Nach Diebstählen in Sachsen: Autoschieber liefert "seine" Bande ans Messer

Dresden. Die Aufklärungshilfe des 44-jährigen Angeklagten könne gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, sagt der Vorsitzende Richter Arndt Fiedler am Ende eines kurzen Prozesses am Amtsgericht Dresden. In zweieinhalb Stunden hat sein Schöffengericht das Verfahren gegen den Kurierfahrer einer polnischen Bande von Autodieben durchgezogen.
Dabei läuft die Verhandlung unter erhöhten Sicherungsvorkehrungen in einem geschützten Gerichtssaal im Keller des Justizzentrums am Sachsenplatz. Ein halbes Dutzend Personenschützer bewacht den Angeklagten, geschlossene Jalousien wehren neugierige Blicke von draußen ab, Wachtmeister filzen die Besucher.
Der Angeklagte, der erst Anfang März nach einer spektakulären Verfolgungsfahrt einen in Dresden gestohlenen Hyundai Kona in Eibau demoliert hatte, packte nach seiner Verhaftung aus. Der polnische Kronzeuge muss mit seinem Wissen die Ermittler dies- und jenseits der Neiße beflügelt haben: "16 Mitglieder der Bande konnten Stand heute verhaftet werden", lobt Fiedler den Mann. "Ein sensationeller Erfolg!"
Der Prozess ermöglicht jedoch nur einen oberflächlichen Einblick in die Ermittlungen. Der Kurierfahrer war seit Juli 2021 an mindestens 18 Autodiebstählen beteiligt. So viele Taten mit einem Gesamtschaden von mehr als 550.000 Euro werden ihm nun vorgeworfen. Er war Teil einer international operierenden, arbeitsteilig handelnden, polnischen Bande, die sich auf den Diebstahl verschiedener Marken, darunter Jeep, Fiat, Kia und Hyundai, spezialisiert hatte, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft.
Auch verhaftet: der "König von Porajow"
Chef sei ein Lukas Z., der sich "König von Porajow" nannte und inzwischen auch auf Staatskosten untergebracht ist. Porajow ist ein polnisches Dorf am gegenüberliegenden Neißeufer Zittaus. Z. soll alle Fäden in der Hand gehalten haben und den Absatz der gestohlenen und meist ausgeschlachteten Autos kontrolliert haben. Andere setzten die Details um, wussten, wo es was zu stehlen gibt, sorgten für saubere Handys, Werkzeug und Technik.
Der Angeklagte, ein langjähriger Ganove, drogenabhängig, ohne Beruf, der in Polen schon sechs und in Deutschland weitere acht Jahre Knast hinter sich hat, stand in der Hierarchie ganz unten. Für den riskantesten Job in diesem Unternehmen, die Ausfuhr der Beute, kassierte er 400 bis 600 Euro, so der Angeklagte.
Die Täter stahlen unter anderem Autos am Leipziger Flughafen, in Dresden, Radebeul, Mittweida, Löbau, Schkeuditz und anderen Ortschaften. Manchmal verursachten sie auch beim Abfahren erhebliche Schäden, etwa indem sie Schranken durchbrachen. Spezialisiert hatten sich die Täter auf SUVs, Geländewagen, Handwerker-Transporter und ein Wohnmobil im Wert von gut 90.000 Euro.
Staatsanwalt forderte fast vier Jahre
Das Gericht verurteilt den viel gelobten Polen, der schon lange in Sachsen lebt, zu drei Jahren Haft. Sein Verteidiger hatte "nur" zweieinhalb Jahre gefordert. Aussteiger wie sein Mandant brauchten ein deutliches Signal für ihren Schritt. Der Angeklagte wird lange gefährdet sein, in zahlreichen weiteren Prozessen gegen ehemalige Komplizen aussagen müssen und eine neue Identität brauchen.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten gefordert, was dem Gericht angesichts der Aufklärungshilfe des Mannes dann doch zu hoch war. Der Angeklagte muss ohnehin mit einer längeren Zeit im Gefängnis rechnen, ihm droht nun auch der Widerruf einer Bewährungsstrafe von weiteren zehn Monaten Haft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.