Das zweifelhafte Geschäft mit Behörden-Anträgen

Thomas G. wollte eigentlich nur rasch ein Führungszeugnis für seine neue Arbeitsstelle beantragen. Als er im Internet danach suchte, stieß er als Erstes auf die Seite dienstweg.info/fuehrungszeugnis. Dort fand er jede Menge Informationen. Zudem lockte der Betreiber mit den Zeilen „Ihr Führungszeugnis online beantragen“ und „Ohne Wartezeit auf dem Amt“. Das kam Thomas G. entgegen, er klickte schließlich den rot unterlegten Button mit „Jetzt online bestellen“ und zahlte 13 Euro. Doch statt des erhofften Führungszeugnisses erhielt er lediglich einen „eBook Online-Wegweiser“, in dem beschrieben wird, wie er das Führungszeugnis beantragen kann. „Ich war geschockt“, meint G.
Was ihm passiert ist, ist kein Einzelfall. Mittlerweile können viele behördlichen Leistungen online beantragt werden – vom Kindergeld über die Geburtsurkunde bis zum Punktestand in Flensburg. Das ist praktisch und erspart den Gang zum Amt.
Doch es gibt zunehmend Dienstleister, die damit werben, Anträge an die zuständigen Behörden weiterzuleiten und den Versand der Dokumente zu organisieren. Oft verlangen sie hohe Gebühren dafür, obwohl der Antrag an sich kostenfrei ist. „Es ist grundsätzlich nicht verboten, eine Dienstleistung, die es kostenfrei gibt, gegen eine Gebühr anzubieten“, erklärt Thomas Laske, Jurist bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Anbieter müsse allerdings ausdrücklich darauf hinweisen.
Welche Maschen sind verbreitet?
Immer wieder gehen bei den Familienkassen Anträge auf Kindergeld ein, mit denen Eltern kostenpflichtige Anbieter beauftragt haben. Ein Beispiel ist das Angebot von kindergeld-online-beantragen.de. Die Betreiber der Seite versprechen, dass sie sich um alle Unterlagen kümmern und bieten Unterstützung bei Fragen an. Diesen Service lassen sie sich 29,90 Euro kosten. Dabei können Eltern einen Antrag direkt unter www.familienkasse.de stellen – und zwar kostenlos. Auch aktuelle Informationen, Antragsformulare und Nachweisvordrucke sind hier gratis verfügbar.
„Auf unserer Website wird niemand getäuscht. Wir möchten betonen, dass es sich um eine werthaltige Dienstleistung handelt“, teilt das Unternehmen auf SZ-Anfrage dazu mit. Und weiter heißt es: „Wir unterstützen Menschen bei der Beantragung von Kindergeld, ohne Amtsdeutsch und ohne unnötigen Weg zur Post oder zum Amt. Viele Menschen scheuen sich vor dem Kontakt mit einer Behörde, insbesondere in Zeiten von Corona.“ Hinzu kommt jedoch: Wer das Kindergeld bei einem Dienstleister beantragt, gibt oft auch persönliche Daten an Dritte und weiß nicht, was am Ende damit geschieht.
Ein weiteres Beispiel ist die Website urkunden.online. Die Bestellung einer internationalen Geburtsurkunde soll hier 9,99 Euro Gebühr kosten. Dafür leitet der Betreiber ein ausgefülltes Formular an das zuständige Standesamt weiter. Das allerdings stellt zusätzlich eine Rechnung aus. Denn eine Geburtsurkunde zu beantragen kostet auch in den kommunalen Behörden Geld. In der Regel betragen die Gebühren dafür zwischen zehn und 15 Euro. Letztlich zahlt man also doppelt. Der Rat der Verbraucherschützer: Einfach mal die Internetseiten von Stadt oder Gemeinde aufrufen. In der Regel lassen sich die benötigten Urkunden dort ohne zusätzliche Kosten anfordern. Der Betreiber von urkunden.online verweist sogar auf der Startseite darauf.
Worauf sollten Nutzer noch achten?
Richtig teuer kann es werden, wenn man statt eines Behörden-Antrags unwissentlich gleich ein ganzes Ratgeberpaket bestellt. Wer beispielsweise recherchiert, wie er seinen Punktestand in Flensburg abfragen kann, landet fast unweigerlich auf dem Portal flensburger-punktestand.de.
Hier wird Nutzern ein Paket für 37,72 Euro angeboten – inklusive allgemeinen Infos zum Punktestand, Erklärungen zu den Verjährungs- und Löschungsfristen, einem Ratgeber zum Punkteabbau sowie einem Antragsformular. Um eine offizielle Abfrage des Punktestandes handelt es sich dabei jedoch nicht. Darauf weisen die Betreiber der Seite auch hin und verlinken sogar auf das entsprechende kostenfreie Angebot des Kraftfahrtbundesamtes unter www.kba.de.
Woran sind unseriöse Anbieter im Internet zu erkennen?
Wenn man nach einer bestimmten Dienstleistung sucht, stehen die Seiten der Trittbrettfahrer oft ganz oben in der Liste der Ergebnisse. „Das ist wenig verwunderlich, denn in den meisten Fällen handelt es sich um gekaufte Werbeanzeigen“, sagt Thomas Laske. Einige Anbieter würden aber auch ohne Bezahlung von den Suchmaschinen auf den Top-Plätzen gelistet. Umso wichtiger sei es, nicht vorschnell auf das erstbeste Angebot zu klicken.
Auch vom Design der Webseiten sollten sich Nutzer nicht täuschen lassen. Viele unseriöse Anbieter versuchen, durch Begriffe oder Namen den Eindruck zu erwecken, es handele sich um eine offizielle Seite. Häufig sind auch die Flaggenfarben der Bundesrepublik – Schwarz, Rot, Gold – zu sehen, um dem Service einen offiziellen Anstrich zu verpassen. „Am Ende gibt nur ein Blick ins Impressum Aufschluss darüber, ob man es mit der gewünschten Behörde oder einem privaten Dienstleister zu tun hat“, sagt Laske. Zudem sollte man im Kleingedruckten nachschauen, welche Leistungen wirklich erbracht werden.
Was tun, wenn man auf ein Angebot hereingefallen ist?
In jedem Fall Screenshots von der Bestellseite machen, um zu dokumentieren, was einem, unter welchen Bedingungen verkauft wurde. Ein Widerruf des Vertrags gestaltet sich oft schwierig. „Die Betreiber der Seiten berufen sich regelmäßig auf den Ausschluss des Widerrufrechts, da man angeblich gewünscht hat, dass mit der Ausführung der Dienstleistung sofort begonnen wird“, erklärt Jurist Laske. Doch das sei nur die halbe Wahrheit.
Tatsächlich ist es notwendig, dass Nutzer zweimal zustimmen. Zum einen müssen sie bestätigen, dass sie einverstanden sind, dass die Dienstleistung sofort ausgeführt wird. Zum anderen müssen sie aber auch erklären, dass ihnen bewusst ist, dass dadurch ihr vorzeitiges Widerrufsrecht erlischt. „Viele Anbieter verzichten jedoch auf den zweiten Punkt. Damit werden Kunden arglistig getäuscht“, sagt Laske. Ist der Nutzer nicht ordnungsgemäß belehrt worden, kann er einen geschlossenen Vertrag weiterhin widerrufen. „Die Frist verlängert sich in dem Fall sogar von den üblichen 14 Tagen auf ein Jahr und 14 Tage.“
Bekommen Kunden ihr Geld wieder?
Wer vorschnell Geld überwiesen hat, wird es kaum wiedersehen. Nach der Erfahrung der Verbraucherschützer stellen sich viele unseriöse Anbieter quer und verweigern die Erstattung gezahlter Beträge. „Oft lohnt sich der Aufwand kaum. Die Erfolgsaussichten sind sehr gering“, sagt Laske. Die Kosten für einen Anwalt würden die geringen Beiträge, um die es in der Regel geht, nicht rechtfertigen. Das spielt den Anbietern in die Hände. Viele Internetseiten gibt es schon jahrelang. „Selbst, wenn nur wenige auf die kostspieligen Angebote hereinfallen, machen die Betreiber noch immer ein gutes Geschäft“, sagt Laske.