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Prozess in Dresden: Missbrauch ja, aber Vergewaltigung?

Ein 34-Jähriger hat Geschlechtsverkehr mit einer zwölfjährigen Bekannten auf einem Dresdner Parkplatz gestanden. Er will sie jedoch nicht dazu gezwungen haben.

Von Alexander Schneider
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Weil mehr als vier Jahre Haft herauskommen könnten, hat das Amtsgericht Dresden den Missbrauchsfall eines 34-jährigen Angeklagten ans Landgericht verwiesen.
Weil mehr als vier Jahre Haft herauskommen könnten, hat das Amtsgericht Dresden den Missbrauchsfall eines 34-jährigen Angeklagten ans Landgericht verwiesen. © Symbolfoto: Marion Doering

Dresden. Anfang April vergangenen Jahres soll ein Mann ein Kind in seinem Auto vergewaltigt haben. Tatort war der Skoda des Angeklagten auf einem Parkplatz in der Pieschener Allee. Laut Anklage habe er das Alter der damals Zwölfjährigen gekannt und den Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen vollzogen.

Das Mädchen habe den Mann mehrfach weggedrückt und ihm zu verstehen gegeben, dass es diesen Kontakt nicht möchte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten daher sexuellen Missbrauch von Kindern und Vergewaltigung vor.

Der Prozess hat in dieser Woche vor der Jugendschutzkammer des Landegerichts Dresden begonnen. Es ist der zweite Anlauf, nachdem das Jugendschutzgericht am Amtsgericht Dresden die Verhandlung im vergangenen Herbst nach drei Sitzungstagen abgebrochen und an das Landgericht verwiesen hatte. Begründung: Die Strafkompetenz von maximal vier Jahren hatte dem Amtsgericht nicht ausgereicht, nachdem der Angeklagte die Vorwürfe nicht gestanden hatte.

Vier Gebärdendolmetscher übersetzen Aussagen

Schon das ist ein ungewöhnlicher Vorgang. In der Regel werden solche Missbrauchstaten von der Staatsanwaltschaft bereits erstinstanzlich am Landgericht angeklagt, um Geschädigten eine Vernehmung in einem Berufungsprozess zu ersparen.

Es gibt weitere Besonderheiten: Täter und Opfer stammen aus der Ukraine, kannten sich schon vor der Flucht vor dem russischen Angriffskrieg. Im April 2022 war der Angeklagte mit seiner Familie im selben Dresdner Hotel untergebracht wie die Familie der Geschädigten. Weil der Angeklagte und das Kind gehörlos sind, nehmen wie schon zum ersten Prozess am Amtsgericht gleich vier Gebärdendolmetscher an der Hauptverhandlung teil. Sie übersetzen über die internationale in die russische Gebärdensprache. Die Aussagen des Angeklagten wiederum werden in die deutsche Gebärdensprache übertragen, ehe die Dolmetscher antworten.

Verteidiger Matthias Ketzer warnte in einem Eröffnungsplädoyer vor "Informationsverlusten und Missverständnissen" aufgrund der mehrstufigen Übersetzungen. Auch seien stets dieselben Dolmetscher beteiligt, die aus dem Ermittlungsverfahren und dem Amtsgerichtsprozess bereits Antworten kennen. Feinheiten in der Aussage könnten da auf der Strecke bleiben.

Ermittler: Mädchen flüchtete aus Skoda

Der Angeklagte, selbst Familienvater mit zwei Kindern, gab zu, mit dem Mädchen einvernehmlich Sex gehabt zu haben, und entschuldigte sich dafür. Er habe es nicht dazu gezwungen, habe gedacht, die Geschädigte werde bald 14 Jahre alt. Er habe das Mädchen abends im Hotel getroffen und man sei durch die Stadt gefahren.

Sie hätten schon früher, noch in der Ukraine, darüber gesprochen, miteinander Sex zu haben. Nach der Autofahrt habe das Mädchen vor dem Hotel aussteigen wollen, damit die Mutter nicht bemerkt, dass sie mit ihm unterwegs gewesen sei, sagte der Angeklagte. Er selbst sei stakt alkoholisiert gewesen, habe zuvor mit dem Vater des Mädchens getrunken.

Nach dem Ergebnis der Ermittler soll die Geschädigte jedoch am Parkplatz aus dem Skoda geflüchtet sein. Das Kind wurde nach der Tat im Ermittlungsverfahren, ähnlich aufwendig mithilfe der Gebärdensprachdolmetscher, richterlich vernommen. Diese Vernehmung wurde nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt. Unklar ist, ob das dem Kind eine Vernehmung erspart, nachdem der Angeklagte die Tat anders darstellt.

Der Prozess wird fortgesetzt.