73-jähriger Dresdner verteidigt Pfandflaschen mit Messer

Dresden. Der 73-jährige Mann aus Briesnitz erfüllt nicht das Klischee vom Flaschen sammelnden Rentner, der anders nicht über die Runden kommt. Vielleicht stimmt das Narrativ, das gerne von Populisten links wie rechts bedient wird, auch gar nicht. Der 74-Jährige jedenfalls verfügt mit seiner Frau über ein Monatsnetto von mehr als 2.500 Euro. Trotzdem nimmt er auf seiner "Verdauungsrunde" die eine oder andere Pfandflasche mit. Der Stadtteil-Hygiene jedenfalls ist der Mann damit dienlich.
Doch im April dieses Jahres hat sich der 73-Jährige etwas geleistet, dass ihn nun wegen eines Verbrechenstatbestands vor das Amtsgericht Dresden brachte. Laut Anklage hat der Mann am Freitag, 21. April, mittags in der Dresdner Straße in Cossebaude zwei Plasteflaschen mit einem Pfandwert von 50 Cent gestohlen, die erkennbar auf dem Grundstück lagen, wo ein Hausmeister gerade mit seinem Sohn Rasen mähte.
Der bestohlene Hausmeister hatte das bemerkt und eilte dem Dieb hinterher, um die Herausgabe der Beute zu fordern. Das habe der Rentner jedoch rüde abgelehnt. Er habe den Geschädigten weggestoßen und mit einem Taschenmesser bedroht, das er aus seiner Jacke gezogen habe. Auf räuberischen Diebstahl steht mindestens ein Jahr Haft.
Motiv des räuberischen Diebstahls in Dresden: "Alterssturheit"?
Der Angeklagte gab zu, die Flaschen mitgenommen zu haben. Sie seien ihm auf der Straße entgegen gekullert. "Was auf der Straße liegt, gehört mir", sagte er. "Vielleicht könnte ich dem Mann auch einen Stoß gegeben haben, weil er mir zu nahe kam."
Ihm tue die Sache leid, es sei ihm peinlich. Wahrscheinlich habe es an seiner "Alterssturheit" gelegen, dass er die Flaschen nicht herausgegeben habe. Doch ein Taschenmesser habe er weder einstecken gehabt noch eingesetzt: "Das brauch' ich nicht!"
Der geschädigte Hausmeister jedoch berichtete detailliert, wie der Angeklagte das Messer gezogen habe, wie er näher kam und wie es aussah. Er sei geschockt gewesen, habe die Polizei alarmiert und den Täter verfolgt, berichtete der 64-Jährige. Möglicherweise könnte der Angeklagte die Flaschen und vielleicht auch sein Messer vor einem Netto-Markt in einen Mülleimer geschmissen haben. Dann sei er in einer Tiefgarage verschwunden.
Die zweite Zeugin, eine Autofahrerin sagte, sie habe beobachtet, wie der Angeklagte die Flaschen aufgehoben habe, "obwohl ersichtlich war, dass sie Leuten gehören, die dort den Rasen gemäht hatten." Sie ging davon aus, dass die Flaschen nicht leer gewesen seien. Der Angeklagte sei "so guckend durch die Gegend gelaufen".
Schwerbewaffnete Uniformierte rücken nach Messer-Attacke in Dresden an
Tatsächlich rückte bald ein gutes Dutzend schwerbewaffneter Uniformierter an, um den mutmaßlich aggressiven Messer-Mann zu überwältigen. Ein Taschenmesser wurde bei ihm jedoch nicht gefunden.
Der nicht vorbestrafte Angeklagte fand ein wohlwollendes Schöffengericht, obwohl er den Vorwurf nicht zugab und sich gegenüber dem Hausmeister auch nicht zu einer Entschuldigung überwinden konnte. Das Gericht wertete die Tat "nur noch" als eine Bedrohung und stellte die Sache ein. Es könnte sein, dass der Angeklagte gar nicht gewusst habe, dass er einen Diebstahl begeht, so die Begründung. Der Rentner muss jedoch eine Geldauflage von 300 Euro an die Dresdner Tafel zahlen.
Die gute Nachricht am Rande: Die Fahrerin eines gelben Autos spendierte den Hausmeistern noch am Tattag Getränke. Sie "hat uns zwei neue Flaschen hingestellt", sagte der Hausmeister im Zeugenstand.