engagierter hauptberuflicher Mitarbeiter und den massiven Einsatz ehrenamtlicher DRK-Retter sowie von Honorarkräften abgesichert worden. Um die Probleme dauerhaft zu lösen, seien zusätzliche Personalstellen erforderlich. Auch die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter müssten dringend verbessert werden. Die Verhandlungen mit dem Landratsamt sah der Geschäftsführer vor der Sonderkreistagssitzung als noch nicht beendet an.
Und auch nach dem Kreistag bleiben entscheidende Fragen offen, darunter, woher Malteser und Johanniter das chronisch knappe Rettungspersonal nehmen sollen und wie die Verträge konkret aussehen werden. Denn ohne eine bessere Bezahlung werden auch diese Hilfsorganisationen bald vor dem gleichen Personalproblem stehen wie das DRK jetzt, ist Martin Oehmichen überzeugt. „Der Kreis hat das Problem viel zu lange aufgeschoben.“