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Rüder Kniestoß vor Lina-E.-Prozess in Dresden

Ein 61-Jähriger wurde beim Besuch einer Dresdner Gerichtsverhandlung gegen mutmaßliche linke Gewalttäter attackiert. Der Angeklagte schweigt.

Von Alexander Schneider
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Zahlreiche Unterstützer von Lina E. haben zum Prozessauftakt im September 2021 am Dresdner Hammerweg für sie demonstriert. Im Mai 2022 soll ein 60-jähriger Besucher einen anderen angegriffen haben. Der 35-jährige Leipziger wurde nun verurteilt.
Zahlreiche Unterstützer von Lina E. haben zum Prozessauftakt im September 2021 am Dresdner Hammerweg für sie demonstriert. Im Mai 2022 soll ein 60-jähriger Besucher einen anderen angegriffen haben. Der 35-jährige Leipziger wurde nun verurteilt. © Arvid Müller

Dresden. Besucher des am Mittwoch zu Ende gehenden Prozesses gegen die mutmaßliche Leipziger Linksextremistin Lina E. und drei Männer aus Leipzig und Berlin sorgen seit Beginn der Hauptverhandlung im September 2021 am Oberlandesgericht Dresden (OLG) für erhöhte Aufmerksamkeit der Justizbediensteten.

So wurden trotz intensiver Zugangskontrollen bereits Szene-Sticker in dem Hochsicherheits-Gerichtsgebäude am Hammerweg verklebt und Parolen mit Edding-Stiften auf dem WC hinterlassen. Ein Besucher hatte gar Steine mit in den Saal schmuggeln wollen.

Lina E. und ihren Komplizen werden als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung Gewalttaten gegenüber tatsächlichen und vermeintlichen Rechtsextremisten vorgeworfen. Der Prozess, der am Mittwoch endet, wird intensiv von der Leipziger Szene beobachtet, die ihre Solidarität mit den Angeklagten zeigt. Sie kritisiert seit Jahren das Verfahren und die Ermittlungen. Es gab etwa Aufrufe, alle Sitzplätze im Saal – sie waren 2022 noch wegen der Pandemie auf 39 begrenzt – zu besetzen, um Anhänger der Geschädigten auszuschließen.

Weil auch Lebensmittel nicht gestattet sind, treffen sich Besucher, die meisten gehören der Leipziger Soli-Gruppe an, in der Mittagspause vor dem Gebäude. Genau dort ist es im Mai 2022 zu einem rüden Übergriff auf einen damals 60-jährigen Mann gekommen, der ebenfalls den Prozess besuchen wollte. Er war zuvor schon mehrmals dort gewesen, wurde daher als mutmaßlicher Angehöriger der rechtsextremen Geschädigten wahrgenommen.

"Ich schätz’ mal zehn Jahre"

Es gab ein Wortgefecht, bei dem der 60-Jährige "Ich schätz' mal zehn Jahre" gesagt hatte. Es war wohl das von ihm gemutmaßte Strafmaß für Lina E. Dann soll ein 35-jähriger Leipziger auf den Besucher zugegangen sein und ihm einen schmerzhaften Kniestoß in den Oberschenkel verpasst haben. Der Tatverdächtige wurde noch vor Ort gestellt. Polizisten, die zum Schutz der Verhandlung vor dem Gebäude wachten, waren Zeugen der Auseinandersetzung geworden und beendeten den Disput.

Der 35-jährige Leipziger wurde wegen Körperverletzung per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 900 Euro (30 Tagessätze) verurteilt, die er jedoch nicht akzeptierte. Im Mai fand nun der Prozess am Amtsgericht Dresden statt, fast genau ein Jahr nach dem Vorfall. Auch der Angeklagte wurde jetzt von einigen Unterstützern begleitet. Er verteidigte sich "schweigend", machte selbst also keine Angaben zu dem Vorwurf.

Ein Polizist und der Geschädigte, er nahm mit Rechtsanwalt Michael Bürger als sogenannter Adhäsionskläger an dem Verfahren teil, bestätigten den Vorwurf. Der Besucher berichtete, er betreue ehrenamtlich Langzeit-Verbüßer in Gefängnissen, sei daher aus Neugier zuvor schon mehrfach in dem Lina-Prozess gewesen.

Der Richter verurteilte den Angeklagten am Ende zu einer Geldstrafe von sogar 1.050 Euro (35 Tagessätze). Darüber hinaus muss der Leipziger 300 Euro Schmerzensgeld an den 61-Jährigen zahlen – für den Kniestoß und für den erlittenen Grundrechtseingriff, weil er vom Besuch der Gerichtsverhandlung abgehalten worden sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.