Rumäne gesteht Tötung von Landsmann in Schrebitz

Ostrau. In Handschellen wird Sergiu P. in den Saal des Landesgerichts Chemnitz gebracht. Seit dem 17. Januar sitzt der 26-Jährige in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden in Untersuchungshaft, die zwischenzeitlich aber dreimal unterbrochen wurde.
Zweimal verbüßte der junge Mann je vier Wochen Ersatzfreiheitsstrafen, die von den Amtsgerichten Döbeln und Dresden verhängt wurden und einmal ging er in Erzwingungshaft nach einem Urteil des Amtsgerichts Altenburg.
Diesmal wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, am 16. Januar gegen 2.30 Uhr in der Küche eines Hauses im Ostrauer Ortsteil Schrebitz den Rumänen George M. mit einem 19 Zentimeter langen und maximal 2,2 Zentimeter breiten Küchenmesser durch das Herz bis in die Lunge gestochen zu haben. Der 21-Jährige sei in kurzer Zeit nach innen und außen verblutet.
„Ich sage alles“, erklärt Sergiu P. sofort. Der Mann, der in der Republik Moldau geboren wurde, aber auch die rumänische Staatsbürgerschaft besitzt, rechnet bereits damit, längere Zeit in einer JVA zu verbringen. Er beginne im September dort mit der Mittelschule und im Januar mit einer Arbeit als Mechaniker. Denn bisher habe er keinen Beruf erlernt, erklärt er auf eine entsprechende Frage von Richterin Sybille Schlemming.
Sergiu P. spricht von einer guten Beziehung zu dem späteren Opfer George M. Sie hätten tagsüber zusammen gearbeitet und abends gemeinsam Bier getrunken. Die beiden hätten mit Sergius Bruder Igor bei einem Kurierdienst gearbeitet. Sergiu P. habe sich um die Verwaltungsangelegenheiten gekümmert. George M. sei als Fahrer für Igor P. eingesprungen, da der aufgrund einer Handverletzung nicht Auto fahren konnte.
Streit um Geld eskaliert
Der Inhaber der Firma sei nur selten da gewesen und habe Sergiu P. die Kreditkarte überlassen. „Damit konnte ich zum 15. des Monats den Lohn für meine Kollegen und mich abheben“, sagt der Angeklagte. Mit George M., der noch nicht fest angestellt war, seien 1.000 Euro vereinbart gewesen.
500 Euro habe Sergiu P. am 15. Januar an George M. mit dem Versprechen übergeben, zwei Tage später weitere 200 Euro abzuheben. „Die Miete war gratis, aber die 900 Euro, die wir zu dritt für das Essen verbraucht haben, habe ich durch drei geteilt“, so Sergiu P. Die 300 Euro habe er gleich vom Lohn abgezogen.
Das sei alles im Vorfeld so besprochen worden, trotzdem habe George M. mehr Geld gewollt. Igor P. könnte ihm von seinem Lohn etwas abgeben und George M. sollte einen Lehrgang besuchen, um fest eingestellt zu werden, habe Sergiu P. vorgeschlagen.
Ab etwa 19 Uhr hätten die Drei am 15. Januar mit vier weiteren Landsmännern zusammengesessen, gegrillt und getrunken – sehr viel getrunken. Sergiu P. schätzt, dass es bis 2.30 Uhr etwa 15/16 Flaschen Bier gewesen seien. Betrunken habe er sich nicht gefühlt. Er sei solche Mengen gewohnt und esse immer viel dazu.
Konflikte habe es an diesem Abend keine gegeben. Drei der Männer seien um Mitternacht nach Hause gefahren und George M. auf sein Zimmer gegangen. Später sei er wieder in der Küche erschienen und man habe ihm angesehen, dass er wütend war. Zuerst habe er sich über Kleinigkeiten aufgeregt und Sergiu P. dann zweimal einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Der habe zuvor mit der Polizei gedroht.
Als er den dritten Schlag auf sich zukommen sah, habe er ohne zu überlegen das Messer vom Tisch genommen und zugestochen. „Ich habe in dem Moment nicht gewusst, was ich tue und Angst bekommen“, sagt der Angeklagte. Er habe das Messer wieder rausgezogen, aus dem Bad ein weißes Handtuch geholt, es auf die Wunde von George M. gedrückt und seinem Bruder gesagt, er soll die Blutung weiter stillen und den Rettungsdienst anrufen.
Messer in der Erde versteckt
Sergiu P. habe sich Hände und Gesicht gewaschen und sei mit dem Messer „raus aus dem Haus“. „Und wo ist es geblieben?“, will Richterin Sybille Schlemming wissen. Zwischen dem zweiten Baum und dem Haus habe er es versteckt, so Sergiu P. Zuerst habe er es mit der Hand in die Erde gesteckt und dann mit dem Fuß nachgetreten.
Seine Panik sei groß gewesen. Er sei mit einem Auto weggefahren und habe einen vierten Mann, der sich noch mit im Gebäude befunden hatte, zu Hause abgesetzt. Dann sei er noch etwa 30 bis 40 Kilometer weitergefahren, habe angehalten und geschlafen.
„Bei dem Alkoholspiegel konnten Sie noch Autofahren“, zweifelt die Richterin. Er sei sehr langsam und in der Mitte der Straße gefahren, erklärt der Angeklagte. Nach dem Aufwachen sei er weiter über Tschechien und Österreich geflohen.
Todesnachricht beendet die Flucht
Einer der Männer, mit denen er getrunken hatte, habe ihm dann telefonisch mitgeteilt, dass in Ostrau ein Toter gefunden wurde. „Ich hatte angenommen, dass George noch am Leben ist und hatte mir überlegt, ihm Geld als Wiedergutmachung zu geben“, so Sergiu P.. Doch nach der Todesnachricht habe er sich entschlossen, zurückzukehren und seine Strafe abzusitzen. Er hätte auch weiter nach Russland fliehen können, wo sich seine Ehefrau aufgehalten habe. Doch dort hätte er sich immer verstecken müssen.
Im Internet habe er nachgeschaut, wo sich in Deutschland die nächste Polizeidienststelle befindet. In Freilassing in Bayern habe er sich dann gestellt. Die Beamtin, die das Geständnis dort entgegengenommen hat, konnte den Termin für die Zeugenvernehmung nicht wahrnehmen. Mit dem Einverständnis von Staatsanwalt und Verteidiger wird ihre Aussage nun auch nicht mehr benötigt. Die Sachlage sei eindeutig.
Denn die Aussagen von drei der anderen Rumänen, die am 15. Januar mitgefeiert hatten, decken sich weitestgehend mit dem Geständnis des Angeklagten. Sie sagen auch übereinstimmend, dass George M. größer und stärker gewesen sei, als Sergiu P. Der war zum Tatzeitpunkt 1,78 Meter groß und 76 Kilo schwer. „Ich habe in der JVA mit Sport angefangen, damit ich stärker werde. Und trinken will ich auch nicht mehr“, meint der Angeklagte.
Die damaligen Kurierfahrer arbeiten nicht mehr zusammen. Einer wohnt jetzt in Meißen und fährt weiter Pakete aus. Der Zweite ist Kraftfahrer in Döbeln, und Sergius Bruder Igor hat es nach Italien verschlagen, wo er in einem Hotel als Kellner arbeitet.
Bruder vorläufig festgenommen
Igor P. kann sich aufgrund des Alkohols schlecht erinnern. Er habe George M. fallen sehen und jemand habe gesagt, er solle die Polizei oder den Rettungsdienst holen. Das habe er getan und plötzlich festgestellt, dass niemand mehr im Haus war. „Ich bekam Angst, habe die Nerven verloren und das Haus verlassen“, sagt er. Draußen seien viele Polizisten gewesen. Igor P. wurde vorläufig festgenommen, kam aber bald wieder auf freien Fuß.
Am ersten Verhandlungstag sagen auch noch ein Nachbar und ein früherer Chef von Sergiu P. aus. Beide können zu dem Fall aber nichts Konkretes beitragen. Es sind noch drei weitere Verhandlungstage angesetzt, an denen unter anderen Kriminalbeamte und ein Gutachter gehört werden.