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Kreis setzt Abriss trotz Protesten fort

Jetzt soll es einen Kaufinteressenten für das einsturzgefährdete Umgebindehaus in Ostritz geben. Die Bauaufsicht greift trotzdem durch.

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© Rafael Sampedro

Von Mario Heinke

Ostritz. Abgefahrene Autoreifen, alte Eimer, verrottete Balken, Dachziegel, Bauschutt und jede Menge Müll sind über das verwahrloste Grundstück in der Görlitzer Straße 13 in Ostritz verteilt. Wildwuchs und armdicke Stämme sind ein klarer Beleg des jahrzehntelangen Leerstands. An der Rückseite ist das alte Umgebindehaus schon offen. Mauern und ein Teil des Dachstuhls sind eingestürzt, immer wieder fallen Ziegel vom Dach. Deshalb ist die Bundesstraße 99, an der das schiefe Haus steht, auch halbseitig gesperrt. Zwei Bauarbeiter der Firma Köhler & Sohn stehen neben dem Bagger und harren der Dinge, die da kommen. Am Hintereingang des Umgebindehauses diskutieren zwei Polizeibeamte mit Alexander Junge, dem Ostritzer Stadtrat Thomas Göttsberger (Wählervereinigung Siedlung) und dem Berliner Architekten Benjamin Pfefferkorn. Zwischendurch wird immer wieder telefoniert. Das Landratsamt Görlitz hat den Abriss des Gebäudes verfügt. Die drei Männer sind am Montagvormittag vor Ort, weil sie den Abriss des 300 Jahre alten Hauses noch verhindern wollen. Die Diskussion dauert Stunden. Mehrfach versuchen die ehrenamtlichen Denkmalschützer, einen zuständigen Mitarbeiter der Bauaufsicht ans Telefon zu bekommen. Ohne Erfolg. Die Polizisten verweisen die Männer des Grundstücks. Benjamin Pfefferkorn ist wütend. „Das ist Demokratie“, schimpft Alexander Junge, der nach eigenen Angaben eine Generalvollmacht der Erbengemeinschaft für das Grundstück besitzt. Er beschwert sich, nicht über den Abriss informiert worden zu sein. Punkt 11.38 Uhr startet der Baggerfahrer die Baumaschine. Er hatte am Morgen die Polizei gerufen, weil Junge und Pfefferkorn drohten, sich auf das Dach zu setzen. Langsam zieht er den Baggerlöffel über das Dach, sofort rutschen die porösen Ziegel herunter und zerschellen auf der Erde. Stück für Stück seziert der Baggerführer das Gebäude. Er trennt Holz, Ziegel, Metall und Müll schon beim Einreißen und verteilt alles auf die bereitstehenden Container. „Höchste Zeit, dass die alte Bude wegkommt“, sagt eine ältere Dame im Vorbeigehen. Am Gartenzaun beobachten Nachbarn und Passanten das Geschehen.

Thomas Göttsberger, dem viele alte Häuser und die Mandaukaserne in Zittau gehören, hält die Abrissverfügung des Landratsamtes für rechtswidrig, weil die Eigentümer „nicht in Verzug gesetzt“, also über die Androhung der Ersatzvornahme informiert worden seien. Ersatzvornahme bedeutet in diesem Fall, die Bauaufsicht des Landkreises lässt das einsturzgefährdete Haus anstelle des Eigentümers auf dessen Kosten abreißen.

Für den Landkreis ist der Fall eindeutig, auf Göttsbergers Vorwürfen geht man in Görlitz nicht ein. Es handele sich um ein Gebäude, das durch den jahrelangen Leerstand und die vernachlässigten Eigentümerpflichten in einen Zustand gekommen ist, durch den es zur Gefahr für die Allgemeinheit wurde, erklärt Pressesprecherin Susanne Lehmann auf Anfrage der SZ. Als erste Maßnahme zur Gefahrenabwehr erfolgte bereits die halbseitige Sperrung der Bundesstraße. Letztlich bestand eine akute Einsturzgefahr. Die nun vom Landkreis in Auftrag gegebenen Arbeiten waren daher zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit unumgänglich, so der Landkreis.

Bei dem Gebäude handele es sich um eines der ältesten Ostritzer Umgebindehäuser, das unbedingt erhalten werden muss, schreibt Göttsberger am Montag in einer E-Mail an den Kreis und fordert, den Abriss unverzüglich zu stoppen. Dies sei möglich, da am Montag lediglich die dem Garten zugewandte Seite des Gebäudes abgerissen wurde. Außerdem gebe es einen Ostritzer, der das Grundstück erwerben möchte. Dieser habe bereits angekündigt, Schadenersatzansprüche, die durch einen rechtswidrigen Abriss entstehen, prüfen zu lassen, schreibt Thomas Göttsberger an das Amt. Der Kreis ließ sich am Dienstag von den Einwänden des Ostritzer Stadtrats nicht beirren und lies den Rückbau fortsetzen.