Bei Feuer in Döbeln Nord hätten Menschen sterben können

Döbeln. Den 8. August 2021 werden die Mieter der Häuser an der Straße der Jugend 1 und 3 in Döbeln sicher nie vergessen. Statt diesen Sonntagabend vor dem Fernseher ausklingen zu lassen, mussten die Bewohner von insgesamt 20 Wohnungen ihr Zuhause überstürzt verlassen.
Vor allem durch das Treppenhaus der Nummer 1 zog beißender Rauch. Den verursachte ein Feuer, das im Keller ausgebrochen war (Döbelner Anzeiger berichtete). Schnell wurde klar: Es handelt sich um Brandstiftung.
Fast ein Jahr später soll sich der mutmaßliche Brandstifter vor dem Döbelner Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, an diesem Tag gegen 17.40 Uhr im Kellergeschoss des Hauses seiner damaligen – und wieder neuen – Lebensgefährtin Öl auf ein Bettlaken geschüttet, dieses angezündet und dann das Haus verlassen zu haben.
Das Feuer habe auf Holzlatten, eingelagerte Gegenstände und die Kellerdecke übergegriffen. Die bestand komplett aus Schaumpolystyrol, das schnell gebrannt und Rauchgas erzeugt habe, das sich im Treppenhaus bis in die fünfte Etage ausgebreitet hat.
„Ein Übergreifen des Brandes auf die Wohnungen hat die Feuerwehr verhindert“, so der Staatsanwalt. Die Polizei habe den Sachschaden auf rund 50.000 Euro geschätzt. Die genaue Höhe sei bis heute nicht bekannt. Der Staatsanwalt wirft dem Angeklagten Brandstiftung in Verbindung mit schwerer Brandstiftung vor.
Angeklagter bestreitet die Tat
Der stämmige 25-Jährige bestreitet die Tat jedoch. Ja, er sei an dem Tag in dem Haus gewesen, habe dieses aber gegen 17.15 Uhr wieder verlassen und sei nach Hause gefahren. Dort habe er später einen Anruf von der Nachbarin seiner Lebensgefährtin erhalten, dass es in deren Haus brenne. Gemeinsam mit seiner Schwester und einem weiteren Mann sei er daraufhin wieder nach Döbeln Nord gefahren.
Auf die Frage von Richterin Christa Weik, was er dort getan hat, weiß der Angeklagte keine konkrete Antwort. Er habe nur geschaut, sei später wieder nach Hause und gegen 21 Uhr nach Leipzig gefahren. Dort habe er noch laden müssen. Damals habe er als Kurierfahrer im Fernverkehr gearbeitet.
Er gibt noch zu, sich zwei Tage vor dem Brand mit seiner Lebensgefährtin gestritten zu haben. Sie habe sich von ihm getrennt, aber geweigert, seine Sachen herauszugeben. Das habe sich aber noch am Abend der Trennung geklärt. Den Brand, so betont er erneut, habe er nicht gelegt. Seit etwa drei Monaten seien die beiden wieder ein Paar. Er wohnt inzwischen in einem benachbarten Landkreis und sie sei jetzt zu ihm gezogen.
Eine Polizeibeamtin war damals mit zwei Kollegen die Erste am Brandort in Döbeln Nord. Dort hätten schon viele Anwohner und Schaulustige vor den Häusern gestanden. „Von denen haben wir erfahren, dass sich noch Personen im Gebäude befinden“, sagt die Beamtin als Zeugin. Fünf Bewohner seien dann von den Kameraden der Feuerwehr über die Drehleiter aus dem Haus geholt und dem Rettungsdienst übergeben worden. Einige hätten unter Atemnot gelitten.
Treppenhaus stark verrußt
In dem Haus sei die Polizistin nicht gewesen, habe aber durch ein Kellerfenster Flammen gesehen. Laut den Unterlagen von Richterin Christa Weik hat die Feuerwehr den Brand in der Zeit zwischen 18.15 und 18.50 Uhr gelöscht. Anschließend seien die Schließzylinder der Haustüren beider Aufgänge ausgetauscht worden, damit niemand die Häuser betreten konnte. Die Bewohner seien bei Verwandten und Bekannten untergekommen.

Der damalige Brandursachenermittler bestätigt, dass er den Brandort relativ unverändert vorgefunden habe. Vor allem das Treppenhaus der Nummer 1 sei – nach oben abnehmend – stark verrußt gewesen. Die stärksten Brandspuren habe es im Kellergang gegeben. „Der Brand hat in einem Keller begonnen“, erklärt der Kriminalhauptkommissar in der Verhandlung.
Da es im Keller keine Elektroanlagen gibt, könne eine solche als Brandursache ausgeschlossen werden. „Die Zündung muss mit einer offenen Flamme erfolgt sein“, so der Beamte. Gemeinsam mit der Richterin, den Schöffen, dem Staatsanwalt und dem Verteidiger sieht er sich die Fotos vom Brandort an und erklärt dabei, dass die Spalten zwischen den Latten der Kellerboxen zu eng seien, um etwas durch sie hindurch zu werfen.
Dabei hätte sich der Täter verletzt. Es habe nirgendwo Einbruchspuren gegeben. Ein Schloss zum Kellerabteil habe er nicht gefunden. Der Angeklagte hatte erklärt, dass der Keller seiner Lebensgefährtin immer abgeschlossen war.
Die Tür vom Kellergang zum Treppenhaus müsse zumindest nach Ausbruch des Feuers offen gewesen sein. „Sonst wäre eine so starke Verrauchung des Treppenhauses nicht möglich gewesen“, erklärt der Brandursachenermittler. Brandbeschleuniger habe er nicht gemessen, ergänzt er auf Nachfrage der Richterin. Wenn allerdings nur ganz wenig Brandbeschleuniger benutzt wurde, könne der auch rückstandslos verbrannt sein. Und es sei möglich, dass der Brand bereits 20 bis 30 Minuten vor seiner Entdeckung ausgebrochen ist.
Giftige Gase ausgetreten
Der Ermittler macht darauf aufmerksam, wie gefährlich brennendes Schaumpolystyrol ist. „Es entwickeln sich sehr giftige Gase. Es ist Glück, dass nicht mehr passiert ist“, meint der Beamte. Durch das Kohlenmonoxid, das freigesetzt wird, sterben Nervenzellen ab.
Durch die Blausäure entsteht Sauerstoffmangel in den Zellen, der innerhalb von Sekunden zu innerem Ersticken und zum Tod führt. „So wie dieses Haus verrußt war, ist davon auszugehen, dass eine Rußmenge vorhanden war, um schwerste Körperschäden zu verursachen“, sagt der Brandursachenermittler. „Es bestand konkrete Lebensgefahr.“
Weitere Verhandlung am Landgericht
Darauf reagiert der Staatsanwalt energisch. In Richtung der Richterin erklärt er, dass auch ein versuchter Mord als Anklage in Betracht komme. Es solle Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen werden, weil Fluchtgefahr bestehe. Dessen Verteidiger hält dies für sehr bedenklich.

Nach einer kurzen Beratungspause mit den Schöffen folgt Richterin Christa Weik dem Staatsanwalt – zumindest teilweise. Da es sich bei versuchtem Mord um ein Verbrechen handelt, das mit lebenslanger Haft bedroht ist, ist das Amtsgericht Döbeln nicht mehr zuständig. Die Richterin verweist das Verfahren an das Landgericht Chemnitz.
Den Antrag auf Erlass des Haftbefehls weist sie zurück. Eine Fluchtgefahr sehe sie nicht, ob eine Verdunklungsgefahr – die Beeinflussung der Zeugen durch den Angeklagten – bestehe, könne sie nicht beurteilen. Die noch im Döbelner Gerichtsflur wartenden Zeugen werden nach Hause geschickt. Unter ihnen befindet sich einer, der von Beamten aus einer JVA vorgeführt werden sollte.