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Kreis schließt Rossauer Erstaufnahme

Weil weniger Flüchtlinge ankommen, soll im Oktober der Betrieb eingestellt werden. Was passiert nun mit dem Gebäude?

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© André Braun

Von Jan Leißner und Tina Soltysiak

Rossau. Nachdem der Landkreis bereits mehrere Asylbewerberheime geschlossen hat, soll nun auch der erste Anlaufpunkt für Flüchtlinge in Mittelsachsen aufgegeben werden. Wie André Kaiser, Sprecher der Kreisverwaltung, bestätigte, werde der Betrieb der Einrichtung voraussichtlich im Oktober eingestellt. Es handele sich um eine „wirtschaftliche Entscheidung“ infolge der stark sinkenden Anzahl der dem Landkreis zugewiesenen Asylsuchenden.

Die ursprünglich für bis zu 300 Bewohner ausgelegte Unterkunft in Rossau war seit der Inbetriebnahme Anfang 2016 nie komplett ausgelastet. Derzeit sind rund 100 Asylsuchende in der ehemaligen Fabrikhalle untergebracht, schon vor einem Jahr waren es nicht viel mehr. Die derzeit noch in Rossau untergebrachten Asylbewerber sollen nun in andere Einrichtungen in Mittelsachsen umziehen, etwa nach Mobendorf, Lunzenau und Döbeln oder in angemietete Wohnungen.

Die Gesellschaft für Strukturentwicklung und Qualifizierung (GSQ) mietet diese Wohnungen an. Sie ist auch Betreiber der Einrichtung in Rossau. Die GSQ hat weitere Partner wie das Deutsche Rote Kreuz oder den Wachschutz gebunden. „Konkrete Zahlen zur Höhe der Kosten für die Unterhaltung können aus vertragsrechtlichen Gründen nicht genannt werden“, so Kreissprecher Kaiser.

In diesem Jahr kamen ihm zufolge immer weniger Asylsuchende nach Mittelsachsen, bis Ende Juli seien es 294 gewesen. Eine Prognose gebe es von der Landesdirektion bis Jahresende zwar nicht, „wir rechnen aber mit Zahlen zwischen 25 und 50 Personen durchschnittlich im Monat“, so Kaiser. Der August sei da eine Ausnahme mit 80 Asylsuchenden.

Das Erstverteilzentrum in Rossau hatte im Kreis bisher eine besondere Aufgabe: Asylbewerber, die Mittelsachsen vom Freistaat zugeteilt bekommt, kommen dort an, bevor sie an die Kommunen weiterverteilt werden. Damit war Mittelsachsen der einzige Kreis im Freistaat, der ein solches Modell praktizierte. Das habe sich nach Ansicht der Kreisverwaltung bewährt. „Denn die Registrierung und Aufnahme der Asylsuchenden in den Landkreis konnte geordnet erfolgen, ebenso die Weiterleitung an die weiteren Unterkünfte“, so Kaiser. Wo diese Aufgaben künftig angesiedelt werden, ist noch offen. Die Arbeitsgruppe Asyl des Kreistages werde zum „Gesamtkomplex“ im September beraten. Auch über die künftige Nutzung der Rossauer Immobilie sei noch nicht entschieden, so Kaiser. Zumindest bestätigte er „Überlegungen“, den Standort vorübergehend zum Beispiel als Bildungseinrichtung zu nutzen. Doch das bedürfe einer längeren Vorplanung. Es sei aber auch nicht ausgeschlossen, dass dieses Erstverteilzentrum reaktiviert wird, sollten wieder deutlich mehr Asylsuchende nach Mittelsachsen kommen.

Geringe Auslastung der Wohnungen

Immerhin hatte der Kreis viel in den Standort investiert: Nach früheren Angaben wurden allein für den Erwerb der Immobilie – einer ehemaligen Fabrikhalle im Gewerbegebiet – etwa 1,5 Millionen Euro ausgegeben. Später wurden die Gesamtkosten für Kauf und Umbau mit rund 2,27 Millionen Euro angegeben. Die zuvor leerstehende Fabrikhalle gehört jetzt der Saxonia Standortentwicklungs- und -verwaltungsgesellschaft. Landkreis und Stadt Freiberg sind je zur Hälfte deren Gesellschafter. Laut Kaiser soll die Immobilie des Erstverteilzentrums bei dem Unternehmen verbleiben.

Zum Politikum avancierte die Unterkunft in Rossau, nachdem sich im Juli 2016 Flüchtlinge öffentlich über die Zustände im Erstverteilzentrum beschwert hatten, der Sächsische Flüchtlingsrat sprach von Mängeln bei Essen, Sauberkeit und Ruhe. Das Landratsamt wies die Vorwürfe zurück, auch die Landesdirektion stellte keine Mängel fest. Linke-Landespolitiker wie Juliane Nagel und Falk Neubert kritisierten danach die Entscheidung des Landrates, dem Flüchtlingsrat und den Landtagsabgeordneten den Zutritt zur Rossauer Unterkunft zu verweigern.

Juliane Nagel bezeichnet den Entschluss zur Schließung als „eine gute Nachricht aus Mittelsachsen“. Sie ergänzt: „Es ist schade, dass diese Entscheidung aus Kosten- und nicht aus humanitären Gründen gefällt wurde.“ Anstelle nun über die Einrichtung eines neuen Erstverteilzentrums zu beraten, solle der Landkreis Mittelsachsen sich überlegen, wie er die Unterbringung in Wohnungen forcieren kann, so Juliane Nagel weiter.

Die Linken-Abgeordnete hatte Ende Juli zur Belegung der sächsischen Asylunterkünfte eine Anfrage ans Innenministerium gestellt. Ihr Fazit „Schaut man sich die Quote dezentral, also in Wohnungen untergebrachter Geflüchteter an, liegt der Landkreis Mittelsachsen mit nicht einmal 50 Prozent weit hinten. Die Sammelunterkunft in Mobendorf, wohin nun auch Geflüchtete aus Rossau verlegt werden sollen, ist eine der landesweit schlechtesten: abgelegen im Wald und ausgestattet mit Wohnbaracken.“

Auch die Gemeinschaftsunterkünfte in Mittelsachsen sind nur noch etwa zur Hälfte belegt. Laut Innenministerium umfasste die Kapazität der Flüchtlingsheime im Kreis 1 943 Plätze. Belegt seien davon nur 1 076. Die jüngsten Daten des Kreises stammen vom Juli: Demnach waren in Gemeinschaftsunterkünften 1 065 Asylbewerber untergebracht, in Wohnprojekten wie beispielsweise in Waldheim waren es 331. In den GSQ-Wohnungen lebten 415 Asylbewerber, weitere 193 waren dezentral in Wohnungen untergebracht.

Mit der Schließung von Asylbewerberunterkünften wurde bereits vor einem Jahr begonnen. Die Gemeinschaftsunterkunft an der Mastener Straße in Döbeln wurde Anfang dieses Jahres freigezogen. (mit FP)